electricgecko

August

Der Reiz der fotografischen Auseinandersetzung mit einem Ort, einem Ereignis, einem Ding ist ihre Direktheit (nicht etwa die Unmittelbarkeit!). Sie ist die Grundlage des iconoclastic Turn und dem, was danach kam. Live-Selbstverortung, Live-Kontextualisierung und der Semiotisierung des Bildes: Ich nehme wahr und beweise damit, dass ich XYZ kenne/besitze/verstehe/zu fühlen in der Lage bin.

Das ist alles prima, und ich wäre ein schlechter Vertreter meiner Arbeit, würde ich nicht daran glauben und teilnehmen. Für meine Reise nach Japan hatte ich das Bedürfnis nach einem weiteren Kanal dieser Art. Allein: es gibt so viele, und sie ähneln sich.

Etwas weniger Direktheit wäre schön. Ein Medium, das ich schlechter kontrollieren kann, das weniger zur Semiotisierung taugt, etwas, das oszilliert. Mit meinem Flug gen Osten beginne ich also einen Kanal namens Calabi-Yau.

Calabi-Yau

Calabi-Yau is a sonic journal. It documents my journey to Japan (at the age of thirty) through a series of field recordings. Each point in spacetime radiates its own complicated topology.

Der letzte Satz ist der entscheidende. Mich interessiert die Zuordnung von Sounds zu Orten1 (darum der Name), und zwar eher solchen der individuellen Psychogeografie als solchen, die mit Gradzahlen und Datumsangaben zu bestimmen sind. Keine Motive, nur Staub und Rauschen.


  1. Eigentlich der Raumzeit, aber das liest sich schlecht. Zum Thema siehe auch dieses

März

Allen Quantifizierungsbestrebungen zum Trotz erscheint mir nach wie vor Musik als das geeignete Medium, um Koordinaten des eigenen Lebens abzustecken. Eine Playlist, ein immer noch so genanntes Tape, ein Set – es sind Markierungen des Hier und Jetzt, im Wortsinn. Sie beschreiben einen Ort und eine Zeit, じくう, Raumzeit. Aus diesem Grund hole ich Rainfall, Revolve gern hervor. Darum notiere ich Tracks, die das Jahr gefüllt haben; zuletzt für 2012 und 2011, natürlich.

Auf Einladung von Freunde von Freunden habe ich einige Musik für die ersten beiden Monate des Jahres 2013 in einem Set verbaut. Es ist die Nummer 51, und sie ist – dank mangelnder Kunstfertigkeit und hinreichend Attitüde – angemessen roh geraten. Es ist eine Folge von Tracks, die dafür gemacht sind, in weiten Räumen gehört zu werden, raumgreifende Musik, sozusagen, auf die eine oder andere Weise. Um ihr meinen eigenen Titel zu geben: Das hier ist Rooms, hier ist der Soundcloud-Link. Enjoy.

Um besonders rohe Formate (YouTube-Videos, Bandcamp-Seiten) niederfrequenter Musik noch ein wenig schneller (sofort) als erinnerungswert zu markieren, habe ich in der vergangenen Woche SCHLUCHT gestartet. Mehr vom gleichen, mehr vom guten.

November

Es gilt der Eintrag vor diesem. Diese Seite musste sich verändern, wiederum. Die vergangene Version von electricgecko war eine Formulierung meines Zustandes, als ich nach Hamburg kam, vor vier Jahren (vier Jahre sind eine lange Zeit). Ich habe einen Job angefangen und bin in eine leere Wohnung gezogen. Ich musste damit zurechtkommen, dass Hamburg nicht Berlin ist, und auch nicht London. Ich wohne immer noch in dieser Stadt und bin froh, dass sie nicht Berlin ist, oder London. Meine Wohnung nach wie vor leer, weil ich das so mag. Davon abgesehen ist wenig wie es vor vier Jahren war. Mein Blick ist ein anderer, ich habe ein Studio gegründet, es gibt andere Musik und neue Schuhe.

