electricgecko

Dezember

Mal wieder und immer wieder der letzte Tag eines Jahres. Ich erinnere mich an die Nächte vorm Monitor, den Wind im Gesicht und im Rücken, das Gewitter auf der anderen Seite des Sees. An Haut und Sand, Wien, Paris und Dänemark, einer Entscheidung für Hamburg, an die Nächte in Berlin, an all die Drinks, die Performances und das Zusammenklappen, Win und Fail und immer wieder immer wieder. Songs und Tracks für 2010:

Winter

  • Lykke Li – Dance Dance Dance
  • Ja, Panik – Paris
  • Pantha Du Prince – Lay in a Shimmer
  • Four Tet – She only wants to fight
  • Benjamin Brunn & Move D – Love the one you’re with
  • Jose James – Blackmagic (Joy Orbison’s Recreation)
  • Pantha Du Prince – Stick to my Side
  • Shed – Warped Mind
  • Christian Naujoks – Light over the Ranges

Frühling

  • Autos und Mädchen – All the World loves Lovers
  • Flying Lotus – Do the Astral Plane
  • Delta Funktionen – Deflection
  • Big L– Da Graveyard
  • Coma – Crystal
  • New Order – Dreams never End
  • Foals – After Glow
  • Superpunk – Das Feuerwerk ist vorbei
  • Efdemin – Oh my God

Sommer

  • Matthias Reiling – Just in Time
  • Efdemin – There will be Singing
  • Matthias Meyer – Infinity
  • Souls of Mischief – ’93 till Infinity
  • Lawrence – Happy Sometimes
  • Maxine Nightingale – Right Back where we started from
  • Marek Hemmann – Gemini
  • 1000 Robota – Fahr Weg
  • The Human League – Don’t you want me
  • Foster – Quiet before The Storm (Quarion Remix)

Herbst

  • anbb – Ret Marut Handshake
  • Éloi Brunelle – Oberkampf
  • Shed – The Bot
  • Surphase & Rktic – Tidenhub
  • The Aim Of Design Is To Define Space – It’s a bloody Kippenberger
  • MIT – Nanonotes
  • Pantha du Prince – Water Falls
  • Siouxsie & The Banshees – Hong Kong Garden
  • MIT – Univers

Winter

  • Alex Boman – Purple Drank
  • Lawrence – Dwelling on the Dunes
  • anbb – One
  • Gold Panda – Snow & Taxis
  • Christopher Rau – The Needs
  • Phantom/Ghost – My Secret Europe
  • New Order – Temptation
  • The Human League – I love you too Much (Demo Version)
  • The Soft Moon – Dead Love
  • Phantom/Ghost – The Shadow im Schutt (Pantha du Prince Remix)
  • New Order – Perfect Kiss

Sets

Live

  • Pantha du Prince, Melt! Festival, Gräfenhainichen
  • Four Tet, Melt! Festival, Gräfenhainichen
  • anbb, Kampnagel, Hamburg
  • Kollektiv Turmstraße, Ego, Hamburg

Seit electricgecko.de aus Versehen zu einem Periodikum loser Folge geworden ist, ist der Stream of Consciousness mein Kanal für allerlei Kram. Seit 2007 sample ich dort via Tumblr interessante Formen und Inhalte zu einem Pastiche, das höchstens subjektiv Sinn ergibt. Aber gerade als solches ist es mir sehr ans Herz gewachsen. Weil es eben so schön aussieht, wenn man durch drei Jahre Grafikdesign, Architektur, Mode, Frisuren und Textschnipsel navigiert.

Doch weil die Fragen der Form interessanter sind als solche des Inhalts, habe ich den Stream of Consciousness nach langer Zeit neu gestaltet. Es gibt eine neue Primärfarbe, andere Schriften und ansonsten wenig. Aber das Wenige, das ist immerhin schön und interessant. Doch sehen sie selbst.

soc.electricgecko.de

Eine Aneinanderreihung von Ereignissen ist nur schwer als Zeitraum oder gar konsistente Geschichte zu schreiben, wenn ihr Kontext fehlt. Ihr Kontext, das ist zumeist die Stimmung und ein Gefühl. Das ist das Sonnenlicht auf deinen Armen und die Alben in der Playlist namens Current Rotation auf deinem iPhone.

Dieses Jahr war ein fantastisches Jahr für Musik. So viele exzellente Releases. Was Popmusik und das erstaunlicherweise nach wie vor existierende Albumformat betrifft, sind es zuallererst diese fünf Veröffentlichungen, die meine Ereignisse zu Geschichten gemacht haben. Die fünf wichtigsten Platten, zweitausendzehn.

