electricgecko

Juni

Gestern hatte ich die Freude, auf Einladung von up.front einen kurzen Vortrag über die Rolle von Rastersystemen bei der Gestaltung für das Web zu halten. Nach einigen Worten über Müller-Brockmann und einem Tiefschlag gegen die Neunziger (Haha, der doofe Carson) habe ich bunte Bilder gezeigt und kurz angerissen, was ein Gestaltungsraster im Web leisten kann. Ich behaupte: Hierarchie, Balance, Flow und Spannung. Geschlossen habe ich mit einigen, vollkommen aus der Luft gegriffenen Gedanken zur Bedeutung des Rasters im kreativen Prozess.

Die Slides meiner Präsentation gibt es hier als PDF-Download: Have no fear of perfection — Grid systems in web design.

Diskussionen, Feedback und Materialien aller Talks gibt es in unserer Google Group. Falls ihr etwas mit dem Web, Frontend-Code oder digitaler Gestaltung zu tun habt: schaut vorbei, schlagt Themen vor, setzt euch aufs blaue Sofa. Die nächste Session gibt es in vier Wochen, im Co.Up, Kreuzberg.

Mai

Efdemin — Chicago

Shifting/Positions — Doppelseite, Katalog

Nun also der Katalog für die Ausstellung Shifting/Positions und damit nach Identität, Einladung und Plakat der letzte Teil meines Gestaltungsauftrags. Immer wieder magisch, die digitale Druckvorlage als seriell, von schweren Maschinen hergestelltes, gleichförmiges Massenprodukt wiederzusehen. Diese Dinge kicken mehr als jeder Website-Launch. Weitere Fotos vom Katalog gibt es bei Flickr.

Das Schöne am Web ist ja, dass man nicht immer alles selber machen muss. Dezentralität erhält gute Ideen am Leben; es findet sich immer jemand, der das Package verwaltet, die Gruppe weitermoderiert, die Serverkosten zahlt. In diesem Fall hat es gereicht, dass Marcel an die Stylespion-Aktion Ein Herz für Blogs gedacht hat. Ich begrüße die Aufmerksamkeit für das schöne, entschleunigte Format Weblog.

Ich lege wärmstens an ihr Herz:

  • erleben — Anika schreibt seit einigen Monaten leise und eindringlich über Kunst, Musik und Gegenwart. Man sollte sie lesen, für die Auswahl ihrer Themen, für ihre sachlichen und doch nahen Worte zum Stand der Dinge.
  • Lass uns scheitern — Verfolgen sie ein Experiment von Jens Nikolaus. Ein persönliches Themenblog zu dem zentralen Thema der in die Permanenz verlängerten Moderne: dem Scheitern, dem Versagen, der Kapitulation.
  • Fashion Bits and Bobs — Pascal Grob muss man eigentlich nicht mehr empfehlen, aber Fashion Bits and Bobs ist eines dieser ganz wenigen Blogs über Männermode, die man mit Gewinn liest. Weil es die Balance hält, zwischen Inszenierung, Ausblick und Einordnung. Bitte berücksichtigen sie auch: Visual Diary of Pascal Grob.

Technische Nachbemerkung: Als ich kurz fünf Minuten nachgedacht habe, über gute und frische Weblogs und welche zu empfehlen wären, ist mir aufgefallen, wie sehr Tumblr zur zeitgemäßen Engine des Schreibens im Web geworden ist. Kaum ein neues Blogprojekt ohne halbtransparente + Follow-Overlays. Tumblr ist der Quasi-Standard für inhaltsbezogene Weblogs, Moodboards und vergleichbare Publikationsformen. Besser dieser als ein anderer.

Die Diskussion über Flash und HTML5, über CSS3 und Frameworks muss geführt werden. Sie ist interessant, unterhaltsam und relevant. Dennoch — ich halte mich auch bei diesem Thema lieber an den Nebenschauplätzen auf. Weil es mich mehr kümmert, was nun anzufangen ist, mit den schönen neuen Werkzeugen. Welche Auswirkungen das vorhandene Set von Tools für Grafikdesign und Nutzerführung im Web hat. Ausnahmsweise also einmal: Pragmatismus.

Schönstes Beispiel, das gerade die Gestalterschulhofrunde macht, ist die neue Website des Inventory Magazine, einer wunderbar gestalteten Publikation über hochwertiges Alltagsequipment. inventorymagazine.com tut genau das Richtige — statt den Look der Zeitschrift für das Web zu kopieren (und dabei an Nutzbarkeit und Stringenz zu scheitern, wie die vorige, Flash-basierte Website), übersetzt sie das Editorial Design in ein anderes Medium.

