electricgecko

Dezember

Der Gast des Sanatoriums strebt nicht nach Heilung. Er ist auch kein Tourist, auf der Suche nach Eindruck. Er ist ein Reisender, hier, um in seinem Leben Inne zu halten. Sein Platz ist auf der hölzernen Veranda, den Blick durch die unspezifisch heilende Luft den Bergen entgegen gerichtet. Sein Zustand ist die aktive Ruhe vor der Fortsetzung der unbestimmten Reise in unbestimmte Richtung.

Wenn ich an 2023 denken werde, werden da das Meer und die Berge sein. Meine psychologische Versessenheit auf das Räumliche ist unverändert, aber es sind zunehmend natürliche Umgebungen, weniger kultürliche. Landschaft, nicht Architektur. In den Bergen: Hänge aus zermahlenem Obsidian, eine Alp, deren scharfe Zeichnung kilometerweit durch das Tal erkennbar ist. Ein hölzener Pfad führt durch die Wetlands bei Nozawa. Nach dem Abstieg: Das Dorf der verlorenen Skispringer, mit einer Weltraumstation aus Glas und Holz. Am Meer: diese Farbe, die der Himmel nur über dem Meer in der Bucht von Kamakura annimmt. Der Atlantik und seine Felsenufer als beständiger Orientierungspunkt in meinem Leben. Ruhe und Licht auf der Insel, auf der nach Sonnenuntergang niemand lebt, nur wir, gebadet und hungrig.

Das Jahr eine Fortsetzung der Versuche und Reisen des vergangenen, tiefer in unbekanntes Territorium. Restauration, Maintenance, inne halten. Kleidung tragen, die mehr als eine Richtung zulässt, in der ich mir das Neue vorstellen kann. Ich hatte Interesse am Grau des Himmels, dem Grau der Felsen und dem Grau der Meere. The Big Chill: An einem neuen Ort haben wir für eine kurze Weile wieder gemeinsam gelebt. Wir sind nur hier wegen einander, und vielleicht war das hier schon immer unsere Zukunft.

In defense of forgetting: Perhaps when we forfeit these traces to the erosion of time, whatever information is left will be precisely what we were meant to remember.

Ich bin weiterhin nicht daran interessiert, Optionen offen zu halten. Vielleicht fange ich an, sie vorher zu betrachten. Musik aus dem Jahr 2023.

Winter

  • Topdown Dialectic – A4 (2013)
  • Cadency – Crack & Collapse
  • Special Interest – Street Pulse Beat
  • Matthew Stone – How do you Feel
  • Autechre – VI Scose Poise
  • Quasimoto – Basic Instinct
  • Vril – Animist
  • Tzusing – 孝忍狠 (Filial Endure Ruthless)
  • Larry Heard – Missing you
  • 9MS – Ada
  • Runden – Mikado
  • Samuel Kerridge – Membranous Labyrinth

Frühling

  • Brutalismus 3000 – Die Liebe kommt nicht aus Berlin
  • Dimitris Petsetakis – Clearance (Part II)
  • Somewhen – Kilo
  • Chris Carter – Electrodub 2
  • Abwärts – Computerstaat
  • KwolleM – West Ham
  • Queens of the Stone Age – No one knows
  • Basic Channel – Phylyps Trak II/II
  • Ital Tek – Darkening
  • Ben Kaczor – Tohatsu (Orion Remix)
  • Mieko Suzuki – Taboo 禁忌
  • Einstürzende Neubauten – Everything will be Fine

Sommer

  • Flying Lotus – Golden Diva
  • Ben Kaczor – Katamaran
  • Ryo Fukui – Early Summer
  • Aphex Twin – Blackbox Life Recorder 21F
  • Ryoji Ikeda – Ultratronics 05
  • Lee Gamble – She’s not
  • Saccades – New Star Line
  • Head High – Break Away
  • Kim Petras – Treat Me Like A Slut (Lehmann &. KH38 Remix)
  • ASA – Modo II
  • Einstürzende Neubauten – Isso Isso

