Mai
Nun also der Katalog für die Ausstellung Shifting/Positions und damit nach Identität, Einladung und Plakat der letzte Teil meines Gestaltungsauftrags. Immer wieder magisch, die digitale Druckvorlage als seriell, von schweren Maschinen hergestelltes, gleichförmiges Massenprodukt wiederzusehen. Diese Dinge kicken mehr als jeder Website-Launch. Weitere Fotos vom Katalog gibt es bei Flickr.
Das Schöne am Web ist ja, dass man nicht immer alles selber machen muss. Dezentralität erhält gute Ideen am Leben; es findet sich immer jemand, der das Package verwaltet, die Gruppe weitermoderiert, die Serverkosten zahlt. In diesem Fall hat es gereicht, dass Marcel an die Stylespion-Aktion Ein Herz für Blogs gedacht hat. Ich begrüße die Aufmerksamkeit für das schöne, entschleunigte Format Weblog.
Ich lege wärmstens an ihr Herz:
- erleben — Anika schreibt seit einigen Monaten leise und eindringlich über Kunst, Musik und Gegenwart. Man sollte sie lesen, für die Auswahl ihrer Themen, für ihre sachlichen und doch nahen Worte zum Stand der Dinge.
- Lass uns scheitern — Verfolgen sie ein Experiment von Jens Nikolaus. Ein persönliches Themenblog zu dem zentralen Thema der in die Permanenz verlängerten Moderne: dem Scheitern, dem Versagen, der Kapitulation.
- Fashion Bits and Bobs — Pascal Grob muss man eigentlich nicht mehr empfehlen, aber Fashion Bits and Bobs ist eines dieser ganz wenigen Blogs über Männermode, die man mit Gewinn liest. Weil es die Balance hält, zwischen Inszenierung, Ausblick und Einordnung. Bitte berücksichtigen sie auch: Visual Diary of Pascal Grob.
Technische Nachbemerkung: Als ich kurz fünf Minuten nachgedacht habe, über gute und frische Weblogs und welche zu empfehlen wären, ist mir aufgefallen, wie sehr Tumblr zur zeitgemäßen Engine des Schreibens im Web geworden ist. Kaum ein neues Blogprojekt ohne halbtransparente + Follow-Overlays. Tumblr ist der Quasi-Standard für inhaltsbezogene Weblogs, Moodboards und vergleichbare Publikationsformen. Besser dieser als ein anderer.
Die Diskussion über Flash und HTML5, über CSS3 und Frameworks muss geführt werden. Sie ist interessant, unterhaltsam und relevant. Dennoch — ich halte mich auch bei diesem Thema lieber an den Nebenschauplätzen auf. Weil es mich mehr kümmert, was nun anzufangen ist, mit den schönen neuen Werkzeugen. Welche Auswirkungen das vorhandene Set von Tools für Grafikdesign und Nutzerführung im Web hat. Ausnahmsweise also einmal: Pragmatismus.
Schönstes Beispiel, das gerade die Gestalterschulhofrunde macht, ist die neue Website des Inventory Magazine, einer wunderbar gestalteten Publikation über hochwertiges Alltagsequipment. inventorymagazine.com tut genau das Richtige — statt den Look der Zeitschrift für das Web zu kopieren (und dabei an Nutzbarkeit und Stringenz zu scheitern, wie die vorige, Flash-basierte Website), übersetzt sie das Editorial Design in ein anderes Medium.
Bemerkenswert ist besonders die Updates-Sektion, die dank simpel realisierter Variationen innerhalb des Rasters eine Wertigkeit der Gestaltung erreicht, die sich wohltuend von all den Kaugumminterfaces abhebt. Und dazu genügen der flexible Umgang mit Bildformaten, ein wenig Detailtypografie mit Verstand (Marginalien/Bildzeilen) und Spannung im Layout. Man sollte mehr über diese Dinge sprechen. Ein CSS3-Multicolumn wird genau dann interessant, wenn es ein konkretes Gestaltungsproblem löst. Tools follow form follow function, bitteschön.
Oder eben immer wieder, bis es schmerzt: Less but better.

Into Entropy