electricgecko.de

Als ich schließlich das bauhaus erblickte, das ganz aus einem Stück gegossen zu sein scheint wie ein beharrlicher Gedanke, und seine Glaswände, die einen durchsichtigen Winkel bilden, mit viel Luft verschließend und doch von ihr getrennt durch einen exakten Willen […]. Dieses Bauwerk steht gewissermaßen im feindlichen Gegensatz zu den benachbarten Häusern und zum Erdboden selbst, zum ersten Male sieht hier die Erde einen Kult der nackten Vernunft […]. Jeder Winkel, jede Linie, jedes kleinste Detail wiederholt hier eindringlich die Schlussworte seit der Schulzeit vergessener Theoreme: Was zu beweisen war. — Ilja Ehrenburg, erster Besuch am bauhaus Dessau, 1929. Eine der zahlreichen signifikanten Textpassagen unserer Reise in die beiden bauhausstädte.

DRKWRTR

Schreiben ist Gestalten. Je länger ich beides betreibe, desto weniger verstehe ich es, zwischen diesen beiden Tätigkeiten zu unterscheiden. Mir erscheint es sinnlos, eine Idee oder einen ästhetischen Vorschlag entweder visuell oder durch Sprache zu formulieren. Der Begriff Programmieren ist geeignet, um die Einheit von Gestaltung (als planvolles Arrangieren) und Text-Schreiben auszudrücken. Wenig zufälligerweise hat sich die Gestaltung von digitalen Dingen vom Grafikdesign gelöst und sich dem Produktdesign oder der Architektur genähert: Prototyping, Iteration, Gestaltung mit/im Code.

To program means to write something into existence.

In den letzten Monaten habe ich ein Programm geschrieben, um damit wiederum Texte schreiben zu können. In einem Anflug von Albernheit und überspannter Lust am personal Branding nannte ich dieses Programm DRKWRTR – in Verweis auf seine utilitaristische Ästhetik und Featurearmut. Beide Eigenschaften sind zu gleichen Teilen einem Mangel an Fähigkeiten und dem Drang zur Ästhetisierung geschuldet. DRKWRTR ist eine spartanische Umgebung für das Schreiben von Texten – das entspricht meinen Kriterien, um mich beim Schreiben wohlzufühlen. Im Einzelnen:

Wie so häufig hat der Versuch, ein limitiertes Featureset umzusetzen, zu einem anderen Ergebnis geführt, als ursprünglich beabsichtigt war. DRKWRTR ist ein eigensinniges Programm mit eigensinnigen Trade-Offs. Es ist ein simples Werkzeug zum Schreiben, wie ich es mir vorstelle, a writing environment for slaves in a brutalist spaceship1, aber sicherlich alles andere als flexibel einsetzbare oder gar sinnvolle Software.

DRKWRTR ist Open Source und basiert auf jQuery, Markitup und einigen anderen frei verfügbaren Javascript-Bibliotheken. Der Quelltext liegt bei GitHub. Ich freue mich über Kritik, Meinungen und Bugreports. Aus diesem Grund bin ich Alex sehr dankbar – für seine Hilfe und einige sehr gute Hinweise. Ich habe großes Interesse, aus DRKWRTR eine Offline-First-Applikation in seinem Sinne zu machen2. Mehr über das Programm steht in einer Datei namens Readme.md, auf drkwrtr.co/about und im User Manual, das beim ersten Öffnen angezeigt wird.

Schließlich: Seit dem vergangen Herbst schrieb ich die Einträge dieser Seite mit verschiedenen rudimentären Versionen von DRKWTR. Es freut mich sehr, dass ich diesen Text nun in einer Umgebung schreiben kann, die trotz und wegen ihrer beschränkten Möglichkeiten und vielen Mängel meiner Art zu denken, zu schreiben und zu gestalten entspricht. Without further ado:

http://drkwtr.co

CNCRT


  1. Um diese schöne Formulierung ästhetischer und ethischer Ideale unverändert zu stehlen. C.F. 

  2. Weil es DRKWRTR auf Mobiltelefonen zu einem wesentlich sinnvolleren Programm machen würde. Momentan ist es ohne Webzugriff nicht verwendbar. 

Review and Comparison

I

Wie ein massiver Block organischer Technik duckt sich ein Gebäude unter dem niedrigen römischen Himmel, wie ein nasser Waran, seine graue Oberfläche im Regen schimmernd. Auf den ersten Blick ist es eine Schichtung kompakter Masse, breit und windend, die Hadid-Grundform.

Auf den zweiten weicht der Eindruck der Geschlossenheit. Das MAXXI ist destrukturierender Raum, es löst den Blick auf, die es löst die Wege auf, es löst die Zugänge auf. Jede Achse im und am Gebäude hat Parallelen, stellt alternative Routen für Blick und Körper zur Verfügung. Diese Verwindung bleibt auflösbar, jeder Zugang ist verständlich aus jeder Perspektive. Das alles folgt dem Flow der ins unendliche extrapolierten Zukunftsvision der neunziger Jahre. Jeder Winkel hat 45° und ist abgerundet, löst sich aus dem Ganzen, fließt ins Ganze zurück. Hangartreppen, schwarzer Kontrast gegen das Glas und den grünen Schimmer der Halogen-Reflektoren.

II

Das Ineinander-Setzen in der Architektur: Den Charakter eines Ortes entwerfen und ihm zugleich vehement widersprechen. Ihm auf Augenhöhe widersprechen, ihm so sehr widersprechen, dass es sinnlos wäre, den Widerspruch nicht als integralen Bestandteil des Entwurfs zu nennen.

Das MACRO liegt in den Schatten, in der Tiefe des Raumes und der Tiefe des Schwarz an allen sechs Flächen seines Atriums. Darin: das Infrarot des Kubus, von Odile Dercq quasi als Readymade hineingesetzt, wie eine eigene Etage wirkend. Darüber: das bunt gefilterte Licht des Glasdaches. Zu allen Seiten: Filigrane Galerien aus schwarzem Stahl. Spitze Winkel, Halogen. Wieder diese Neunzigersache1. Die Wahl der Perspektive und des Zugangs zum Raum ist frei. Je nach Position und Wendung dominiert die schwarze Bühne oder der Wille zum Effekt und zum Übermut – aber nie ohne auf das jeweils Andere hinzuweisen.


  1. Eher: 1988, wie ja Jahrzehnte gemeinhin selten zur vollen Dekade beginnen, sondern einige Jahre früher oder später. 

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