Herbst

  • Jesus and the Mary Chain – The Living End
  • Ben Kaczor – Tranquility
  • Cloud Management – PST
  • Shed – Up the Hills
  • Lawrence – Aestivation
  • Mieko Suzuki – Catastrophe 凶
  • Il Quadro di Troisi – Non ricordi (Front de Cadeaux Remix)
  • Saccades – Neighbour’s Pool
  • Alva Noto – HYbr:ID Ectopia Elastic 2
  • Einstürzende Neubauten – The Pit of Language
  • David Bowie – Modern Love

Winter

  • Alva Noto – HYbr:ID Ectopia Field 1
  • Einstürzende Neubauten – Ist Ist
  • Alva Noto – Uni Sub (Fatima Al Qadiri Remix)
  • The Cure – A Forest (Live, 1992)
  • Mall Grab – Menace II Society
  • Tocotronic – Mein Ruin
  • Tempo – Kalt wie Eis
  • Saccades – Flowing Fades
  • Einstürzende Neubauten – Die Explosion im Festspielhaus
  • Purelink – Spirit & Sport
  • DJ Boring – Surash Jazz (Boring Dub)

Sets

Die Erfindung der Abstraktion vollzieht sich im absichtsvollen Unverständnis des Unterschieds zwischen den Dingen und den Ideen der Dinge. Es erlaubt ein tiefes Verständnis für Wiederholung, Konzentration und die eingehende Wahrhehmung des immer Gleichen: Kompositionen für die Ichigenkin, Drones und Clicks, die Formung eines Astes über Jahre. Die Fähigkeit, in jeder Sache nicht die Sache in Relation zu anderen Sachen, sondern ihr absolutes Ideal zu sehen.

My obsession with language and writing is closely connected to their inherent abstraction, their quiet distance to the things themselves. The subjects of language are not the things themselves, the subjects of language are vectors, pointing to possible common denominators. Between and throughout these vectors lies the great freedom that defines my life: The endless contingency of everything, the option that the universe could be different if you so choose.

We live in a world of references, not in a world of things. At the same time, things are of the utmost importance as the crystallization points that keep our thoughts and words in order: the thing does not matter in absolute terms, but it matters as the endpoint of the vector of language. We cannot talk about anything, we have to establish a relation to the thing, no matter how idiosyncratic and winding: Our freedom remains ordered. It is free from chaos and free from one-dimensionality. This is tremendously calming.

Ich sehe Hokoku-ji und ich verstehe alle Komponenten des Gartens genau, mir sind die Bedingungen seines Entstehens bewusst. Die Schönheit trifft mich ungebremst, ich kann sie nicht fassen, sie übersteigt meine Kapazität. Die Gesamtheit des menschlichen Verständnisses, das über Jahrhunderte konzentriert notwendig gewesen ist, um diesen Ort hervorzubringen: Zeit, Zurückhaltung, Abstraktionsvermögen, Konzentration, Eigensinnigkeit. Dieser Garten ist eine Aussage über die Welt: Hier, alles. Nichts ist jemals egal.

Ich habe hier wenig veröffentlicht, in diesem Jahr. Solche Zeiten sind drei oder vier Mal vorgekommen, seit ich diese Publikation 2004 begann. Meist bedeutet es, dass meine Gedanken nicht mehr in die Form dieses Ortes passen, dass ich keine Texte schreiben möchte, die dann hier so aussehen. In diesen Momenten hat sich die Gestaltung dieser Website verändert, sie passte sich Hamburg an und wurde gedämpft als ich aus Japan zurückkehrte, gesperrte Arial auf dunklem Grund. Diese siebte Version ist einfach und präsent. Es ist seit längerem Zeit für eine neue Form, aber sie existiert noch nicht.

In diesem Fall bedeutet die Pause auch, dass ich lerne, mich meiner Sucht nach Disziplin weniger konsequent zu unterwerfen, sie mir zu Diensten zu machen. Schreiben nicht aus Verantwortung vor freitragenden Prinzipien, sondern schreiben weil ich will. Es gibt viele Texte aus diesem Jahr – aber ich habe geringeres Interesse am ausgearbeiteten Resultat, nach dem die aktuelle Form dieser Website verlangt.

Mir ist bewusst, dass ich mir das alles nur einbilde und ausdenke. Es gibt keine Gründe und ich trage keine Verantwortung. Dieser Ort ist frei, der Veränderung Gestalt zu geben. In kurzer Zeit.