  • anbb – Mimikry
    Dass das erste Album in der Kollaboration zwischen Blixa Bargeld und Alva Noto so wichtig war, hat mit einem der eindrucksvollen, eigenartigen Konzerte des Jahres zu tun. Und mit brachialer Zerbrechlichkeit, Statik und formaler Konsequenz. Diese Platte in der Nacht, zum Ende hin, wie gesagt.
  • The Soft Moon – The Soft Moon
    Wie Quad Throw Salchow im vergangenen Jahr hätte The Soft Moon keinen besseren Zeitpunkt für sein Debutalbum wählen können – eine Winterplatte durch und durch: Düster, kalt, treibend. Allem voran Dead Love, einer der besten Wave/Gitarrensongs des Jahres. So hätten The XX klingen können, wenn sie nicht so unbeschreiblich langweilig wären. Mehr Coolness, bitte.
  • Efdemin – Chicago
    Chicago, eine ganz andere Sache. Auf seinem dritten Album entwickelt Efdemin einen organischen Zugang zu House, zu freier elektronischer Musik. Chicago ist eine Jazzplatte, ein Pop-Album und die Musik des beginnenden Sommers – und dazu hätte allein Oh my God ausgereicht. Es ist außerdem das wohl am schönsten gestaltete Album des Jahres.
  • Mit – Nanonotes
    Nun zu den Besten. Ich hätte nicht damit gerechnet, dass Mit zwei Jahre nach Coda ein Album veröffentlichen, dass alle früheren Releases in Eigenständigkeit, Klugheit und Ästhetik bei weitem übertrifft. Und dabei waren Mit bereits brillant, ungestüm und schlau. Nanonotes ist einen Schritt weiter, textlich wie musikalisch stripped, auf den Punkt, universell. Wohl die meistgehörte Platte 2010 und die beste Popmusik der letzten Jahre. Alles weitere in Extensio hier.
  • Pantha du Prince – Black Noise
    Das erste und das letzte Album. Das kälteste und das wärmste Album des Jahres. Ein Schimmern, ein Glänzen, gefrorene Felder, Schutt und Eis, abstrahierte Natur, Elektroakustik. Die Kapuze, das Wehen, ein schöner Künstler. Es wird nie eine Platte geben, die besser zur zutiefst artifiziellen und zugleich naturnahen Beobachtungssituation passt, die entsteht, wenn man durch ein Flugzeugfenster auf die ewig vereiste Welt blickt. Mein Jahr in Nuce, Black Noise, ein großes Kunstwerk.

Weiterhin erwähnenswert, in keiner besonderen Reihenfolge: Gold Panda – Lucky Shiner, Various – Dial 2010, Shed – The Traveller, Lawrence – This Night Will Last Forever, Tocotronic – Schall und Wahn, Coma – Crystal EP, Flying Lotus – Cosmogramma, The Human League – Dare!, Foals – Total Life Forever, Four Tet – There is Love in You, Superpunk – Die Seele des Menschen unter Superpunk, Christopher Rau – Asper Clouds

Seit einigen Monaten schreibe ich als Sidekick von Kacper (of Stijlroyal Fame) regelmäßig über gute Kleidung, erfreuliche Möbel und verwandte Stilfragen im programmatischen Journal The Modern Gentleman. Zum Ende des Jahres — doch nicht nur dafür — haben wir uns etwas Schönes ausgedacht. Ab sofort finden die Leserinnen und Leser unserer Publikation neben unserer regelmäßigen Auseinandersetzung mit Fragen des Auftretens, Wohnens und Benehmens auch eine ansehnliche Sammlung dazu geeigneter Kleidung und Accessoires. Eine Augenweide und etwas für die seltenen Tage, an denen alle anderen Modeblogs und Onlineshops allzu langweilig erscheinen.

themoderngentleman.de/lookbook

Nicht weniges wird erst interessant, wenn man es aus verschiedenen Perspektiven betrachtet. Es ist nicht so, dass dieser Winter das unbedingt nötig hätte, nein, er ist auch für sich genommen hinreichend vielschichtig und angenehm. Ich komme dennoch nicht umhin, ihn gefiltert wahrzunehmen — und zwar durch zwei Platten, die in den letzten Monaten erschienen sind.

Bei der ersten Platte handelt es sich um ein Werk, das sich geradezu aufdrängt: Mimikry, das erste Album der Kollaboration zwischen Blixa Bargeld und Carsten Nicolai, alias Alva Noto. Die Verbindung solch brachialer Stimmqualität mit Alva Notos nicht weniger brachialem Glitchfunk geht exakt so gut auf, wie man sich das vorstellt. Ihr gemeinsames Album variiert zwischen feinsten Kristallstrukturen und elektronischer Dekonstruktion, dem monumentalen Berghain und dem feinen One, einem der Songs des Jahres. anbb sind U und E zugleich. Anders als in seiner Arbeit mit Ryuichi Sakamoto beschränkt sich Alva Noto dabei nicht auf die Rolle des Intervenierenden, Remixenden. Vielmehr erinnert die Arbeitsteilung bei anbb an die eines klassischen HipHop-Outfits: Alva Noto macht die Beats, Blixa Bargeld ist der MC. Eine Platte, harsch wie der Winter, sanft wie frischer Schnee.

Lucky Shiner, das Full-Length-Debut von Gold Panda schlägt eine vollständig andere Perspektive auf den Winter vor. Derwin Panda (er heißt tatsächlich so) sampled, cuttet und looped ebenso kunstvoll wie Flying Lotus das für Warp tut. Doch Gold Panda veröffentlicht bei Ghostly — und interessiert sich folgerichtig für warme Synths und Stimme statt für Beat und Jazzsnare. Tracks wie You oder Snow and Taxis leben von der Wiederholung, doch sie stagnieren nicht. Sie streben nach oben, mit jeder Iteration schimmern ihre Schönheit und Wärme stärker. Darum ist Lucky Shiner treffend betitelt. Darum ist Lucky Shiner ein Album fürs Drinnensein, für die Wärme im Winter.

Ich werde das Haus nicht mehr ohne diese Alben verlassen, bis das Jahr endet.

  • anbb — Mimikry, LP/MP3/CD, Raster-Noton.
    Gold Panda — Lucky Shiner, LP/MP3/CD, Ghostly
dunkel hell

schnell langsam langsam schnell / hell dunkel dunkel hell