electricgecko

April

Cory Doctorow auf der re:publica zuzuhören war eine Freude. Weil er klug und pointiert die Anliegen einer offenen Netzkultur identifiziert hat. Weil man sich wünschen möchte, jedes Unternehmen und jede sonstige Institution würde juristisch dazu gezwungen, Menschen wie ihm regelmäßig zuzuhören. Die gültige Formulierung seines Anliegens für die europäische, oder zumindest die deutschsprachige Webkultur hat allerdings Peter Glaser bereits am Vortag formuliert. Cory Doctorows großartiger Punchline Everything changes, all the time, forever hat er eine wundervolle prosaische Form gegeben1:

„Manche haben das Gefühl, nicht mithalten zu können mit den Beschleunigungen der digitalen Welt. Aber wir befinden uns in einem Übergang und die Beschleunigung gehört zu den Symptomen dieses Übergangs. Was wir erleben, ähnelt einem flimmernden Bildschirm, der so lange nervt, bis die Bildfrequenz über 72 Hertz steigt. Dann wird das Bild ruhig und klar. Beschleunigt man weiter, wird das Bild nur noch ruhiger und klarer.“

Wir alle sollten Peter Glaser lesen. Nicht, weil es neue Sachverhalte zu begreifen gäbe. Sondern weil wir bessere Formulierungen wie diese brauchen. Zum Erinnern. Und um sie unter Nasen zu halten.


  1. Den vollständigen Text seiner Rede auf der re:publica 09 gibt in seinem Blog bei der Stuttgarter Zeitung. 

März

Sachinformation: Ab Mittwoch werde ich etwas sehr vorhersehbares tun; ich nehme an der re:publica 09 Teil. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit eines zufälligen Zusammentreffens in der Nähe der Veranstaltungsorte Friedrichstadtpalast und Kalscheune rapide an.

Ich bin mir noch nicht ganz sicher, welche Panels ich besuchen möchte – aber ich werde mich sehr wahrscheinlich beim 4chan-Talk, der Hype Machine, beim Mashupthema und selbstverständlich bei Cory Doctorow herumtreiben. Alles andere wird Zufall, Treibenlassen und Durcheinander. Ich freue mich aufs Händeschütteln, Zuhören und Rumlaufen. Schubst mich um, falls ich zwischen morgen Abend und Freitag zufällig wie taub und blind an euch vorbeilaufe!

Berlinerinnen/Berliner! Nach dem großen Mundwässrigmachen folgt das große Gutfinden und Genießen. Es geht um das neue Opak Magazin, das in den letzten Monaten seinem Namen alle Ehre gemacht hat. Und weil gute Zeitschriften wie alles andere auf der Welt eine Release-Party verdient haben, ist es nur angemessen, dass eben diese am Donnerstag in der Bar in der Karl-Marx-Allee 36 stattfindet. Ich werde leider nicht dort sein können – aber ihr, Berlinerinnen/Berliner, ihr solltet. Denn am Opak Magazin sind so viele entschlossene, fähige und schöne Menschen beteiligt, dass beides gut werden muss: Release-Party und Heft. Und: wenn das Editorial Design auch nur ansatzweise mit der Plakatgestaltung zu tun hat, folge ich Lisas Rat.

Feiert! Ich denke an euch.

Opak Release Party

Februar

Das ewige Nachdenken über die Zukunft! Neue Nanowerkstoffe und Lösungen für die Kommunikationsprobleme folgender Generationen denken sich nicht selbstständig aus, und die Miesere mit dem Klima mag auch noch nicht von der To-Do-Liste verschwinden. Um so angenehmer, wenn man sich zumindest nach Feierabend entspannenden Zerfallsgedanken widmen kann. Dystopien bieten eine willkommene Abwechslung. Bereits fertige Dinge kaputtdenken, das geht leicht und funktioniert auch auf der Couch. Bleibt der Geistesblitz aus, darf alles auch mal irgendwie auseinanderfallen.