Die Musik des Jahres folgte den Reisen des Jahres, über große Distanzen hinweg und auch durch die eigenen Viertel, wo bekannte Ideen eng aufgespult liegen. Auf der Reise bewegt sich die Welt schnell oder langsam vorbei. Die Musik legt sich darüber, es entsteht ein Anlass zu Auseinandersetzung. In diesem Fall ist eine Platte keine Platte, sondern eine Kombination aus Energie und Richtung oder Kraft und Weg, eine Strategie um Gedanken zu machen: Die Gier nach Irritation, um endlich Neues aus dem Nichts in die Welt zu zerren.

Ich habe vieles über und zu Musik aufgeschrieben in diesem Jahr, aber weniges davon veröffentlicht. Einiges ist wohl in die Arbeit geflossen oder wurde anderweitig entzündet und in Energie umgewandelt. Viel Material wartet ab, auf Zeit oder die passende Form.

Ich kann fünf bedeutsame Platten für das Jahr 2023 nennen: Die wichtigste ist noch nicht erschienen, sie steht für sich und mindestens ebenso für den Prozess ihrer Genese. Die anderen vier Alben teilen sich auf in die Gegenpole Abstraktion und Pop, wie immer nicht ganz ein Mensch, nicht ganz etwas anderes.

  • Ben Kaczor – Petrovo Uho Remixes (I) (Dial)

    Die Idee von Dial Records – also Detroit zurückzuholen in das Land von Kraftwerk, es in die dröge, unterkühlte Stadt Hamburg zu zwingen – ist immer bei mir geblieben, auch wenn ihre Zeit ein wenig vorüber ist. Die Releases sind seltener und inhaltlich weiter gefasst, doch sie bleiben weiterhin von hoher Qualität. Ben Kaczor ist ein junger Schweizer, und er hat in diesem Jahr die Idee von Dial für eine neue Generation gangbar gemacht. Petrovo Uho ist ein schönes Album, smooth und diszipliniert, ich hörte es häufig, und meist war ich dabei in physischer Bewegung (Katamaran ist zentraler Bestandteil meiner Mute City -Playlist).

    Größere Präsenz als das Album hatte allerdings die erste Remix-12″. Die fünf Versionen von drei Tracks arbeiten die Details dieser Musik heraus, geben ihnen mehr Raum und Zeit, betrachten sie aus allen Richtungen. Diese Konzentriertheit ist das zentrale Merkmal der Dialmusik der frühen Zweitausender, und in diesen Tracks ist es wach und gleichberechtigt präsent neben den großen Platten von Sten und Carsten Jost. Weiterhin: die Rhythmustracks dieser Versionen haben gegenüber dem Album erfreulichen Biss, sie bleiben präsent, vordergründig, klar. In meinem Gedächtnis umrunde ich weiterhin den Kaiserpalast in Chyoda zum Orion-Remix von Tohatsu, in die richtige und falsche Richtung zugleich.

  • Alva Noto – Hybr:ID II (Noton)

    Wie wäre eine Welt, folgte sie den Ideen und Ästhetiken von Carsten Nicolai? Sie wäre besser eingerichtet, heller und von ruhiger Kompromisslosigkeit, Natur und Technologie, Digitalität und Wärme. Die HYbr:Id-Serie ist die reine Formulierung dieser Perspektive: ein schwebendes, ultraleichtes Konstrukt, ein fremdes Gerät, basierend auf unbekannter Technologie, das seine Form in einer Serie von choreografierten Bewegungen gemessen verändert.

    Musik als Objekt und Musik als Prozess, diese Qualitäten des Genres Alva-Noto-Musik treten besonders klar zu Tage. Es ergibt Sinn, dass die diesjährige Iteration der Serie eine Adaption des Soundtracks zu Ectopia (Richard Siegal für Tanztheater Pina Bausch) ist, ihr Raumbezug und ihr schwebendes Momentum verorten sie ganz und gar in der physischen Welt. Bei aller Leichtigkeit gibt es stets einen Bezug zur Erde, einen Hall, einen Dub, einen Schatten. Die Schönheit dieser Musik hat mich vor vielem bewahrt in diesem Jahr, sie war ein psychologischer Ort, den ich mit mir geführt habe. In dieser Musik bin ich in der Welt nicht vorhanden, sondern nur in der Welt dieser Musik. Es gibt vieles über Sein und Arbeit von Alva Noto zu lernen, und die Noton-Releases gleichen einem Curriculum, dem ich aufmerksam folge.

