electricgecko

November

Ich kehre in regelmäßigen Abständen zu echobasierter Musik zurück, oder besser: Diese Musik kehrt zurück zu mir, nachdem sie die Welt ein weiteres mal durchquert hat, verhallt ist in Städten und Meeren, zurückgeworfen wurde von Felsen und Wäldern.

Echo ist die Virtualisierung des Raumes in der Musik. Im Sound ist er nur als Leere einer zeitlichen Ausdehnung darzustellen, als energetische Pause, als Abwesenheit und Entfernung. In der Materialität der Malerei existiert das in der erzwungenem Perspektive, im Fluchtpunkt1, im Text ist der Raum der Umbruch in der Zeile, im Rhythmus der Strophe, in der Ellipse, in der Abwesenheit von Erzählung.

Wie das Echo durchqueren die wenigen Releases von Gombeen & Doygen dieses Jahr, auf ihren Wegen weg und zurück zu mir. Zwei 12“-Singles gibt es da, jeweils zwei mal zehn Minuten dicker blue-eyed Dub, wenn es das geben kann, verspult, verquarzt, verkratzt. Zwei Edelgas-Kartuschen aus Edelstahl unter großem Druck. In den insgesamt vier Tracks steht D’Americana für sich. Das ist Gasgigant, ein monumentaler Skank, dessen Text als Stream of Conscioussness, als endloser Koan in der Atmosphäre schwebt: Schwere Moleküle aus Wort und Track, die nicht zu verstehen und nicht zu vereinen sind, und doch alle Aufmerksamkeit binden. Hypnotisch, kognitiv überwältigend, in mehr als einer Hinsicht: Dicht. Prada und seine B-Seite, Sequel2 versuchen diese Atmosphäre mit dem gleichen Instrumentarium ein weiteres Mal herzustellen und dabei halbwegs heimlich einen Floorfiller zumindest in Kauf zu nehmen. Das gelingt, jedoch ohne die kognitive Intensität der ersten Single zu erreichen. Diese Absicht und jene Verfehlung haben miteinander zu tun – in dieser Musik muss man die Rückkehr der Echos abwarten, acht geben, um von der verzerrten Kopie der eigenen Gedanken aufs neue irritiert zu werden. Das Hypnotische lässt sich nicht absichtsvoll herstellen. Es ist einfacher, die Leute auf die Tanzfläche zu jagen als ihre Blicke nach innen zu wenden, ihr Selbst für einen Moment sprudelnd in Nichts3 aufzulösen.

Das Aufheben von zwei Gegenpolen in einem neuen Nichts ist ein übliches Muster dieses Universums. In der Musik ermöglicht es den Durchbruch durch das Naheliegende, hindurch zur anderen Seite der Signifikanz: Wo nichts mehr zu entfernen ist, stellen wir fest, dass eine Ebene tiefer eine neue Welt liegt. Das Neue in der Musik entsteht im Druck zwischen Reduktion und Konzentration.


  1. Als müsse der Blick aus der Fläche fliehen, Schutz in der Abstraktion suchend. 

  2. Ein Track, der in seiner steppenden Verpeilung eine gewisse Verwandschaft zu Kareem’s Rattledisco aufweist. Mir fällt kein weiteres Stück Musik ein, das noch in diese Reihe passt. 

  3. In allen Diziplinen ist die Leere des Echos eine temporäre Abwesenheit: sie verspricht die Rückkehr des Ausgesetzten, seine eigene Rückkehr. Der imaginierte Raum, der hier zu durchqueren ist, steht den Rezipientinnen zur Verfügung: er darf unverwendet bleiben: The gentle sonic abstraction, the fuzz of background static create a grey box, lined in the ultrasuede of your thoughts. 

Ein graues Licht liegt auf der Stadt und auf mir, an unserem letzten gemeinsamen Tag in diesem letzten Jahr der Trennung. Ein zäher Fluss, eine dichte Luft, geronnene Wolken. Es ist warm unter schweren Himmeln, der einzelnen Palme, der Nacht. Wenig ist zu finden, kaum was vorhanden, verschanzt in den Gräben der Pflicht. Ich muss mich hervorholen. Bisher gelang es nicht, nur zu diesem Neutral hat es gereicht.

Die Möglichkeit, allein zu sein und zugleich vorhanden in der Stadt: Sie besteht dank der fraktalen Kaputtheit ihrer Struktur. Pfade und Stufen – in steile Felsen gehauen, Granitsplitter mit Häusern und herbeigewälztem Granit stabilisiert – ergeben einhundert Wege, in denen keiner geht. Viele verlaufen still, gegen die Welt gedämmt an den Rückseiten der Dinge entlang; Katzenpfade, parallele Routen, Ippon-ura1. Gehen und denken. Die Menschen sind anwesend und bleiben fern zugleich.


  1. 一本裏 

Professionally, I’m interested in designing frameworks: Systems of rules that are readable, and thus, require others to interpret and realize them. I am comfortable offering my own interpretation. But as their designer, I enjoy my perspective becoming one of many over time, to the extend that it may not be present in the finished work at all – as long as I was able to establish a successful framework. Working this way, the aim of design becomes to generate momentum and energy, to create a viable environment, as much as it is to define functionally and aesthetically viable solutions.

You don’t design the space, you design the way of building a space. You don’t plan the building, you plan a construction site.

Leopold Banchini – Tears in the Club (2022)

Oktober

A general creative principle to generate something from nothing:

  1. Pitch an idea into the void. It is important to make it simple, almost laughably so.
  2. Next, turn this idea into physical reality, make it as real as your abilities permit.
  3. You will have to find many detail solutions to retain the idea’s overall integrity. These solutions will warp and compress the idea, adding complexity and interest to it.
  4. Once finished, you will have created something non-evident, if not elegant.

When looking for serenity, at night, beyond all complexity and improvisation, I reach for my Basic Channel records. They restore a sense of order, of imprenetable softness, of calm momentum. I remember all my directions and how to move forward. Rules as materia prima.

Es ist äußerst wichtig, dass Regeln bestehen; ausgedachte Regeln, frei erfundene Regeln, Regeln, die ihre Verhältnisse erklärbar machen. Es ist ebenso wichtig, dass die Regeln jederzeit ignorierbar sind, im Interesse der Smoothness, damit es voran geht und wir hier gemeinsam zu etwas kommen. Zu wissen, wann die Regel unverrückbar gilt und wann sie ignoriert werden muss, ist kulturelle Belesenheit und Empathie.

Black black black, always the preferable decision, if one has to pick a side, in chess and life.

At Serralves, they mounted Zanele Muholi’s portraits onto the surface of rain. Their beauty is born from decisions, from astute awareness between subject, photographer and recipient.

We keep mining ever more detailed aspects of things previously mined for cultural distinction1, new aspects of spent references, the bottoms of all barrels. Fringes of fringes, fractals upon fractals.


  1. The Farm at Black Mountain College, nothing against this book, I’m sure it’s quite interesting. 

September

Zurück am See. Ich fand ihn unverändert, mit neuen Wolken wohl versehen. Mich selber fand ich älter, grau, als hätten mir die wenigen Wochen seit den letzten Zügen weitere Federn geraubt. Was auch immer dieser See noch war und ist und sein wird, er ist eine Achse in meinem jetzigen Leben, eine Erinnerung. Eine Leere, deren Ufer ich regelmäßig aufsuche, um endlich nichts zu sehen.

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