This kind of light makes decisions easier, more black and white. Good versus bad, pure versus impure, aspiration versus collapse. Determined grim optimism versus self indulgent despair, wiping out any flaw or imperfection, hallucinating yourself into who you wanna be.
August
Juli
Dieses ist das Jahr in dem ich nach Japan reisen werde. Ich werde dreißig Jahre alt sein, wenn mein Flugzeug in Tokio landet, ich werde einen missglückten Versuch hinter mir haben, diese Reise anzutreten1. Ich bin kein sentimentaler Mensch und glaube nicht an Bestimmungen, Schicksal und ähnliche Kausalvereinfachungen. Aber ich habe mich hinreichend mit den Orten und Zeiten des Landes auseinandergesetzt und bin überzeugt, dass Japan bedeutsam und transformierend sein wird, un Rite de Passage.
Ich werde einige Tage in Tōkyō verbringen, mich in Daikanyama, Ginza und Harajuku verlieren. Dann werde ich einen Shinkansen nach Kyōto und weiter nach Ōsaka nehmen, um schließlich mit einer langsamen Bahn und einer Fähre einen Kai in Naoshima zu erreichen. Abgesehen von Tōkyō weiß ich keinen Ort auf der Welt, den ich dringender besuchen möchte.
Es fällt mir schwer, das Endes des Monats August abzuwarten. Ich kann es nicht erwarten, meinen Blick auf diese Orte und Konstellationen zu richten, meine Ausgabe von Yukio Mishima’s Kinkaku-ji an seinem Schauplatz zu lesen. Mirror-world, here I come.
2011 erfuhr ich in New York vom Reaktorunfall in Fukushima und stornierte alle Buchungen für Flüge, Hotels und Züge im Fenster meines Hotelzimmers in Manhattan stehend. ↩
Juni
Ein Text über die letzten beiden Releases auf Modern Love. Es mag das Alter sein, nachlassende Rezeptionsfähigkeit oder beginnende Ignoranz. Ich bin nicht mehr länger nur unwillens, sondern nicht in der Lage, mich mit der Musik auseinanderzusetzen, die größte Aufmerksamkeit und wirtschaftlichen Erfolg genießt. Sie ist mir zu hart, ihre Agressivität und Produziertheit überfordern mich. Sie verlangen strukturell wie inhaltlich nach spezifischen Reaktionen. Klanggestaltung und Performance dienen als Cues für den Abruf dieser – in spezifischer Abfolge und Wiederholung. Diese inhaltliche Rigidität und Härte macht mich fertig, innerhalb weniger Sekunden.
Dagegen: Musik, die sich auf den Raum bezieht. Nicht im im Sinne einer Zuordnung, sondern im Sinne eines Entwurfs. Plutocracy, die zweite B-Seite des neuesten Miles-Releases, ist ein solcher Track. Er markiert seine eigene Ausdehnung in der Welt auf klare, eindrückliche Art, er beschreibt den Rahmen seiner eigenen Performance. Plutocracy ist vermutlich das, was gemeinhin als harte Musik aufgefasst wird, doch alle Rigidität und Härte liegen im Sound, sie sind notwendig zur präzisen Vermessung der Oberfläche. Im Inneren ist Raum für Ambiquität, Deutungsoffenheit. Von Musik wie dieser geht große Ruhe aus, ihre Brachialität und Langsamkeit lässt Luftholen zu, und Ablehnung und Überlegtheit.
Dagegen: Musik, die sich auf Momentum bezieht. Dyslogy, ein Track, der Demdike Stare eindeutiger auf den Floor orientiert als sämtliche Releases zuvor. Dyslogy ist ein immersives Erlebnis – gebaut aus perkussiven Spuren, verwoben und geschichtet auf einem Jungle-Gerüst, allein das Wort schon. Wäre der Sound der Toms nicht so haargenau richtig und würden sie nicht erst bei 4:01 einsetzen – es wäre alles vergebens. Auch dieser Track wäre ohne seine Konzentriertheit und Rigidität weniger bedeutsam. Er schafft ein Momentum, physischen Vortrieb für jede Assoziation und jede Frage. Auch dieser Track fordert keine Reaktion zu keinem Zeitpunkt.
- Demdike Stare – Testpressing 003. 12″, Modern Love. Juni 2013.
- Miles – Unsecured. EP, Modern Love. Juni 2013.