  • Mieko Suzuki – Ödipus, Herrscher (Raster Media)

    Die Explosion im Festspielhaus, das Album. Mieko Suzuki’s Soundtrack für die Oedipus-Inszenierung von Johan Siemons am Schauspielhaus Bochum ist die Entwicklung und Erkundung einer Athmosphäre. Eher eine Folge von Stimmungen als eine Reihe von Tracks. Das musikalische ist dabei durchaus nie fern, es existiert in den Oktavwechseln von Drones (Catastrophe 凶) und den rhythmischen Experimenten, die Suzuki mit Stahl und Holz und Tonabnehmern durchführt (Rumor 言伝). Dieses Album erzeugt eine forschende, neugierige Stimmung, in der die Exploration und schließlich Entgrenzung einer limitierten Welt möglich scheinen.

    All das geht in Kontrasten von statten. Mieko Suzuki’s Musik ist zugleich hell und dunkel. Beispielsweise: ein monumentaler Schatten fällt durch Disaster 厄, und zugleich scheint jedes Detail der Welt dieses Tracks im Licht erkennbar, als gäbe es keine Zuflucht vor der kristallinen Wahrheit. Diese Qualität versetzt mich in einen idealen Geistes- und Gemütszustand für allerlei Tätigkeiten. Ich habe gedacht und sortiert zu dieser Musik, und während ich das tat, existierte ich in einem anderen Raum und in einer anderen Zeit. Das war ungemein hilfreich, denn zu denken und zu sortieren gab es vieles in diesem Jahr. Auf diese Weise ist diese vermutlich die meist gehörte Platte meines Jahres, ein Vibe, ein Aggregatzustand, den ich nicht besser beschreiben kann.

  • Saccades – Land of the Hearth (Old World – New World)

    Das Format ist antiquiert: 40 Minuten Popmusik verteilt auf A und B, Track sechs ist die offensichtliche Single und der Beginn der B-Seite. Die ist ansonsten eher mellow und verdunstet ihren Inhalt in die Schatten eines Sommernachmittags. Die Musik selber ist nicht weniger erwartbar: Land of the Hearth existiert im Wahrnehmungsraum der ausgehenden 1980er Jahre: Hallregler weit aufgedreht, die Bassline definiert alles, ein bundloses T-Shirt in der Bundfaltenhose, Sakko weich und boxy. Sie ist durchweg süß und leicht, bleibt ohne Nachdruck, schwebender Sommerpop in der Nähe einer salzigen Küste. Ich bin 41, und mir gefallen diese Dinge, und sie haben mir bereits gefallen als ich sechs war, eine Ästhetik eingeschrieben in meine Generation. Insofern war diese Platte eine Erinnerung an ein gewisses Ideal, an die einfachsten Dinge, von denen ich weiß, dass sie richtig sind.

    Was dieses Album zu einem der zentralen dieses Jahres gemacht hat, war mein Zustand im Laufen, der Sonne entgegen entlang der Küste von Leça, und wie ich die Ponte Arrábida hinter mir lasse, der letzte Checkpunkt bevor sich die Weite unendlich öffnet und mir alles gehört: Still Eternal singt Nicholas Wood hier, und es stimmt. Ich spüre diese Hits mit jeder Faser meines Körpers, no goals just state.

    Isto aqui é uma agora e isso ali é uma agora e ali não é nada entres esses/The endless now which transitions from one now into the other without traversing neither time nor space, evolving from one state into the next.

    Ever since returning, I have not dared to listen to any track from the Saccades album – they seem to have unified with the granite and the Atlantic, with my body in motion and the unrestricted view during runs along the river and the sea. Maybe i am trying to conserve a state of being for bad times, or as a reminder of my other self that still exists in the other place.

  • Einstürzende Neubauten – Rampen (Potomak)

    Die Platte des Jahres existiert nicht. Sie wurde aufgenommen, viele Male fragmentiert, diskutiert, verworfen, hinterfragt, overdubbed. Sie wurde nicht veröffentlicht, und nur einmal hörte ich sie, in einer Zoom–Übertragung in einem ICE auf dem Weg durch Brandenburg. Die Bilder waren nur Kompressionsartefakte der Einstürzenden Neubauten, Debris, und der Klang wurde über diverse Server zu mir geschliffen. Diese einmal gehörte Platte, die 2024 erscheinen wird, hat zentralen Raum in diesem Jahr eingenommen.

