electricgecko

Juli

There’s a childhood memory of a fire-red TDK cassette tape, brand and product markings silkscreened in gold on plastic. Side A’s first track was the Sister’s Temple of Love. I remember the tape crackling on my cousin’s cheap radio deck in 1987, and then a synth guitar riff squaling from tinny speakers, tortured and wailing, the most menacing thing I had ever heard. I was immediately fascinated. This came from a brooding and dark place, a place that had existed in my fantasies, the realms of Skeletor in Eternia.

Hearing this song made me realize that the world of imagination is close to ours, and through art and will, things could creep into our world, riding the black wind, inhabiting this other reality. I was scared, and I could not stop listening to it. In my beating heart I had learned that we do not have to be content. We get to live in many worlds of our own making. Along with scary things crawling from their dirty sewers, this is where our freedom is created: We run for cover in the temple of love, shine like thunder, cry like rain.

Die Kids haben das Vakuum entdeckt das in New York entstanden war, zwischen Post-punk und Electroclash, dann zwischen Le Tigre und Radio 4. Vieles war nichts, und in diesem Nichts hielten wir uns auf. Die Parties waren stressig, die Musik riss an uns und wir wiederum rissen an allem anderen. Heitere Generalablehnung schien eine brauchbare Option zu sein. Aus den vielen Morgen danach breitete sie sich in unser Leben aus, und mit ihr der Stress und die Düsternis, weil es ästhetisch verführerisch war: Tight, jung, geladen, Amphetamin in allem. Später wich es der langen Übung der Balance, erst unmerklich, dann mit zunehmenden Erfolg. Die Energie blieb, wir verteilten sie gleichmäßig auf alle Seiten als Rotationsmasse, so dass der Überschwang nunnmehr Momentum ist, und Aggregat. Ich schweife ab.

Nun also Fcukers, die Schreibweise wie dieses vergessene Modelabel, das es zur erwähnten Zeit mal kurz gab, und die Musik des Vakuums. Die Kids haben sie wie eingangs gesagt also entdeckt. Sie haben Fragen: Kann das komplexer sein? Können wir das anzünden? Können wir uns nach vorne lehnen, in eine Zukunft? Die resultierende Musik ist so nachlässig und abschätzig wie ihre Vorbilder – aber zugleich ausgecheckter, geformter, berechneter. Shannon Wise’s zurückgelehnter, can’t-be-bothered Gesang1 hat daran großen Anteil; slick ist halt hot, und der Markt ist hart. Diese Generation weiß mehr als wir wussten und was wir zu verlieren hatten, hat sie verloren. Es ist wenig überraschend, wie schnell und professionell sie auf alle Umstände reagiert. Anders als viele Zeitgenossinnen verlieren Fcukers sich dabei nicht in der ausweglosen Festung der Ironie, sondern füllen die Distanz zum Vakuum der Originale mit brauchbarem Material. Bossabreaks, Discobreaks, Sitcomskits, ihr sollt nicht langweilen.

All der Action liegt ein Fundament aus Respekt vor bassbasierter, afroamerikanischer Musik2 zugrunde. Das ist entscheidend, denn aller Coolness und allen Distanzgesten zum Trotz ist es dieses Wissen, das aus Bagg$$ eine EP mit ernst gemeinter und ernst zu nehmender Musik aus dem Jahr 2024 macht. Möglicherweise gefällt mir das aber auch alles nur, weil meine späte Jugend im Epizentrum der kulturellen Verwertung angekommen ist und ich für fünf Minuten etwas mit der Gegenwart anfangen kann, crew cut, copy-paste, homie don’t shake.

  • Fcukers – Baggy$$, EP, Technicolour, 2024

  1. Der sich zuweilen in einige ebenso zurückgelehnt wie kompetent getoastete Bars verwandelt. 

  2. Das war in der elektronischen Musik aus New York in den frühen zweitausendern auch so, und im Grunde in jeder Musik, die auf Floor und Körper zielt. 

Juni

Following the autostrada from Milano, heading north, one eventually reaches a wide, gentle s-shaped slope towards the Alps, far but towering, in the distance. They appear shrouded in a blueish-grey haze, a imagined landscape, a familiar topography, a destination. It’s this moment when everything unfolds, the city you left behind, compressed time, the life that is wrong. The panorama is a promise and a potential of a place and a state of being. Possible, not in reach, but present, in this moment and the distance.

Steve McQueen’s Bass: Inhabited sound, a space warm with empathy and presence. Architectural rhythm, spatial melody. Ein komplementäres, brennendes Feuer hinter den Augenlidern. It feels like forever must feel, if it had substance: A low-frequency expansion that does not stop, and cannot stop. The frequency was here before this city, and its pulse will remain when the city and the dreaded human will be gone for good. I’m having a short black coffee afterwards.

Bald wird jede Form der Produktion der digitalen Repräsentation von Identität als Indikator des niedrigsten Status verstanden werden. Der Versuch, individuelle Authentizität unter den Bedingungen heutiger digitaler Plattformen im Dienst dieser Plattformen herzustellen, gleicht kultureller Privatinsolvenz1 Der Aufwand an Zeit und Material, der in die Inszenierung der Produktion des Selbst investiert wird, kann nur als Preis für das intensive Bedürfnis nach Validierung und Mitgefühl gelesen werden, die angestrengte Erfindung und Zurschaustellung von Eigenschaften, die offensichtlich nicht inherent vorhanden sind. Die Unfähigkeit, die eigene Position in der Welt und zur Welt subtil zu kommunizieren, folgt aus einem Mangel an Würde und Eleganz, die auch für die wenig Aufmerksamen in Kürze unmittelbar evident sein wird2.