Darum weg mit den Serifen, weg mit der Eleganz, dem Papier und der schönen Gestaltung. Statt dessen Raum und Sperrigkeit. Raum für den Blick, Raum für Bilder, Referenzierungen und Samples. Sperrigkeit, um sich zu erinnern: Das gilt alles nur gerade jetzt und hier, sperrig und subjektiv.

Die Struktur ist einigermaßen gleich geblieben, verschiedene Styles für verschiedene Inhalte. Ich unterscheide weiterhin zwischen den Themen Fotografie, Selbstreferenz, Hamburg Leben, Orte, Web und Musik. Eine eigene Seite für Links, weil ich das hübsch anachronistisch finde, keine Kommentare mehr, weil Diskurs ohnehin an anderen Orten stattfindet. Das ist alles. electricgecko, Version fünf. Regular service recommences now.

And while my original form disintegrates, i come to exist as a multiplicity of forms that are not fixed but always redefined by my contiunous engagement with the phenomenas that surround me.

September

Hamburg ist nicht reich an relevanten Publikationen, die sich mit populärer Kultur und sonstigen Geschehnissen der Wochenenden befassen. Darum ist es schade, dass sich die verbliebenen rar machen (looking your way, Boheme sur le Kiez) oder nicht mehr existieren. Um so schöner, dass Sabine und Malte von Affekt keinerlei Ermüdungserscheinungen zeigen, sondern dieser Tage ihren zweiten Geburstag feiern.

Und da Affekt nicht nur redet, sondern auch handelt, feiert es den großen Tag mit uns allen – und zwar am 9. September, in den Räumen des Lokal. Es gibt eine offene Ausstellung Hamburger Künstlerinnen und Künstler, Getränke, Musik und diese wunderbare Stimmung, wenn auf einer Party alles passt. Alles Weitere entnehmt Ihr bitte der Selbstbeschreibung der Ausrichter sowie diesem Reklamefilm und bestätigt anschließend eure Anwesenheit bei diesem Facebook-Event.

Ich werde vor Ort sein und gemeinsam mit dem famosen Lorin Strohm ein Set elektronischer Musik beisteuern. Kommt alle. Es wird wunderbar.

Juli

Es geht schnell, wenn die Entscheidung erst einmal gefallen ist. Darum sind die knapp fünfzig weiß gestrichenen Quadratmeter im Karoviertel kein leerer Raum mehr, sondern ein Studio. Weil Andreas und ich das so nennen, weil wir Tische gebaut und Wände gestrichen haben, weil es jetzt einen Plan gibt, für diesen Raum. Wir durften feststellen, dass die Geschichten der anderen wahr sind – wenn es dein Büro, deine Agentur, dein Laden ist, freust du dich über jedes Regalbrett und das Geräusch der neuen Türklingel.

Long story short – wir freuen uns so sehr, dass wir gern zeigen möchten, was wir gerade tun. Darum veröffentlichen wir ab sofort Fotos aus dem werdenden Studio. Dazu haben wir eine simple Website gestaltet: We Are building a digital design studio.

Es gibt eine Facebook-Seite und einen Twitter-Account. Nicht weil man das so macht, sondern weil wir etwas mitzuteilen haben werden. Weil wir was vorhaben, mit Hamburg.

Und wenn uns jemand fragt, wer wir sind, dann sagen wir: We Are Fellows.

Juni

Never do anything by chance. Never settle.

Es ist ja nicht so, dass man die Antwort bereits ausformuliert hätte, als Textdokument auf der Dropbox oder Draft in WordPress. Sie hängt schließlich sehr am Moment, an der überblickbaren Raumzeit also, die Antwort auf die Frage Wie soll dein Leben sein?

Ich habe keine Antwort, so ganz und für alles; und ich bemitleide Menschen, die sie haben. Dennoch gibt es Settings, die sich plausibel und richtig anfühlen, wenn man sie erklärt oder über sie nachdenkt. Für mich gehört dazu seit etwa zehn Jahren die Vorstellung, eine Tür in urbaner Umgebung aufzuschließen, mein Fahrrad in einen klaren, kargen Raum an die Wand zu lehnen, ein Notebook aufzuklappen – und zu tun, was ich tue: Websites gestalten. Ein eigenes Designstudio, das ist eine Checkbox auf der To-Do-Liste. Ich setze einen Haken.

