
September

August
Everybody and everything at Schumann’s Tagesbar appears to make an effort to contribute to a specific script, emulating mid-century day-drinking and one of the later iterations of the Leisure Suit Larry series of computer games at the same time.
Regulars line the bar on stools upholstered in oxblood leather, having crémants and trying to coax nightlife credibility out of the well-informed and strategically tattooed bar staff. The latter communicates like a disciplined sports team – orders are shouted across the room in shorthand language, matching requested drinks with staff members closest to the required appliance or bottle.
There is a short moment of silence, slightly moving air and long gazes. A party of three enters, surveying the establishment, a shaggy dog in tow. A short tour of the sparsely populated interior seems to end inconclusively and unsatisfactory: „There is no place for us here“, one declares as the group exits stage left.
The same moment, two women in sand-colored robes enter, their faces veiled. Nonetheless, they are recognized and treated to the usual: two slices of apple pie and two iced chocolates.
Underneath it all, faint bossa and tropicana muzak is heard and immediately forgotten, evaporating over ruby-colored drinks and a dazzle of miniature canapés, all traces of crust surgically removed from soft toast slices. Time slows in the most pleasant way.
- Schumann’s Tagesbar, Munich.
Juli
Are.na ist ein faszinierendes Stück Technik, ein Werkzeug für die Bearbeitung von Gegenwart. Es ist gleichermaßen individuelle wie soziale Plattform. Es stellt Funktionen und Strukturen zur Verfügung, die das permanente I/O des Lebens mit dem Netz organisieren.
Die technischen Möglichkeiten (~ Features1) sind dabei weniger entscheidend als die Tatsache, dass die Art ihrer Nutzung nur vage definiert ist. Das ist selten: Hier ist eine Software, die ihre eigene Verwendung zur Disposition stellt, die eine Reihe lose verknüpfte Schnittstellen anbietet, statt einen vorgefertigten Workflow vorzugeben. Are.na trifft wenige Aussagen darüber, wie es verwendet werden möchte.
Statt dessen verlangt es nach Aktivität, nach neuen Systemen des Kontextualisierens, nach dem Bau sinnvoller Strukturen, alleine oder mit anderen. Trotz einiger scheinbar paralleler Funktionen ist Are.na das Gegenteil von Plattformen, die auf das verstandlose Anschauen und Sammeln von Inspiration ausgelegt sind. Die Vielfalt der Nutzungsweisen und das improvisatorische, additive Prinzip (all this and …) lösen das Versprechen der Selbstbeschreibung ein: A visual platform that helps you think.
Es ist aus drei Gründen wahr:
01
Das Interface. Are.na sieht aus und fühlt sich an wie ein Werkzeug. Wie etwas, das für robuste Benutzung entworfen wurde: ohne Kosmetik, effizient, klar und konstruktiv. Es ist das grafische Äquivalent einer Kommandozeile. Damit hebt es sich von den allzu magischen Oberflächen jener Anwendungen ab, die weniger ihren Nutzerinnen als ihren Besitzern dienen.
02
Are.na ist ein Publikationsmedium. Output ist auf viele verschiedene Weisen möglich – etwa durch Storytelling in Fragmenten und durch das Verbinden disparater User und Kanäle. Diesen Formaten ist gemein, dass sie nicht vollständig durch ihre Urheberinnen kontrollierbar sind, sondern Raum für Assoziation und Anknüpfung lassen. Es ist überaus spannend, herauszufinden, ob ein bestimmter Kanal ästhetisch und inhaltlich funktioniert oder nicht.
03
Die Userbase. Are.na profitiert von bemerkenswert interessanten, progressiven und weitsichtigen Nutzerinnen und Nutzern. Es befindet sich weiterhin in dem Stadium, in dem die öffentliche Explore-Sektion sinnvoll verwendbar ist2. Es ist unsicher, wie lange das so bleibt. Mit etwas Glück trägt der deppenunfreundliche Look (siehe 01) und die Haltung der Gründer dazu bei, dass es noch eine Weile so bleibt.
Es ist lange her, dass eine Plattform mir neue Perspektiven für das Leben mit dem Web gegeben hat. Ich habe mich an der Investitionskampagne beteiligt. Ich bin sehr froh darüber, dass ich für ein gutes Werkzeug bezahlen darf.
Are.na ist eine Erinnerung an das Netz, das wir verloren haben. Ein Werkzeug ohne festgelegte Funktion, ein Framework, in dem Inhalte und Formate erfunden werden können. In dieser Hinsicht ist es ein Schritt in die wünschenswerte Zukunft, und zugleich ein Rückgriff auf das freie, unprofessionelle und poetische Netz, in dem ich meine Jugend verbracht habe.
The more proprietary, predatory, and puerile a place the web becomes, the more committed I am to using it in poetic and intransigent ways.
(J.R. Carpenter, Slow Media)
Alles gesagt. Nun: Kanäle, in deren Inventar ich mich gern aufhalte, aus denen ich großen Gewinn, Material und Perspektiven ziehe. T.B.C.