  1. Die Übertragung eines wirtschaftlichen Konzepts passt zur Effizienzlogik besagter Plattformen. 

  2. Ich befasste mich mit mehr oder weniger diesem Thema in meiner Abschlussarbeit in Kommuniationswissenschaft. Inhaltlich lag ich wohl größerenteils richtig, was die Effekte digitaler Umgebungen auf die Konstruktion von individueller Identät angeht – aber ich unterschätzte die Intensität dieser Wirkungen um diverse Größenordnungen und war entschieden zu optimistisch. Privileg der Jugend. 

Früher oder später wird der Markt seine Aufmerksamkeit auf alle Dinge unserer Leben richten. Das was notwendig für ein würdevolles, bestenfalls elegantes Leben ist, wird als Ressource für die Performance von Moral, Wissen und Status kommunikativ verbraucht werden. Das Reale, Konkrete, Notwendige wird dazu in in das noch nicht reale, das Begehrte verwandelt werden, in Produkte. Es gibt keinen anderen Weg, diesem Prozess Einhalt zu gebieten, als die Dinge schwerer erkennbar zu machen, schwerer zu verstehen und schwerer zu verdauen, sie weniger befriedigend zu machen. Zu betrachten, zu beschreiben, abzubilden was ist, ist ein zunehmend radikaler Akt.

Ethische Urteile sind ästhetische Urteile; Ästhetik ist eine relationale Frage, sie ist von vielen Faktoren abhängig, vom Kontext und der kulturellen Perspektive1 der Beobachtenden. In dieser Hinsicht müssen Ästhetiken gelesen werden: Ästhetik definiert das Verhältnis einer Sache zu ihren Umgebungen. Ihr Wert ist hoch, wenn sie dieses Verhältnis auf elegante, würdevolle Weise löst. Ihr Wert ist niedrig, wenn sie Aspekte des Kontextes ignoriert oder unangemessen vereinfacht. Schönheit einer Sache folgt aus dem ihr inhärenten Verständnis ihrer Kontexte und der Fähigkeit, sich zu ihnen intentional und stimulierend zu verhalten.


  1. Wir können Kultur nicht sehen, weil wir mit Kultur sehen. 

Being the first person at Piscinas das Marés to disturb the pool’s perfect surface amidst the turmoil that is the atlantic ocean is a primal joy. One slips in softly, gliding between natural and synthetic stone; all boundaries seem to become suggestions immediately. The beauty of being in this pool is to enjoy immense freedom in a confined space. Its configuration mirrors life itself: The endless joy of ambition and thought, within the reassurance of a clear, if non-linear, coordinate system. All is blurred, therefore all is possible. Today, I am guest 000628 for the season.

Mai

Cloud Management have evolved, since entering the scene through the straight strada of the vaguely krauty1 to eventually emerge from the thick cumulus of the decidedly dubby. The former includes the seminal pandemic release Nicht Nicht, which makes use of swirling patterns and lyrics circling the figurative absurdity of german Stillleben. The latter manifested in the loop-and-build live gigs at Kunstverein Harburger Bahnhof, along with releases and contributions to various labels and platforms. This work remains firmly rooted in Mitteleuropa, despite frequent excursions southward and eastward, which raise to the surface and pop, slowly, like lazy bubbles in a tar field.

They did not stop here. This group can’t help to plow forward, creating tracks that interlink distinct heaviness with a web of filigrane structures next, resulting in the self-released Slices series. It acknowledges the procedual nature of Cloud Management’s music by remaining unfinished, evaporating into mumbly dub fumes. From here, it‘s only a small lurch into the thick muddy bayou of Unfinished Business, a two-sided tape released on Digital Sting. If it were up to me, this would be the final form: heavy music for heavy thinking, a hyperdense void of energy that remains rooted in place, brown and green, stoned but fully present.

It is Cloud Management, though, so this version will be tinkered with too, to produce yet another fertile layer that will fade and echo, yielding music that ventures further outwards by digging deeper into itself.

Any point is good to enter Cloud Management’s work, but Unfinished Business seems to be a high water mark, thick and deep, containing the multitudes that the group has been. You may encounter my bog body here, a small flame above my head, face stretched into permagrin.2


  1. I fondly remember attending an early gig in the grime of Astra Stube, being carried away in gritty loops built from stripped back electronic instrumentation and elaborate percussion. Motorik made from scrap metal and plastic parts from Düsseldorf’s seediest markets. 

  2. Listen to Einstürzende Neubauten’s Isso Isso for strange stylistic proximity in the Bermuda triangle of Kraut and Dub and sinister German folklore. 

Wenn es Zeit und Stille gibt, arbeite ich an vielen Dingen zugleich. Ich gehe zwischen aufgestellten Leinwänden umher, einige beauftragt, einige aus freien Stücken begonnen, ich verteile Gedanken zwischen ihnen. Nach einer gewissen Zeit sind sie alle verunreinigt, Spuren der einen auf der anderen, Aspekte der gleichen Idee verteilt auf allen. Diese Verunreinigung wird für ihre Empfängerinnen immer unsichtbar bleiben, die Übersicht und Einsicht in die Schnittmengen der Arbeit wird ihnen fehlen.

Ich glaube, die Form meiner Gedanken macht diese Art zu arbeiten notwendig. Ich bin unfähig an irgendetwas zu arbeiten, meine einzige Hoffnung ist es, jede neue Aufgabe zu einem Teil der fortlaufenden Arbeit zu machen, die orthogonal zu allen Aufgaben verläuft. Das ist weder schlau noch dumm, es ist meine einzige Hoffnung.

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