Im Juli werde ich – gemeinsam mit Andreas ein kleines Studio für digitale Gestaltung eröffnen. Meinen Job in der Agentur habe ich gekündigt.

Wir haben das vergangene halbe Jahr darauf verwendet, uns zu überlegen, was wir wollen, was wir nicht wollen und was wir am besten können. Wir haben uns dafür entschieden, Design als Handwerk zu betrachten. Wir haben uns für Hamburg entschieden, gegen größere Strukturen. Es sind Entscheidungen für und gegen einige Dinge mehr gefallen. Ich bin dankbar für die großartige Hilfe, die wir dabei hatten. Ich bin dankbar für eure Ratschläge, eure Bedenken und all das Vertrauen.

Im Juli werde ich mein Fahrrad an Betonwände lehnen. Ich werde mein Handwerk betreiben, on my own terms, ich werde tun, was mir am meisten bedeutet. Ich werde weiterhin in Hamburg leben. Und wenn das alles gut geht, werde ich mir neue Wünsche für die Zukunft überlegen müssen.

Be your own referenceClaude Draude.

April

Ich sage es oft, und manchmal sage ich es mit Nachdruck – das Allerbeste an unseren fragmentierten Lebensumständen sind die weak ties, die uns immer wieder in Projekten und Vorläufigkeiten zusammenbringen. Das Allerbeste sind das rohe Talent und die Motivation und die Energie – und die Dinge, die wir uns gegenseitig daraus bauen. Eine Gruppe guter Menschen in Hamburg hat Gottlob Lenz erfunden. Und sein Zuhause, das Chez Lenz.

Denn Gottlob Lenz kehrt in seine Heimatstadt zurück, um den Frühling zu feiern – mit Freunden des Hauses. Und das sind in diesem Fall alle. Im Sinne von Ihr alle. Denn das Chez Lenz ist ein Restaurant. Es befindet sich an einem Ort, den es vorher nicht gab, der von den großartigen Personen hinter Here We Go geschaffen wurde. Das Ergebnis ist wunderschön – etwas zwischen Restaurant mit Stern, Galerie, Fertigungshalle, Kontor und Club. Es gibt Kunst aus Gottlobs Leben, gutes Essen, Sonnenuntergänge an der Elbe, Konzerte, Lesungen, DJ-Sets.

Long Story short: das Chez Lenz eröffnet am 28. April mit einer leider bereits ausgebuchten Vernissage, dem ersten Menü sowie interessanter Tischmusik von Martin Leander (Snake’n’Tiger) und mir. Anschließend ist das Restaurant von Donnerstags bis Sonntags geöffnet – RSVP.

Hamburger: das ist für euch, und es ist wundervoll, ich weiß es.

Ich finde es unterhaltsam, Endgültigkeit zu beanspruchen, weil es sich dabei selbstverständlich nur um eine Farce, ein unernstes Maneuver handeln kann. Endgültigkeit bemisst in der Postmoderne genau die Endgültigkeit des aktuellen Moments, des aktuellen Prozesses. All we have is now und dann sollte es wenigstens für immer bleiben. Diesen Zusammenhang kann man auch eleganter ausdrücken.
Le Provisoire, c'est le Definitif – Cover

Dies ist im vergangenen Jahr auf räumliche Weise in Schloss Ringenberg geschehen; in der Ausstellung Le Provisoire, c’est Le Definitif. Hier hat Christoph Platz Arbeiten und Provisorien sehr verschiedener Künstler in Relation gesetzt und zu einer Ausstellung verarbeitet, die für einen Moment lang konsistent war.

Ich hatte – nach meiner Arbeit für Shifting/Positions – wieder die Freude, zur Ausstellungsdokumentation beizutragen. Für Le Provisoire, c’est Le Definitif habe ich einen Katalog gestaltet, der verschiedene Zugänge, Haptiken und Leserichtungen erlaubt. Statt, wie üblich, das definitive Wort zur Auseinandersetzung mit der Kunst zu beanspruchen. Er ist endgültig vorläufig. Das ist alles, worauf wir hoffen dürfen.

Fotos vom Katalog gibt es bei Flickr.

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