- Gardens and Deeptime
- Worlds
- Rohbau
- Seneca
- ШРИФТ
- Survivalist Fashion
- Fresh Hours Content
- Kyosho Jutaku
- How do you use the internet mindfully?
- Minimalist Typography
Meine eigenen Kanäle unterhalte ich mit wechselndem Aktivitätsgrad. Einige scheinen Publikationen sein zu wollen, andere bleiben Anhäufungen von Material zur späteren Verwendung durch mich und andere:
- Parsing L.A.
- Post-Masculine Clothing
- Web Design as Architecture (Der Anfang eines Versuchs, meinem Bedürfnis nach einer anderen Perspektive auf digitale Gestaltung Ausdruck zu verleihen.)
- + Archives (Archive, mit Uli Schöberl)
- W.W.W. (Gute Websites)
- low-content.jpg (Fotos mit geringer Informationstiefe)
- Schlucht (niederfrequente Musik)
Juni
(Noch ein Text über Shed, zum Re-release von Well Done My Son, veröffentlicht eigentlich irgendjemand sonst noch Musik?)
Shed ist zwei Personen – ein Produzent von Techno-Alben, die von ihrer Spationierung leben, deren große Momente in der Leere und im Rauschen des Delay-Filters arrangiert sind. So sorgsam und kontrolliert produziert, dass sie bereits zum Zeitpunkt ihres Erscheinens zeitlos sind.
Die andere Person ist WAX-Shed, Dub-Shed, Banger-Shed, Funktions-Shed – der Typ, der nach zwanzig Jahren immer noch Whities für die Floors raushaut. Komprimierter Techno, der stets und spürbar im Raum stattfindet (auch hier ist Dub die Basis1). Es sind die einfachsten Progressions aus zwei Akkorden, die kompakteste Snare und kurz vor 130 BPM.
In beiden Varienten des Shed-Outputs geht es um Zeit: ihre Manipulation, Verdichtung, Auflösung und Wiederverwertung: Ein Spektrum zwischen dem ganz und gar Dasein im hochverdichteten Moment und dem endlosen Leben mit seinen auseinanderliegenden Momenten, Verbunden durch Musik. 12 Jahre nach seinem ursprünglichen Release ist Well Done My Son auch in diesem Sommer wieder ein Punkt auf dieser Achse.
Ich wollte nur sagen: Well Done ist ein Banger für den Sommer, ein komprimiertes Brett, komprimierte Zeit, jetzt und hier keine weiteren Gedanken, der Track ist so gut.
- Shed – Well Done My Son, 12″. Soloaction Records, 2006.
Wie zuletzt zu hören auf No Repress But Warehouse Find. ↩
Das Raunen der Stadt am Kanal. No sightlines, all sound, Wärme wie spät übergezogene Baumwolle in der Sommernacht, so ungewohnt auf den Armen. Alles Samt/Wildenbruchstrasse.
(May 29-30th, 2017)
Auseinandersetzung mit Kunst ist Unterscheidungsfindung, die Suche nach einer Perspektive, das Begutachten von neuem Material auf Brauchbarkeit für kognitive, emotionale, ästhetische Baustellen. Es ist schön und befriedigend, wenn die Kognition einrastet, wenn sich Verständnis einstellt, die Entcheidung fällt, wie da von nun an etwas zu betrachten ist: Suddenly hooked on that new Shed EP.
Im Fall der einigermaßen sperrig betitelten Not a Repress but Warehouse Find hat es eine Weile gedauert, um zu verstehen, wo das alles hingehört. Vermutlich brauchte es überhitzten Berliner Asphalt und ein leicht dehydriertes Gehirn, um dieser kunstvollen Anordnung von Ravebrutalismen folgen zu können. Lumber Fix TT ist ein Stück Architektur, so präzise, dass man die schamlose Peaktimehook erstmal überhört – und von den ersten zwei Minuten Acid Drift bleiben wenige Erinnerungen übrig, nachdem eine brachiale 808 endlich Bodenhaftung erzeugt. Dann zwei Shedding-The-Past-mäßige Interludes, zu denen man über den Kanal oder in den Himmel blickt. Die beiden letzten Tracks (Entschuldigung, ich muss, die Namen sind so schön: Sp ToolVltk3 und 130 Go Sweep) könnten um ein Haar das neue Wax-Release sein, wären sie nicht so kompakt und kontrolliert und nicht so mittelbar fantastisch.
Such a nice piece of sonic brutalism, so verfasert kohärent und so intens, dass es sehr gut zu diesem Sommer passt.
- Shed – No Repress But Warehouse Find, EP. The Final Experiment, 2018.
Mai

Alva Noto war schon immer das Alter Ego für die Hits, für den affirmationsorientierten Output des Projekts Carsten Nicolai. Dieser Musik geht es um die Beschreibung physikalischer Räume – dem Herausarbeiten der arkanen Konfigurationen, die in ihrer Metaphysik etwas fühlbares hinterlassen. Insofern ist die Uni-Trilogie (Unitxt – Univrs – Unieqav) natürlich Popmusik, so berechnend wie effektiv.
