electricgecko

Februar

Als Begriff der Physik liegt Horror Vacui, die Angst vor dem Nichts, gemeinsam mit anderen schillernden Vorstellungen (Gegenerde, N-Strahlen) inzwischen auf dem nicht eben kleinen Kurioses-Stapel der Wissenschaftsgeschichte. Super Auskennerwissen, soweit.

Einer der größten zeitgenössischen Generalauskenner ist Shaun Inman, vor allem in den Disziplinen Javascriptzauberei, Webgestaltung und Unfassbar Gute Applikationen Produzieren.1 In Kürze erscheint sein erstes Spiel namens Horror Vacui (und zwar für das iPhone beziehungsweise den iPod Touch). Wie gewohnt hat sich Shaun Inman dazu einige wenige, aber genau die richtigen Gedanken gemacht. Das Ergebnis basiert auf dem Gegensatz der Elemente Feuer und Wasser – und dem Faktor Temperatur. Simples, smartes Spielprinzip, großartiges 8-Bit-Artwork, Blindkauf.

Update: Horror Vacui liegt im App Store zum Kauf bereit.


  1. In erster Linie Mint und bald Fever 

Januar

Life's a Beach

Liebe Modebloggerinnen! Wir mögen euch. Weil ihr einen spannenden ästhetischen Diskurs führt, der das Thema Kleidung netzadäquat verhandelt und voranbringt. Weil es hübsch anzusehen ist, wie ihr die Füße eindreht und die engen Acnejeans tragt. Wir stehen gern mit euch auf der Vernissage oder anderen halbglamourösen, vollfiktionalen Gelegenheiten zusammen, bei denen andere die teuren Getränke bezahlen.

In unseren 95 79 Prozent Echtleben möchten wir aber lieber auf Mädchenfüße in High Tops, Limited Edition Vans und verschrumsten Lederschuhen schauen. Becks mit euch trinken und uns gemeinsam die eine oder andere gute Kleidungsidee von Lookbook klauen.

Schnürt die Schuhe, schickt Fotos an das großartige Sneakergirlsblog, lehnt euch an Tresen. Oder an uns. Wir lieben euch, Sneakermädels.

Speaking of Human Empire: das sympathischste aller Gestaltungskonglomerate veranstaltet momentan in seinen hamburger Geschäftsräumen eine kleine Ausstellung mit Großplakaten aus der Schweiz von 1955 bis 1965. Am Samstag habe ich mich kurz bei der Vernissage umgesehen.

Was auffällt: nicht alle schweizer Plakate der 50er sehen nach International Typographic Style und Müller-Brockmann aus (also etwa so). Selbstverständlich verwenden auch die ausgestellten Poster ein Raster und die Akzidenz und Helvetica Bold in ausreichender Menge – im Mittelpunkt stehen aber ganz klar freundliche, grafische Tiermotive und allerlei sympathietragende Maskottchen (Abbildung eins). Sie sind auf eine gute und unschuldige Art simpel und farbenfroh. Nicht einmal solche Adjektive gibt es ja heute noch. Außer in Beschreibungen der Arbeiten von Human Empire. Freundliche, offene Gestaltung ohne postmoderne Arglist, wie man sie von Morr-Music-Platten und T-Shirts guter Menschen kennt. Insofern dürfte die Ausstellung auch ein Knicks vor den eigenen Helden sein.

Zur Eröffnung der Ausstellung gab es angemessenerweise Fetenleckereien nach Rezepten der 50er: Käsespieße, Eierfliegenpilze und Gurkenboote mit Schinkensegel und Fleischsalatbesatzung (Abbildung zwei). In der Bartelsstraße gab es dazu noch einen flugs improvisierten Gelben Engel, ein herausragendes Partygetränk der fünfziger, bestehend zu gleichen Teilen aus Eierlikör und Zitronenlimo. Die Plakate haben mir aber sehr gut gefallen.

Die Ausstellung läuft noch bis zum 18. April.

Ich verfolge das Tun des Kevin Hamann schon eine Weile. Früher hatte er mal keinen Bart und eine hinreißend verbastelte Website, auf der er unter seinem Nom de Guerre – erst Tom Bola, dann Click Click Decker – kratzige Tapes produziert und in die Welt versendet hat. In Münster hat er zu der Zeit einmal im halben Jahr sehr allein mit einer Gitarre auf einer überdimensionierten Bühne gestanden. Dort hat er seine Lieder gesungen, geschrieen und rumgelärmt. Das hat mir gut gefallen. Irgendwann kam dann die Nichts für Ungut. Die hatte ein gestaltetes Cover und klang produziert. Click Click Decker war eine Band geworden. Mit der durfte er sich die Kuschelbühne der Luna Bar teilen, um ein lautes, volles, hinreißendes Konzert zu spielen. Das hat mir außerordentlich gut gefallen.