    Für etwa zehn Monate habe ich dem Prozess ihrer Herstellung in Livestreams und Posts und Forenkonversationen zugesehen1, das heißt: die Rampen2 der letzten Tour wurden gehört, besprochen, zerlegt und systematisiert, thematisch und musikalisch arrangiert. Blixa Bargeld trug während dieser Phase gelbe Dokumentenumschläge durchs Bild, die Texte und Notizen in dieser sehr spezifischen Handschrift enthielten, überraschenderweise unverändert seit Stimme Frisst Feuer nicht verändert hat. Natürlich ist er der Spiritus Rektor, er weist zurecht, er zerrt wo gezerrt werden muss, und er ist kleinlich bis impertinent – doch in Summe ist es eine demokratische Beschwörung, und die Punchlines sind gerecht zwischen den Mitgliedern verteilt.

    Ich habe mit größter Freude dieser Band aus Brillenträgern (Blixa) dabei zugesehen, wie sie ein weiteres Album der interessantesten Popmusik der Geschichte konstruieren. Ich saß in der Hokuriku-Linie irgendwo bei Fukui, aß gefaltetes Ei mit Katsuobushi und Blixa sang von den beiden großen Mauern, die er besuchte. Anweisungen wurden berlinert, irgendwie passte allet noch nicht, aber es war zu spüren, dass der Prozess zu seinem Ergebnis führen würde. Das wussten alle, auch ich in der nordjapanischen Tiefebene. Monate später, in Brandenburg, höre ich dann fertige Versionen dieser Musik, deren Details ich so gut kannte, deren Ganzes mir jedoch verborgen geblieben war.

    Ich freute mich über die krautige Motorik und die verspulten Gitarren dieses Albums, den stampfenden Rhythmus von Klaus Dinger, Jaki Liebezeit und den anderen, die zu den selten besprochenen Referenzen der Einstürzenden Neubauten gehören. Da ist etwas fiebriges, deliriöses in dieser Musik, ein mit dem Lineal gezogener Groove ohne Bewegung, wie er nur in diesem Land entstehen kann. Ich verstehe, dass das Erproben und dass Abbarbeiten dieser Gruppe an ihrer Musik Teil meiner Gedanken in diesem Jahr geworden waren, und dass es abgefärbt hat auf meine Arbeit und auf mein Selbst. Ich habe dieses Jahr verstanden als ich diese Platte verstanden habe, da ist jetzt eine Verbindung, und sie wird immer bleiben.

    Hier ist ein Nichts, da ist ein Nichts und weil dieses Nichts da ist, können wir eben es auch anfüllen – mit Unnützlichkeiten, die nun mal als Abfallprodukt der Bewegung für immer in die Existenz hineingeraten, ob sie es nun wollten oder nicht, und anfangen automatisch Pattern, Ornamente und Strukturen zu bilden als könnte es nicht vermieden werden.

Auf der Shortlist: Ryoji Ikeda – Ultratronics, Sam Kerridge – Kick to Kill, V/A – Aestivation, Lee Gamble – Models, Ben Kaczor – Petrovo Uho, Tzusing – 绿帽 Green Hat, 9MS – II, ASA – Radial, Dimitris Petsetakis – On Shores, Vril – Animist, Purelink – Signs, Ital Tek – Timeproof


  1. Das ganze war natürlich Teil des Supporterprojekts der Neubauten, das Erin Zhu in den frühen Zweitausendern erfunden hat. 2001 stand ich mit Michael in irgendeinem Keller, und er erklärte mir das alles, und warum das wichtig ist und dass es Pop in Reinform sei und dass man Blixa zuhören müsse. Ich glaubte ihm nicht recht, obwohl er mein Freund war, und erst viel später, nachdem ich mich durch Schichten anderer Musik gearbeitet hatte, verstand ich alles. Michael, du hattest recht und du wusstest mehr als ich. 