Diese Präzision bleibt dabei unverschleiert, das Gefühl in einem antiauthentisch herauspräpariert und hochgradig empfindbar gemacht. Dies gilt für den dritten und letzten Teil der Serie in besonderem Maße: Unieqav reißt noch einmal alles ab, was die Stätten des Kunst- und Lebensbetriebs in den Städten hergeben. Printworks London, Margiela GATs, Karl-Marx-Stadt, Doppelhelix auf eins und vier. Heimweg zu Uni Blue, dem aufgerauten Hit der LP, ein Track wie gewaschener Kaschmir.
Ich erinnere eine der frühen Aufführungen dieser Platte in einem dunklen Theater in Barcelona, der Welt fern und nah dem kollektiven Inneren. Pop: Das Gefühl eindringlich vorhanden und aufgelöst zu sein. Gemeinschaft, oder zumindest Gefährtenschaft, erzählt auf eine Weise, die ich verstehen kann.
- Alva Noto – Unieqav, LP. Noton, 2018.
April
Manche Gedankenformen habe ich so häufig vorfolgt, dass sie zu Bedingungen meiner Wahrnehmung der Welt geworden sind. Ich arbeite mich an Themen ab, und so wenig sie mit der elusiven Natur von Realität1 zu tun haben, so instrumentell sind sie für die Herstellung von Wahrheit als subjektive, kontingente Folgerichtigkeit. Inhaltlich letztlich bedeutungslos, aber Pfeiler eines funktionierenden Frameworks um klarzukommen.
Eines dieser Themen ist die Hochverdichtung eines Gedankens bis zu dem Punkt, an dem nicht mehr unterscheidbar ist, ob er sehr klug oder sehr dumm ist. Werden diese Pole äquivalent, sind andere Kriterien interessant und notwendig: Intensität. Effizienz. Case in Point: Das unbetitelte Release einer ebenfalls unbenannten Produzentin des nuller-Jahre-Labels Pom Pom bei Ostgut. Diese EP ist pure Form, ein Bekenntnis zum Geradeaus und zur Intensität. Musik wie diese scheint mir nach wie vor die einzige Chance, meinen Drang zur permanenten Unterscheidung für eine kurze Weile auszusetzen. Vielleicht geht es auch in erster Linie um Commitment: Commitment zu genau einer Idee, so einfach, richtig und begrenzt sie auch sein mag.
Dieser Text erscheint mir weniger zielführend als der Waschzettel des Labels zu diesem Release: Black strikes back. Pom Pom. Bumm Bumm. Ja Ja.
Vollkommen richtig.
- Pom Pom – Untitled, EP. Ostgut Ton, 2018.
Dieser Begriff verlangt stets nach Anführungszeichen oder – zumindest – Kursiven: I always perceived radical constructivism as a survival tactic. ↩
Eine herausragende Mahlzeit im ernst in Berlin, deren Qualität und Bedeutung weniger mit der kunstvollen Zubereitung von Essen und mehr mit den beteiligten Personen, Produkten und Überzeugungen zu tun hat. Die klare Schönheit der Kompromisslosigkeit, noted for later reference.
- Fresh cheese in pea sauce
- Pea tart
- Roasted topinambur skins
- Wild salad with vinegar jelly
- Brioche with goat’s butter
- Last year’s forgotten spring onions with miso mayonnaise
- 茶碗蒸 with ponzu dressing
- 2018’s first spinach leaves with paste of sunflower seeds
- Inner artichoke leaves, roasted
- Goats cheese with smoked sunflower oil
- Artichoke heart, grilled with chervil
- Leek, grilled and filled with paste of sunflower seed shells
- Mangalica charcuterie
- Chicorée with cream
- Trout sashimi
- Steamed onions with buffalo milk and hazelnut oil
- Six hour egg yolk with koji sauce and ramson
- Fried herring in spelt tempura with lemon and salt
- Endive heart with brown butter, lemon and blood orange oil
- Baked ricotta with lemon
- Linda potatoes, steamed, with butter, zabaione, roasted hazelnuts and black truffle
- Second half of the trout with bonito dashi, covered with fresh wasabi leaves
- Cooked barley mit dashi and wasabi flowers
- Green beans
- Aged pork belly, steamed and fried, with lovage
- Blood orange in smoked blood orange juice
- Mangalica pork fried in duck fat, with truffles and marrow sauce
- Granité of grilled lemon
- Dried oranges, brioche crumble, cream
- Pea pod icecream with olive oil and water mint
- Raspberries, raspberry jam, raspberry schnaps with cream and cherry blossoms
- Yoghurt ice cream and blood orange ice cream
- Petit fours, including Hoshigaki, aged and massaged khaki and caramel fudge made with Mangalica fat
- Fallen Pony and Anne Bonny from Empirical Copenhagen