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Maximen für Handwerker

Manifeste sind eine problematische Sache, weil sie Endgültigkeit beanspruchen. Und zwar dadurch, dass sie einen Gedankengang in formulierter Form externalisieren und aus weiteren Überlegungen ausklammern. Die Regeln des Manifestes müssen nicht mehr bedacht werden, weil sie die Regeln sind, nach denen gedacht wird. Manifesten sollte man aus dem Weg gehen, solange sie sich nicht selbst hinterfragen.

Yanagi Soetsu hat 1926 ein Manifest geschrieben, das sich selbst gehorcht, überschrieben mit Kojinmei-kibutsu nanasoku (Maximen für Handwerker – 7 Regeln für Gefäße)1. Die klare, starke Form des Textes entspricht seinem Inhalt. Sein Inhalt trifft auf moderne kreative Arbeit ebenso zu, wie er die vorindustrielle Fertigung von Werkzeugen, Kleidung und Möbeln getroffen hat. Es hat mich sehr beeindruckt.

Macht schöne Dinge.
Macht Dinge, die man benutzen kann.
Macht einfache Dinge.
Hütet euch vor zu viel Kunstfertigkeit.
Hütet euch vor zu viel Wissen.
Das Werk sollte gesund sein.
Achtet die Handarbeit.
Seid darauf bedacht, den Preis niedrig zu halten.
Macht Gefäße, die ihr selbst gern benutzt.
Das Werk sollte bescheiden sein.
Innere Klarheit ist die Grundlage der Schönheit.
Beachtet die Eigenschaften des Materials.
Beobachtet die Natur intensiv.
Das Gefäß zu formen entspricht der Formung der eigenen Persönlichkeit.

Ich habe den Gedanken der Schönheit durch Funktionalität nirgends besser formuliert gelesen. Oder, wie Yanagi Soetsu feststellt: Schönheit ist das Wichtigste, doch der Entwurf darf niemals mit ästhetischen Überlegungen beginnen — sondern mit funktionalen. Ich werde das berücksichtigen, mehr denn je, bei der Gestaltung eines Plakates.


  1. Yanagi Soetsu, Kogei no michi, Tokio, Band 8, Seite 33 

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