Ende des Monats erscheint eine neue Platte der Gruppe Click Click Decker. Das ist wichtig, weil es sich mit ein wenig Glück um ein Album in deutscher Sprache handelt, das man nicht nur anhören mag, sondern dem man zuhören möchte.1 Das ist außerdem wichtig, weil Human Empire ein Cover gestaltetet haben, dass das verlorene Bildbandgenre Tierbuch im beigen Einband wieder auf die visuelle Agenda setzt; unterschnittene Modern 20, entsättigte Tierschnipsel, einhundert Punkte. Liebevolle Gestaltung für liebevolle Musik.


  1. Das schaffen sonst ja nur Superpunk, Turbostaat, 1000 Robota und Tocotronic. 

Launchen und dann liegen lassen, ist man ja nicht anders gewohnt. Die viele schöne unverbrauchte Zeit verschwende investiere ich momentan zu gleichen Teilen gemeinsam mit Daniel im Maschinenraum von Was mit Medien sowie mit einigen Bugfixes hier. Letzteres erfolgreich: seit gestern Abend ist auch der Feed wieder alive and kicking.

In der Zwischenzeit könnt ihr ja mal beim funkelblitzenden Stay Indie don’t be a hater vorbeischauen und euch etwas guten Musikgeschmack abseits der Elektronik abschauen. Was Dani und Kate da drüben machen hat Hand und Fuß und Beat und Wumms.

reset
Zweitausendneun hat im neunzehnten Stockwerk und am Strand begonnen.

Dezember

Das Jahr hat mit wissenschaftlichen Phantomschmerzen begonnen; es endet gelassen und gewärmt in angenehmer Umgebung unter hohen Decken. Es war ein gutes Jahr für Platten und Clubs, für den Weg zur Bahn im T-Shirt, für DJ Phonos Welcome to your Life im Pudel. Was es zurücklässt: eine neue Stadt, eine selbstgebaute Umgebung, weitere Abstraktionen, Parties, Parties, Dächer, zerknitterte Jacketts, goldene Schuhe, ein Hochhaus, Gestaltung, Mopedos, Liebe zur See, eine Unersetzbare, Energie. Songs für 2008.

Winter

  • Explosion – Tocotronic
  • Tansmission – Joy Division
  • Like Knives (Tiger Baby Remix) – The Fashion
  • On Tape – The Pooh Sticks
  • And then our Thoughts became old again – Adam Kesher
  • Goblin City (Holy Ghost Disco Dub) – Panthers

Frühling

  • Two Steps, Twice – Foals
  • Sho-Ryu-Sdnmt – SDNMT
  • Geboren im Winter – The Aim of Design is to Define Space
  • C. 16th ± – These New Puritans
  • U.R.A. Fever – The Kills
  • Hamburg brennt – 1000 Robota
  • Where Da G’s (El-P Remix) – Dizzee Rascal
  • Quizshows – Ja, Panik
  • Space and the Woods – Late of the Pier

Sommer

  • Talk Like That (Miami Horror Remix) – The Presets
  • Fractales #1 – Apparat
  • Is Sorrow – Black Devil Disco Club
  • Cornflake Boy – Marbert Rocel
  • Olympic Airways – Foals
  • Kids – MGMT
  • Raise Me Up – Hercules And Love Affair
  • Welcome to your Life – DJ Phono

Herbst

  • Sexual Sportswear (SebastiAn Remix) – Sébastien Tellier
  • Bellona – Junior Boys
  • Comet Course – Flying Lotus
  • Beispiel – MIT
  • M.E.G.A.N. – Miyagi
  • Playboy – Jacque Palminger

Winter

  • Charlies House (Apparat Remix) – Nathan Fake
  • Parisian Goldfish – Flying Lotus
  • Das waren Mods – Superpunk
  • Stay The Same – Autokratz
  • 1St & 1St – Kieran Hebden & Steve Reid

Man soll ja immer anfangen, wenn’s gerade am schönsten ist. Während andere auf das Jahr zurücksehen, blicke ich kühn nach vorn und schaue, was sich dort zeigt. Bevor das Jahr morgen endet, beginne ich noch schnell etwas neues. electricgecko.de ist zurück. Ich habe mich bemüht, eine Hamburger Form meiner persönlichen Seite zu finden. Eine Form, die zu veränderten Umgebungen passt, zu anderen Tagen und neuen Nächten. Weil ich tatsächlich so albern bin, es ernst zu meinen mit dem Nichtanhaltenwollen und der permanenten Suche nach einem eigenen Ausdruck.

Die letzte, die dritte Version der Seite musste weg, weil sie wie ein schöner Basaltbrocken im Weg nach vorn gelegen hat. 2008 hat sich an ihr vorbeigeschoben, sie uninteressant gemacht. Die neue, die vierte Version wird wieder eine Weile Schritt halten. Ich bin gespannt, was das Jahr und Hamburg und Ihr und ich mit ihr anstellen werden. Die Kommentare sind offen.

