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Being in Black

Es ist schwer, über Mode zu sprechen ohne dies tautologisch, deskriptiv oder banal zu tun. Diejenigen, die es dennoch schaffen, sind selten Genrejournalistinnen und Genrejournalisten1 und noch seltener Modeschaffende selber. Es scheint, als bedürfe es in erster Linie eines guten Versuchsaufbaus, um interessante Aussagen über und Bilder von Mode zu einem sinnvollen Text zusammenzubringen.

Wim Wenders‘ Notebook on Cities and Clothes ist ein solcher Aufbau. Die Dokumentation spannt einen Raum, den Yohji Yamamoto auf beeindruckende Weise füllt – mit einer brüchigen, tastenden Analyse seiner eigenen Arbeit, einem Vorschlag. Ein Teil dieser Brüchigkeit mag der englischen Sprache geschuldet sein – und zwar weniger aufgrund der Tatsache, dass Yohji Yamamoto schlechtes Englisch spricht, als der Abwesenheit des großen ästhetischen Referenzrahmens seiner Muttersprache.

Interessant, wenn auch hinreichend verbreitet ist Yamamotos Interpretation des Wabi-Sabi in seinen Entwürfen – der Abneigung gegen die hundertprozentige, gegen die „richtige“ Lösung. Letztlich handelt es sich dabei um eine Formulierung der Konkurrenz zwischen Skill und Geschmack:

Human beings can’t make perfect things. When I make something symmetric, something a little too perfect, I always want to break it, destroy it a little.

Deutlicher und nahezu übertragbar auf die eigenen Erfahrungen, das eigene Versagen am Entwurf ist das zweite Thema. Die Auseinandersetzung mit sich selbst, mit dem Scheitern und der Unmöglichkeit, die eigene Arbeit beurteilen zu können: Become aware of your style. Don’t try to neglect it. Use it to get your message across.

Es ist zu exakt gleichen Teilen motivierend und einschüchternd, Yohji Yamamoto diese Dinge sagen zu hören – denn sein Beitrag zum Text des Films besteht weniger in den zitierbaren Inhalten als in der leisen Wucht seiner Persönlichkeit. Es ist ein Verdienst dieses Filmes, diese Aussagen auf diese Art und Weise möglich gemacht zu haben.

Ich empfehle Notebook on Cities and Clothes uneingeschränkt. Er ist eine bemerkenswert zeitlose Dokumentation der ästhetischen Beweggründe eines herausragenden Kreativen, weit über das Thema Mode hinaus.

Erstaunt stellt Wim Wenders während der Dreharbeiten in Tokio fest, dass sein kleiner, neuer Camcorder hier das angemessenere Werkzeug sei – ihre Bilder seien geeigneter als die der großen 35-Milimeter-Kamera. Konsequenterweise beschließt er seinen Film im Sommer 1989 mit der Frage: Will there be an electronic craft, an electronic craftsman?


  1. Das gilt insbesondere für digitale Medien; Publikationen auf dem Niveau von Mahret Kupkas Fashion & Art (inzwischen: modekoerper) oder der collagierten Eindringlichkeit von Lynn and Horst sind die Ausnahme. 

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