Bemerkenswert ist besonders die Updates-Sektion, die dank simpel realisierter Variationen innerhalb des Rasters eine Wertigkeit der Gestaltung erreicht, die sich wohltuend von all den Kaugumminterfaces abhebt. Und dazu genügen der flexible Umgang mit Bildformaten, ein wenig Detailtypografie mit Verstand (Marginalien/Bildzeilen) und Spannung im Layout. Man sollte mehr über diese Dinge sprechen. Ein CSS3-Multicolumn wird genau dann interessant, wenn es ein konkretes Gestaltungsproblem löst. Tools follow form follow function, bitteschön.

Oder eben immer wieder, bis es schmerzt: Less but better.

Into entropy

Into Entropy

April

Gutes Timing ist viel Wert. Während in Hamburg Regen und Wind toben, sitze ich im Studio und verrichte harte Gestaltungsarbeit. Scheint dann die Sonne, läuft das Journal im Verlautbarungsmodus und ich liege mit der neuen Fantastic Man auf der Wiese.

Erste Verlautbarung. Ich habe eine Website für Luisa Katharina Davids gestaltet. Luisa ist Schauspielerin, spielt an der Volksbühne in Wien, an verschiedenen Häusern in Berlin und hin und wieder auch im Fernsehen. Darüber hinaus ist sie eine ganz zauberhafte Person.

Statt eines Briefings hat mir Luisa bei unserem Treffen im Anna Blume einen großen Stapel sehr guter Fotos auf den marmorierten Tisch gelegt — alle viel zu gut, um sie nicht formatfüllend zu verwenden. Der Rest sind einige Zeilen HTML5, ihr Name in Avant Garde Ultralight und etwas JavaScript für Fades und Fotogalerie. Presto.

Hidden — Ausstellung von Sarah Bernhard

Sarah stellt Fotos aus. Aus Shanghai und von anderen Orten, von Gesichtern und Räumen. In Hamburg, in meiner Nachbarschaft. Im ehemaligen Michaelis-Krankenhaus findet der etwas sperrig betitelte Kongress für Anders statt, der Kunst, Gestaltung, Literatur und Bier unter einem Dach versammelt. Die Literatur vertritt unter anderem Lisa, die am Mittwoch (dem 28.) aus ihrem wundervollen Roman Und im Zweifel für dich selbst vorlesen wird. Eine sehr gute Veranstaltung mit mindestens zwei sehr guten Menschen. Unbedingte Hingehempfehlung.

Cover: Die Seele des Menschen unter Superpunk

Im Juni erscheint eine Platte, die ihre Komplexität, die Zerwürfnisse und Schönheit nicht an der Oberfläche trägt, wie es zum Beispiel das aktuelle Album von Pantha du Prince tut. Sie wird es ihren Hörerinnen und Hörern schwer machen, ihre Bedeutung und ihr Gewicht zu bemerken. Sie wird als Sommerplatte in den Handschuhfächern alter Autos liegen, gebrannt auf einen billigen Rohling vom Discounter. Viele werden grinsen müssen, wenn sie die Band zum ersten Mal hören, weil alles so ungewohnt und lustig klingt. Die Seele des Menschen unter Superpunk wird wieder so tun, als sei sie alles außer dem, was sie wirklich ist: eine ernst gemeinte, großartige Soulplatte. Auch das fünfte Album dieser magischen Gruppe wird mich wieder glücklicher machen als viele, viele andere Dinge in diesem Jahr.

  • Superpunk — Die Seele des Menschen unter Superpunk. 4. Juni 2010, LP & CD, Tapete.

Entgegen meiner Gewohnheit werde ich in diesem Jahr zwei mal das Konferenzparkett betreten. In der nächsten Woche lädt die vom Familientreffen zum Festival samt Tagsthemenbeitrag angeschwollene re:publica alles und jeden nach Berlin. Menschen, die das Web vollschreiben, solche, die an Frameworks und Libraries bauen und auch einige, die seine Oberflächen bestimmen. Wie im letzten Jahr werde ich anwesend sein, mich über Gesichter zu den Pseudonymen freuen und ansonsten mal sehen, wie sich die Sache mit der Selbstreferenzialität entwickelt hat. Insgeheim hoffe ich auf ähnlich Brillantes wie den Beitrag von Peter Glaser im vergangenen Jahr.

Einige Wochen später warten dann Paris und die OFFF mit einem stärker visuell orientierten Programm auf Alex, Claudine, Fabian, mich und etwa zehntausend andere. Neben der Woche in Paris an sich freue ich mich besonders auf zwei meiner Helden (Non Format) und die Gang von Universal Everything.

Für beide Veranstaltungen gilt selbstverständlich auf allen Fluren und Panels die alte Konferenzetikette des gegenseitigen Heey, bistdunicht?/Jawhoacoolfreutmich! Ich freu‘ mich schon jetzt auf High Fives und geteilte Club Mate.

Neuere Texte

Ältere Texte