Die Frage, was mit der Erde passiert, wenn all die Leute nicht mehr vorhanden sind, ist nur die Startoperation. Wölfe im Central Park, erodierende Glasfassaden, löwenbezahnte Autobahnen. Wohin mit all dem Plunder?

Die Tristesse von Morgen schon heute – die Gegend um Tschernobyl macht es vor. Seit der Katastrophe lässt sich in der Umgebung des alten Reaktors beobachten, was mit Infrastruktur und Zivilisationsmaterie passiert, wenn sie keiner mehr bewohnt, aufräumt und gelegentlich neu streicht. Hallenbad, Freizeitpark, Monumente – die Dinge verwandeln sich zurück in Natur. Architektur und Zivilisationsobjekte haben diesem Prozess weitaus weniger entgegen zu setzen, als man annehmen würde. Die Serie Life after People des History Channel geht von einigen tausend Jahren aus; bis dahin sollten die meisten Dinge das leidige Existieren aufgegeben haben. Abgesehen von wirklich monumentalen Strukturen (Pyramiden und ähnliche Größenwahnsinnigkeiten) werden sich wohl Gebäude aus den Chefmaterialien Glas und Stahl halten. Immerhin, na also: ein später Triumph der Moderne. Die Tiere werden die neue Situation übrigens unterschiedlich gut aufnehmen. Doch wir können aufatmen: die Katzen kommen durch.

Das komplette Pripyat-Set von Dazzababes gibt es bei Flickr. Das Thema wurde außerdem ausführlich im rumdherum exzellenten Space Collective behandelt. Dort lässt sich zumindest ein wenig Zeit mustergültig vernichten.

Januar

Liebe Modebloggerinnen! Wir mögen euch. Weil ihr einen spannenden ästhetischen Diskurs führt, der das Thema Kleidung netzadäquat verhandelt und voranbringt. Weil es hübsch anzusehen ist, wie ihr die Füße eindreht und die engen Acnejeans tragt. Wir stehen gern mit euch auf der Vernissage oder anderen halbglamourösen, vollfiktionalen Gelegenheiten zusammen, bei denen andere die teuren Getränke bezahlen.

In unseren 95 79 Prozent Echtleben möchten wir aber lieber auf Mädchenfüße in High Tops, Limited Edition Vans und verschrumsten Lederschuhen schauen. Becks mit euch trinken und uns gemeinsam die eine oder andere gute Kleidungsidee von Lookbook klauen.

Schnürt die Schuhe, schickt Fotos an das großartige Sneakergirlsblog, lehnt euch an Tresen. Oder an uns. Wir lieben euch, Sneakermädels.

Dezember

Man soll ja immer anfangen, wenn’s gerade am schönsten ist. Während andere auf das Jahr zurücksehen, blicke ich kühn nach vorn und schaue, was sich dort zeigt. Bevor das Jahr morgen endet, beginne ich noch schnell etwas neues. electricgecko.de ist zurück. Ich habe mich bemüht, eine Hamburger Form meiner persönlichen Seite zu finden. Eine Form, die zu veränderten Umgebungen passt, zu anderen Tagen und neuen Nächten. Weil ich tatsächlich so albern bin, es ernst zu meinen mit dem Nichtanhaltenwollen und der permanenten Suche nach einem eigenen Ausdruck.

Die letzte, die dritte Version der Seite musste weg, weil sie wie ein schöner Basaltbrocken im Weg nach vorn gelegen hat. 2008 hat sich an ihr vorbeigeschoben, sie uninteressant gemacht. Die neue, die vierte Version wird wieder eine Weile Schritt halten. Ich bin gespannt, was das Jahr und Hamburg und Ihr und ich mit ihr anstellen werden. Die Kommentare sind offen.

Was ich mir bei der neuen Gestaltung gedacht habe, warum man nichts mehr wiederfindet und wie die Form den Inhalt bestimmen wird, habe ich in einem eigenen Eintrag aufgeschrieben.

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