electricgecko

The Ultrasuede of your Thoughts

Ich kehre in regelmäßigen Abständen zu echobasierter Musik zurück, oder besser: Diese Musik kehrt zurück zu mir, nachdem sie die Welt ein weiteres mal durchquert hat, verhallt ist in Städten und Meeren, zurückgeworfen wurde von Felsen und Wäldern.

Echo ist die Virtualisierung des Raumes in der Musik. Im Sound ist er nur als Leere einer zeitlichen Ausdehnung darzustellen, als energetische Pause, als Abwesenheit und Entfernung. In der Materialität der Malerei existiert das in der erzwungenem Perspektive, im Fluchtpunkt1, im Text ist der Raum der Umbruch in der Zeile, im Rhythmus der Strophe, in der Ellipse, in der Abwesenheit von Erzählung.

Wie das Echo durchqueren die wenigen Releases von Gombeen & Doygen dieses Jahr, auf ihren Wegen weg und zurück zu mir. Zwei 12“-Singles gibt es da, jeweils zwei mal zehn Minuten dicker blue-eyed Dub, wenn es das geben kann, verspult, verquarzt, verkratzt. Zwei Edelgas-Kartuschen aus Edelstahl unter großem Druck. In den insgesamt vier Tracks steht D’Americana für sich. Das ist Gasgigant, ein monumentaler Skank, dessen Text als Stream of Conscioussness, als endloser Koan in der Atmosphäre schwebt: Schwere Moleküle aus Wort und Track, die nicht zu verstehen und nicht zu vereinen sind, und doch alle Aufmerksamkeit binden. Hypnotisch, kognitiv überwältigend, in mehr als einer Hinsicht: Dicht. Prada und seine B-Seite, Sequel2 versuchen diese Atmosphäre mit dem gleichen Instrumentarium ein weiteres Mal herzustellen und dabei halbwegs heimlich einen Floorfiller zumindest in Kauf zu nehmen. Das gelingt, jedoch ohne die kognitive Intensität der ersten Single zu erreichen. Diese Absicht und jene Verfehlung haben miteinander zu tun – in dieser Musik muss man die Rückkehr der Echos abwarten, acht geben, um von der verzerrten Kopie der eigenen Gedanken aufs neue irritiert zu werden. Das Hypnotische lässt sich nicht absichtsvoll herstellen. Es ist einfacher, die Leute auf die Tanzfläche zu jagen als ihre Blicke nach innen zu wenden, ihr Selbst für einen Moment sprudelnd in Nichts3 aufzulösen.

Das Aufheben von zwei Gegenpolen in einem neuen Nichts ist ein übliches Muster dieses Universums. In der Musik ermöglicht es den Durchbruch durch das Naheliegende, hindurch zur anderen Seite der Signifikanz: Wo nichts mehr zu entfernen ist, stellen wir fest, dass eine Ebene tiefer eine neue Welt liegt. Das Neue in der Musik entsteht im Druck zwischen Reduktion und Konzentration.


  1. Als müsse der Blick aus der Fläche fliehen, Schutz in der Abstraktion suchend. 

  2. Ein Track, der in seiner steppenden Verpeilung eine gewisse Verwandschaft zu Kareem’s Rattledisco aufweist. Mir fällt kein weiteres Stück Musik ein, das noch in diese Reihe passt. 

  3. In allen Diziplinen ist die Leere des Echos eine temporäre Abwesenheit: sie verspricht die Rückkehr des Ausgesetzten, seine eigene Rückkehr. Der imaginierte Raum, der hier zu durchqueren ist, steht den Rezipientinnen zur Verfügung: er darf unverwendet bleiben: The gentle sonic abstraction, the fuzz of background static create a grey box, lined in the ultrasuede of your thoughts. 

November

Dies ist ein Text aus dem November 2025. Verschlagwortet unter: . Kopie aus dem Textdokument 2025.txt, das meine Notizen dieses Jahres enthält, vermischt mit Zitaten, Verweisen, noch zu lesenden und zu sehenden Dingen und den Sedimenten des Alltags.

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