  2. Eine Rampe, im Vokabular der Gruppe, ist eine Improvisation, die live gespielt wird, und die verschiedene Aufgaben an die Mitglieder verteilt. Zuweilen basierend auf Dave, zuweilen ganz anders. 

Juli

Ich badete in einem Onsen im dreizehnten Stock. Das Becken war breit und kurz, rechteckig, und ganz aus dunkelgrauen Granitplatten gemacht, dieser Mikroterrazzo, den es hier überall gibt und sonst nirgends. Eine Liege war daraus geformt, die geometrische Ableitung eines menschlichen Körpers. Auf dieser Liege liegend erweitert folgt der Blick der Oberfläche des dampfenden Wassers durch Glas, und dann durch ein weiteres Glas der Sicherheitsscheibe bis zu den fünf Gipfeln der japanischen Alpen. Über Norikura-dake lagen Wolken, die sein oberes Viertel verhüllten. Im Dampf des Bades schienen sich die Wolkenformationen nicht zu bewegen, doch nach einigen Minuten hatten sie eine neue Form angenommen: eine breite Auftürmung hatte sich in zwei Säulen gespalten. Einen Moment später waren sie offenbar die Hänge hinabgerollt und im Begriff zu verfliegen. Als ein neuer Schwall heißes Wasser aus dem stumpf trapezförmigen auslass in das becken strömt, hat sich über dem Gipfel wiederum eine breite, weiße, dichte schicht gebildet. Als das Becken wieder still liegt, ist das Bild anders, ohne dass der Übergang wahrnehmbar gewesen wäre. Die verbindung zwischen dem Bad und dem Berg und den Wolken schien mir unmittelbar und untrennbar. Wasser, Glas, Stadt, Berg.

I bathed in an onsen we had to ourselves. It was a pond made from rocks to resemble an impossibly perfect natural arrangement. Hot spring water dispersed across soft-angled stone beds. It reached multiple ideal temperatures in differently shaped basins, all connected, some following the curve of human bodies. This onsen had a door that one is told to lock from the inside. Its stools were made of clear plexiglass, as were the bowls. The time was limited to 45 minutes. It was enough time to ponder the shape of one large rock placed in the adjacent garden, the way moss patterned its surface, the way an acorn branch threw star-shaped shade onto it, and how the stream far below us sounded like soft white noise that was close, not a roar that was far away.

I bathed in an onsen, with an old man. The water was very cold. I had chosen to skip the hot basin, as it was a hot summer day at the ski resort. Water poured over my head, over my back, over my chest and over my legs, in wide swells from bamboo boxes. I looked at myself in the mirror, out of place in mirror-world. After the bath, the day went astray.

I bathed in an onsen on a small island, its basins made from granite slabs, its walls covered in small square tiles. Everything was uniformly grey. Its wooden ceiling was high and mostly invisible, steam clouds had formed. Four precise, slim LED lights were suspended from the clouds, its black fixtures invisible. The lights were four lines, dividing space into thirds. A grid of light, more sensed than seen. Of the four stone basins, two had water jets. One was still and hot, one was cold. Everything was modern, and warm and moody and familiar, like the public onsen of an Ikebukuro side street corner to its patrons, interior and personell forever unchanged. It may have been the steady, softly pitched drip drip drip of water creating the impression.

I bathed in an onsen by the side of a creek, soft mountains intersecting in some distance. I stood up to them in the temperate water. I did not face them, I vanished in their vastness. Later, in the dressing room, the speakers were singing a love song swelling to epic heights. An old man entered, washing towel on his head. He removed the towel and got dressed in white briefs and a small pair of blue jeans. I lowered my head and looked past him, pointedly. Straight ahead, glass doors led to the white-tiled washing area, circular wall-mounted neon lights and square mirrors, sculptures of plastic stools and washing bowls arranged in front of each one. Another old man entered, humming. Age facing mountain and men, unfazed, in generosity and silence.