Was ich mir bei der neuen Gestaltung gedacht habe, warum man nichts mehr wiederfindet und wie die Form den Inhalt bestimmen wird, habe ich in einem eigenen Eintrag aufgeschrieben.

Wie es hier aussieht! Ja, aussehen tut es, und zwar anders als vorher. Ich sollte das erklären. Als ich die letzte Version von electricgecko.de im Sommer vom Netz genommen habe, war es vor allem die starre Formatierung als Weblog, die mich gestört hat. Längere Texte sahen gut aus, alles Andere war mehr Behelf und Fensterkitt. Diese Version ist eine Weiterentwicklung der letzten, sie ist in einiger Hinsicht die konsequentere Umsetzung einer ähnlichen Herangehensweise: Struktur, Kopf und Fuß der Seite sind (natürlich) aus ähnlichen Elementen aufgebaut. Allerdings verzichte ich ausnahmslos auf Dekoration. Keine schönen Bilder, keine Tapetenmuster, keine Schnörkel, nichts dergleichen. Einzig der Inhalt darf funkeln und blitzen, und zwar nicht nur als Inhalt, sondern auch in seiner Präsentation.

Aus meinem Ärger über mein altes Journal hat sich schnell die Idee für die neue Version ergeben. Der Content soll flexibler, interessanter und angemessener präsentiert werden. Das ist nicht mehr als das Prinzip klassischen Editorial Designs; erzähle eine Geschichte durch strukturierende Gestaltung und konsistente Organisation von Informationen. Dieses Vorhaben stellt sich im Web ohne luxuriöse Möglichkeiten hinsichtlich Typografie, Raum und Präzision deutlich schwieriger dar. Schlimmer: Regelmäßig aktualisierte Websites (~ Weblogs) formatieren ihre Beiträge in der Regel nach einem festen Schema. Diese Form der Serienproduktion zu umgehen, ist schwer – zumindest, wenn man nicht wie Jason Santa Maria jedem Eintrag eine eigene Art Direktion angedeihen lassen will (die in seinem Fall kontinuierlich unfassbar gut ist).

Solche Ambitionen hege ich nicht. Trotzdem habe ich nach einem Weg gesucht, verschiedene Textsorten und unterschiedliche Arten von Fotos auf die ihnen angemessene Art zu zeigen – eine Sache, die ich an Tumblr sehr schätze. Um eine für WordPress handlebare und visuell ansprechende Methode zu finden, habe ich zunächst einmal diverse Notizbücher haltlos vollgeschrieben. Anschließend eingesehen, dass es so nicht geht, mich einen Spätsommersonntag lang hingesetzt und ein einfaches Gestaltungsraster entwickelt. Der große Hype um rasterbasiertes Webdesign ist ja inzwischen durch1, so dass man sich statt um How-Tos und hochglänzende Fertigframeworks nun endlich wieder um seinen Zweck und den praktischen Einsatz kümmern darf. Das neue Raster setze ich auf allen Unterseiten konsequent ein. Für das Journal bedeutet das: es gibt vier Layouts für verschiedene Inhalte, die die Optionen des Rasters jeweils unterschiedlich nutzen. Jetzt, zum Launch, sind drei dieser Layouts auf der Startseite zu sehen.

Mir ist bewusst, dass das Ergebnis des Redesigns visuelle Ecken und Kanten hat und in manchen Punkten vielleicht sogar kontraintuitiv ist. Ich habe lange versucht, diese Dinge besser auszubalancieren. Jeweils mit dem Ergebnis, dass mir der Look danach nicht mehr gefallen hat, weil er an Entschlossenheit und Spannung verloren hatte. Also bleibt es, wie ich es mag: kantig und vertrackt und simpel. Mit electricgecko.de halte ich es wie der Pudel Club an der Theke: Es gibt was es gibt.

Was es gibt:

  • Eine Seite für Projekte, die zu gleichen Teilen mit Ideen, Gestaltung und Programmierung zu tun haben.
  • Andauernd auf unterhaltsame und verwirrende Weise wechselnde Farbschemata. Mehr dazu bald.
  • Monats- und tagbasierte Archivseiten.
  • Kaum erkennbare Metalinks zu jedem Eintrag.
  • Fließtexte in Palatino.
  • Fußnoten.

Was es nicht gibt:

  • Ein Portfolio, weil ich als Inhaber einer Festanstellung momentan nichts herzeigen muss.
  • Eine eigene Seite für Fotos, weil ich im Journal zeige, was gezeigt werden muss und nichts besser funktioniert als Flickr.
  • Support und Bugfixing für den Internet Explorer.

  1. Mit dem Ergebnis, dass jetzt hunderte Seiten aussehen wie Subtraction

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