Same Dream China Once Again
Nicht weniges wird erst interessant, wenn man es aus verschiedenen Perspektiven betrachtet. Es ist nicht so, dass dieser Winter das unbedingt nötig hätte, nein, er ist auch für sich genommen hinreichend vielschichtig und angenehm. Ich komme dennoch nicht umhin, ihn gefiltert wahrzunehmen — und zwar durch zwei Platten, die in den letzten Monaten erschienen sind.
Bei der ersten Platte handelt es sich um ein Werk, das sich geradezu aufdrängt: Mimikry, das erste Album der Kollaboration zwischen Blixa Bargeld und Carsten Nicolai, alias Alva Noto. Die Verbindung solch brachialer Stimmqualität mit Alva Notos nicht weniger brachialem Glitchfunk geht exakt so gut auf, wie man sich das vorstellt. Ihr gemeinsames Album variiert zwischen feinsten Kristallstrukturen und elektronischer Dekonstruktion, dem monumentalen Berghain und dem feinen One, einem der Songs des Jahres. anbb sind U und E zugleich. Anders als in seiner Arbeit mit Ryuichi Sakamoto beschränkt sich Alva Noto dabei nicht auf die Rolle des Intervenierenden, Remixenden. Vielmehr erinnert die Arbeitsteilung bei anbb an die eines klassischen HipHop-Outfits: Alva Noto macht die Beats, Blixa Bargeld ist der MC. Eine Platte, harsch wie der Winter, sanft wie frischer Schnee.
Lucky Shiner, das Full-Length-Debut von Gold Panda schlägt eine vollständig andere Perspektive auf den Winter vor. Derwin Panda (er heißt tatsächlich so) sampled, cuttet und looped ebenso kunstvoll wie Flying Lotus das für Warp tut. Doch Gold Panda veröffentlicht bei Ghostly — und interessiert sich folgerichtig für warme Synths und Stimme statt für Beat und Jazzsnare. Tracks wie You oder Snow and Taxis leben von der Wiederholung, doch sie stagnieren nicht. Sie streben nach oben, mit jeder Iteration schimmern ihre Schönheit und Wärme stärker. Darum ist Lucky Shiner treffend betitelt. Darum ist Lucky Shiner ein Album fürs Drinnensein, für die Wärme im Winter.
Ich werde das Haus nicht mehr ohne diese Alben verlassen, bis das Jahr endet.