Ich badete in einem Onsen, es war am Boden ein Schachtes. Sein Wasser war salzig und das Bad dunkel, nur durch indirektes Licht Richtung Boden erhellt. Vorne, im Waschraum, standen Utensilien aus unbehandeltem Holz, ebenso die Wände. Eine digitale Anzeige zeigte dort 41.7 in roten Segmentzahlen. Draußen, hoch über mir war der Himmel, ein fahles Rechteck the color of television, tuned to a dead channel. Von dort hinunter war Tokyo zu hören, ferne Autos, actual Chiba. Wenige Tropfen Regen fielen mir entgegen, und hin und wieder verfing sich ein warmer wind zwischen Himmel, mir und der Wasseroberfläche – irgend etwas mit Luftdruck und Energieerhaltungssatz. Ich hielt den Atem an, eine Balance hatte sich für einen Augenblick eingestellt, alle Kräfte hoben sich auf.

Mai

The Colossus of Maroussi schien mir langwierig, während des Lesens, das Gefühl war wunderbar und richtig, selbst wenn Henry Miller seinem Text abhanden kommt und die Gedanken einzeln auflesen muss. Aus der Ferne, nachdem es ausgelesen ist, scheint das Buch bedeutsamer, als sei sein aggregierter Inhalt aus Landschaftsbeschreibungen, Psychosen, herbeifabulierten Seancen, Abenteuern, den Problemen mit allerlei Wetterlagen und Vehikeln in seiner Gesamtheit eine Lektion über das mediterrane leben, über das Verlassen der Welt und das ankommen im Sonnenlicht. Es ist kein Signifikantes Buch in meinem Leben, aber es zu lesen war ein signifikantes Ereignis, ein Echo meiner Reise nach Athen und eine weitere Achse zwischen Süden und Norden. Die Umstände und Inhalte werden dem zentralen Aspekt gerade: die eigentümliche, introvertierte Qualität seiner Sprache und der Idee des Schreiben als ganzes Leben, als die allumfassende Metadisziplin der Ideen, dem Gegenüber der Architektur als Metadisziplin des Raumes. Dieses Buch wird eine der Erinnerungen dieses Jahres sein, das nun zur Hälfte herumgebracht ist. Ich schließe es und denke an Flucht.

They say run to feel free, but more than freedom, running restores a sense of sharpness to the self. When absorbing physical strain, perception becomes direct and precise, removing the dust and sludge that is the ego-induced lack of cognitive presence. After running, when the world has returned, I immediately want to run again.

The body at the beach is a different one, it is salty and dry, like weathered atlantic rock in the sun. Constantly washed by the spray, and static. Like every particle of the system that forms the beach, its only relations are to the sun and the wind and the invisible stars. The body exists in stasis, it becomes part of the cosmic scale, its smallest component.

Für die Dauer des Laufes spielt nichts eine Rolle, nicht die Stadt, nicht das Wetter, nicht die anderen laufenden Menschen. Der Lauf ist equipmentlos und praktisch, er kann leicht überall und immer stattfinden – aber die Einfachheit des Laufes besteht darin, dass er die Welt für eine Weile durch einen simplen, konkreten, verstehbaren Prozess ersetzt. Der Lauf ist die Welt und die Welt ist der Lauf.

I have been discovering running as something that can belong to my self, my inner self, not my context-aware, pattern-reading intellectual self. Part of it is leaving the mental and physical state and place, by getting up and by fleeing it. An other part is facing the world directly – it’s the planet and me, entering into a brief, unmediated relation. I see the parallax of its landscapes change as they pass me. It sees me making progress like a slow cloud, incapable but determined. Running occurs in a time outside of time, in brief spurts, and it concerns the body over the mind, cognition over recognition. Running is universal, eternal, normal as dirt and precious and free of shape and boundary, like water.

I went for a run today, in a straight line from the column at Casa da Música to the atlantic shore, where I sat down for a while.

Zu Laufen bedeutet einen Ort in Besitz zu nehmen, eine Stadt oder ein Viertel psychologisch abzuschreiten, sie nach deinen Regeln zu durchteilen. Die Geometrie deines Laufes ist dein Zuschnitt der Welt.

It is the morning of the first day of the great peace, the peace of the heart, which comes with surrender. I never knew the meaning of peace until I arrived at Epidaurus. Like everybody I had used the word all my life, without once realizing that I was using a counterfeit. […] The peace which most of us know is merely a cessation of hostilities, a truce, an interregnum, a lull, a respite, which is negative. The peace of the heart is positive and invincible, demanding no conditions, requiring no protection. It just is. — Henry Miller, The Colossus of Maroussi, 63f.