Mit eurem ständigen Gewäsch
Mai
Porto war kein Ziel mit Absicht. Porto ist mir passiert, sozusagen, der Arbeit wegen. Das passte ganz gut, denn Porto ist eine arbeitende Stadt in einer arbeitenden Region. Dass sie wunderschön sind (Stadt und Region), und zwar auf eine Weise, die ich verstehen und ertragen kann, habe ich erst dort gelernt. Porto ist die interessante Stadt des Landes. Es geht große Anziehung aus, von seiner hügeligen Kolonialhaftigkeit (Farben: weiß/weiß/grün/blau), durchtrennt und zusammengefügt mit exzellenter öffentlicher und kommerzieller Architektur (grau/weiß). Es gibt einen spezifischen Anspruch an die Gestaltung des Raumes, der Porto schön und gebrauchbar macht. Porto erscheint an vielen Stellen auf so schöne Art und Weise gebaut, dass man die Art wie die Stadt mit seinen Hügeln, dem Fluss und dem Meer verfließt übersehen könnte, um ein Haar. Ich blieb für zehn Tage in einem wunderschönen Appartment und in einem Hotel für ein langes Wochenende im April, and I’ve grown strangely fond of this place.
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Champanheria da Baixa
(Karte)
Portugiesisches Essen – solange es nicht aus frisch gefangenem Fisch besteht – ist keine unproblematische Sache. Glücklicherweise gibt es in Porto exzellente Plätze mit exzellenten Speisekarten. Die Champanheria da Baixa ist ein solcher Platz. Es gibt sehr gute kleine und noch bessere große Gerichte. Man sollte entweder auf dem schönen kleinen Platz draußen oder im hinteren Teil der Bar innen sitzen. Was noch? Das Brot ist fantastisch und die Getränkefrage klärt sich von selbst.
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Piscina des Marés
(Karte)
Dies ist ein Eintrag auf meiner nicht existierenden Liste Der Schönsten Orte Der Welt. Das Piscina des Marés ist ein Schwimmbad im Meer, gelegen zwischen den scharfkantigen Felsen von Matoshinhos. Alvaro Siza setzte in den 1960er Jahren dem unwirtlichen Strand eine brutalistische Architektur entgegen, die ihn gebrauchbar macht. Das Schwimmbecken ist mit Meerwasser gefüllt und endet an der organischen Felsenbegrenzung – in einer harten Zusammenfügung von Architektur und Natur mit dramatischem Ausblick über den atlantischen Ozean. Das Beste am Piscina des Marés sind allerdings die Umkleidekabinen. Roher, unverputzter Beton, schwarzes Holz und plötzliche Kühle, niedrige Decken – eine Rite du Passage, die den Blick freigibt auf Beige, Sandstein und Azurblau. Es ist fabelhaft.
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Fundação Serralves
(Karte)
Die zeitgenössischen Museen europäischer Städte zu besuchen ist natürlich immer eine gute Idee. In Porto funktioniert sie ganz ausgezeichnet, denn die Fundação Serralves ist exzellent kuratiert (subjektiv anekdotisch: besser als das MACBA) und in einem auf unterhaltsame Weise disproportionalen White Cube von José Marques da Silva aufgehoben. Es empfiehlt sich ein ausgedehnter Spaziergang durch den wunderschönen Park und eine Tasse Kaffee samt Kakao/Chili-Cashews im Teehaus am alten Tennisplatz. Die alte Villa Serralves ist auch unbedingt einen Besuch wert – denn sie ist sowohl kubistisch, altrosa als auch vollkommen leer.
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Por Vocação
(Karte)
Por Vocação ist – vielleicht neben Wrong Weather der einzige relevante Shop für Herrenmode in Porto – und ein äußerst angenehmer Ort, um eine oder zwei Stunden zu verbringen. Vielleicht wegen der perfekten Lichtstimmung, aber ganz sicher wegen des unglaublich freundlichen Personals. Auch wenn die Range der vertretenen Labels nicht so ganz meinem Geschmack entspricht, ist die Auswahl aus den jeweiligen Kollektionen immer exzellent. Ich verdanke dem guten Geschmack der Betreiber einen perfekten Nylon-Blazer von Raf Simons, ohne den ich den Hamburger Herbstregen bedeutend zerknitterter überstanden hätte.
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Casinha
(Karte)
Casinha ist so einfach wie sein Name. Ein Café direkt an der überaus anstrengenden Avenida da Boavista (und schräg gegenüber vom Por Vocação), das guten Kaffee, gutes Mittagessen und das beste Eis der Stadt verkauft. Der Grund, die Cashinha zu besuchen, liegt allerdings auf der anderen Seite des Cafés: ein stiller, mit Holzboden belegter Innenhof, in dem nichts von den Touristen vor der Casa di Musica und nichts von der großen Straße zu spüren ist.
