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Sechs Orte in Kopenhagen

Kopenhagen und Hamburg haben vieles gemein. Einiges davon liegt nahe, und hat mit der Lage am Fluss, am Delta, am Wasser zu tun; beide Städte wirken unmittelbar maritim. Das Vorhandensein von Wasser und Hafeninfrastruktur ist wichtig, auch für Dinge, die mit der geographischen Lage wenig zu tun haben: in welcher Haltung man durch Straßen geht, wie man zur Sonne steht, was die Menschen sagen, die man trifft. Es mag der unverstellte Blick in die Weite sein, oder der Wind, der vom Meer durch die Städte weht. Kopenhagen und Hamburg könnten zwei Remixe des gleichen Ausgangsmaterials sein.

Ich habe einige Tage in Kopenhagen verbracht und mich dort sehr wohl gefühlt. Nicht wegen der Nähe zu Hamburg, sondern in erster Linie wegen der großen Klarheit und Ruhe der Stadt und ihrer Bewohner. Sechs Orte, an denen sie besonders spürbar war.

  • Skuespilhuset (Karte)
    Das königliche Schauspielhaus liegt direkt am Hafen, genauer gesagt im Hafen — ein Teil des Gebäudes und seiner umlaufenden Plattform ist auf Pfähle gebaut. Wenn man auf dem fast parkettartigen Holz der Plattform in der Sonne sitzt, hindert nichts den Blick in den Hafen, auf das Opernhaus von Henning Larsen, auf die Stadt, in die Sonne. Ein nutzbarer öffentlicher Raum im besten Sinne.
  • Karriere (Karte)
    Karriere ist eine der schönsten Bars, in denen ich je war. Sie befindet sich in einer der weiß gekachelten, ehemaligen Schlachtereihallen am Flæsketorvet. Darin stehen wenige, für die Bar entworfene Möbel aus Stahl und ein schimmernder Tresen. An Decke und Wänden: Lampen aus der Werkstatt von Olafur Eliasson. Es gibt wenig, das nicht aus Metall oder texturiertem Plastik ist. Dennoch ist Karriere ein warmer Ort. Weil Lichtstimmung und die Musik (~ Microhouse, Dial) die industrielle Einrichtung perfekt kontrastieren, ohne dem Ort die Klarheit zu nehmen. Es gibt saisonale Getränke und großartiges Baressen.
  • Frederiksberg (Karte)
    Frederiksberg besteht aus einigen Straßen und gefühlt fünfzig Parks im Westen von Kopenhagen. Das Viertel ist eine Blaupause skandinavischer Aufgeräumtheit. Doch ein Ort, an dem fantastischer Kaffee die Regel ist, in jeder Straße Kastanien stehen und wo es weder Supermärkte mit hässlichen Schildern noch sonstige Filialen großer Ketten gibt — man hätte ihn gern in der Nähe, um Sonntags Nachmittags darin umhergehen zu können.
  • Louisiana Museum of Modern Art (Karte)
    Es gibt Orte, die sind gut eingerichtet, architektonisch interessant oder liegen in einer angenehmen Klimazone. Und dann gibt es Orte, die sind so schön und frei und groß, dass man ganz still sein möchte. Dass man aufhört, mit dem Gedankenmachen und dem Einordnen. A delightful stillness and amazement that raises the mind to sublimity, schreibt Alain de Botton.1 Das Louisiana Museum of Modern Art in Humlebæk, an der Küste, wo man Schweden sehen kann, ist so ein Ort. Es gibt nicht viele.
  • PARISTEXAS (Karte)
    Selbst zwischen den vielen wunderbaren Kleidungsstücken in Kopenhagen nimmt sich das Sortiment von Paristexas aus. Aber ein mit weißem Holz verkleidetes Ladenlokal, das Stücke von Damir Doma und Kris van Assche verkauft, würde wohl überall auffallen. Mehr Galerie als Geschäft, und wunderschön.

  • Ruby (Karte)
    Schließlich: Ruby, eine Bar, die sich ihre Adresse mit der georgischen Botschaft teilt — und mit einiger Wahrscheinlichkeit auch die Einrichtung. Im Ruby trinkt man die (sehr, sehr gute) Hausvariante des Sour in einem vollständig birkenholzvertäfelten Raum mit Teppichboden und zu einer leisen Platte von Thelonious Monk. Die Definition eines ruhigen Abends im besten Sinne.

Fotos dieser und anderer Orte in Kopenhagen gibt es in meinem København-Set bei Flickr.


  1. Alain de Botton – The Art of Travel, Seite 165. 

Oktober

Dies ist ein Text aus dem Oktober 2010. Verschlagwortet unter: . Kopie aus dem Textdokument 2010.txt, das meine Notizen dieses Jahres enthält, vermischt mit Zitaten, Verweisen, noch zu lesenden und zu sehenden Dingen und den Sedimenten des Alltags.

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