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Casa d’Oro
(Karte)
Schließlich: Ein Restaurant an einem der besten denkbaren Orte für ein Restaurant – in einer Box aus Glas und Beton auf halber Höhe über dem Duoro, neben der wunderbaren Silhouette der Ponte da Arrábida. Deren Architekt, Edgar Cardoso, überwachte den Bau der Brücke aus einem eigens (von seinem Sohn) entworfenen Büropavillon – besagter Box, die nun die zwei Restaurants der Casa d’Oro beinhaltet. Zu empfehlen ist in jedem Fall das Pizza- und Pasta-lastige Restaurant auf dem Dach (und dessen ausgezeichnete Aperitiv-Karte). Das Restaurant in der unteren Etage ist leider schlechter und teurer – das ist vor allem schade um den Blick über den Duoro durch die deckenhohen Fenster.
April
Do something unique only you and nobody else in the world can do. Don’t call it art.
März
Der Winter hat sich festgebissen, in diesem Jahr. Einige Lagen dicht gesponnene Wolle bleiben zwischen mir und der äußeren Welt. Der Wärme wegen, sicherlich, aber auch, um innen Raum für ein anständiges Whiteout und bessere Kälte zu schaffen, die der Halbjahreszeit gerecht wird. Einen Ort, der nicht treffender zu benennen ist als mit The Pentaki Slopes. Die asymmetrischen Steilhänge des Pentaki. Aufstieg/Abstieg.
Ich bin Kangding Ray – der 2011 bei raster-noton eines der besten Alben des Jahres veröffentlichte – dankbar, für diesen Titel und die Platte (ebenfalls: raster-noton), die ihn trägt. Weil sie in drei Tracks das Gefühl auf den Punkt bringt, auf Reisen zu sein, in lebensfeindlicher Umgebung. Sie beschreiben den Aufstieg, die gespannte Stille des Plateaus, den Abstieg.
Considered as the ultimate goal by both psychedelic gurus and database optimization corporations, and as an ideal retirement destination for a couple of lost souls in search for coherence and objectivity, the source diffuses endless loops of haunted voices, apparently sampled from a discarded call center, running low on power, encouraging listeners to shorten cycles, deliver requests and improve user experience.
Die drei Zustände sind hypnotisch und atmosphärisch hochverdichtet. Sie strahlen Kälte, Anspannung und immanente Wärme aus, ununterscheidbar und zeitgleich, wie die ersten Momente einer Verbrennung oder Erfrierung. Tracks gemacht für Zugfahrten durch gefrorene Felder, straighter und unverstellter als der große Teil der Kangding-Ray-Releases. Grimmig, wärmend, wütend schritt ich voran.
- Kangding Ray – The Pentaki Slopes. raster-noton. 10. Dezember 2012.
Allen Quantifizierungsbestrebungen zum Trotz erscheint mir nach wie vor Musik als das geeignete Medium, um Koordinaten des eigenen Lebens abzustecken. Eine Playlist, ein immer noch so genanntes Tape, ein Set – es sind Markierungen des Hier und Jetzt, im Wortsinn. Sie beschreiben einen Ort und eine Zeit, じくう, Raumzeit. Aus diesem Grund hole ich Rainfall, Revolve gern hervor. Darum notiere ich Tracks, die das Jahr gefüllt haben; zuletzt für 2012 und 2011, natürlich.
Auf Einladung von Freunde von Freunden habe ich einige Musik für die ersten beiden Monate des Jahres 2013 in einem Set verbaut. Es ist die Nummer 51, und sie ist – dank mangelnder Kunstfertigkeit und hinreichend Attitüde – angemessen roh geraten. Es ist eine Folge von Tracks, die dafür gemacht sind, in weiten Räumen gehört zu werden, raumgreifende Musik, sozusagen, auf die eine oder andere Weise. Um ihr meinen eigenen Titel zu geben: Das hier ist Rooms, hier ist der Soundcloud-Link. Enjoy.
Um besonders rohe Formate (YouTube-Videos, Bandcamp-Seiten) niederfrequenter Musik noch ein wenig schneller (sofort) als erinnerungswert zu markieren, habe ich in der vergangenen Woche SCHLUCHT gestartet. Mehr vom gleichen, mehr vom guten.