
Es läuft, wie es immer läuft. Miyagi sind eine Gruppe, sie veröffentlichen Platten. Kriesse und ich sind Gestalter, wir denken uns auf Zuruf Zeug dazu aus. Für die neue How to do it EP ist uns was mit Weltall und Public-Domain-Fotos des Hubble-Telekops eingefallen. Die Zusammenhänge erschließen sich nicht auf den ersten Blick, aber es muss ja auch noch Gründe geben, diesen Tonträger samt digitaler Verpackung bei iTunes zu erwerben. Weitere Gründe: Neben dem Titelsong gibt es diverse hitfähige Remixe (unter anderem von Frittenbude) und eine vertrackte Liveversion von Sideways. Ich empfehle wärmstens.
März
Ich werde das Wochenende und einige Tage drumherum in Berlin verbringen. Daniel, ich und unser ortloses, ausschließlich aus bekritzelten Zetteln und Milchkaffee bestehendes Webstudio werden die Orte dieser Stadt auf ihre Arbeitsplatzfähigkeit hin testen. Wir werden uns Gedanken machen, Limonade trinken und uns überlegen, was wir zum Web beitragen können. Berlin soll uns über die Schultern sehen, Steckdosen und kabellose Netzwerke zur Verfügung stellen und ansonsten vor allem das tun, was es am besten kann: inspirieren.
Am schönsten ist es, etwas Neues anzufangen. Vorläufig zu handeln und mittendrin alles wieder umzuwerfen1. Mit dem Web und im Web zu arbeiten ist ein großer Luxus. Weil Fehler nichts kosten, weil niemand verletzt wird, weil du nach einer Woche oder zwei Jahren alles wieder verändern kannst. Weil du das spätestens dann tun musst. Wir werden umwerfen und wir werden uns etwas Neues ausdenken.
Wer Lust hat, uns irgendwo auf einen Kaffee besuchen zu kommen, mitzugestalten, mitzucoden ist herzlich eingeladen. Wir freuen uns über Pings und Heyheyyeahs durch die angegebenen Kanäle. Die Überschrift erscheint mir im Nachhinein etwas pathetisch. Nun ja.
Alles endgültig vorläufig, alles nur vorläufig endgültig. SJS. ↩
Was DJ Koze anfasst, wird zu Gold. Oder besser gesagt: Was DJ Koze anfasst, das wird zuerst ganz kantig und anschließend von einer besonders fürsorglichen Person mit violettem Samt überzogen. Musik beschreiben, das ist albern. Darum das Wichtigste in Nuce: Riesenmixtape von Stefan Kozalla im Podcast von Resident Advisor. Elektrokram, Field Recordings Skateboardrollen, Treppentreten, spanische Gitarre, Vertracktes, Albernheiten, alles vorhanden in einer Stunde bester Unterhaltung. Groß.
Nach einer (kostenlosen) Registrierung gibt es hier den Download und dort den Podcast-Feed (iTunes-Link). Via Jens Nikolaus.
Dass der seit Langem zum Bureau angewachsene Gestalter Mario Lombardo konsequent herausragende, manchmal atemberaubende Arbeit abliefert, ist nicht neu. Seine jahrelange Art Direktion für Spex, zwei herrliche Plattencover und diverse Tourplakate für die Gruppe Fotos, weitere Cover und Artworks für das inzwischen verloren gegangene Label Labels und zuletzt die Liebling – diese Dinge sind Dokumente eines visuellen Status Quo, das Mario Lombardo erst aus Köln, dann aus Berlin maßgeblich mitbestimmt hat.
Man durfte erwarten – oder zumindest hoffen – dass das Bureau wie viele andere Editorial-Designer am Web dauerhaft scheitert. Dem ist nicht so. Die neue Präsenz des, Achtung, Bielefelder Kunstvereins ist eine der wenigen Websites, die sich extrem hochwertig anfühlen und gleichzeitig dem ärgerlichen Plastikzuckergussmainstream zeitgenössischen Webdesigns widersetzen. Dass die Plakate ebenfalls ganz wunderbar sind, ist naheliegend.
Die Gestaltung tut alles, was eine Website dieser Art tun sollte. Sie erzeugt große visuelle Spannung. Sie ist so simpel wie möglich. Sie findet die einfachste und schönste Lösung für ihre Layoutfragen, wie der Umgang mit Fotografien in den Bereichen Ausstellungen und Institution beweist.
Das Video-Interview mit Mario Lombardo im Folge Mag ist zwar schon etwas älter, aber immer wieder mit Gewinn anzusehen. Der sehr gute Titel dieses Eintrags ist von der alten Website des Bureau gestohlen.
Wir sollten alle die MARK lesen. Wir sind keine Architekten, jedenfalls nicht im engeren Sinne. Doch MARK, der Architektur-Ableger der Frame, bietet so viele Ecken und Kanten, dass sich die Auseinandersetzung aus jeder Perspektive lohnt. Zuerst: Die Gestaltung gehört zum Besten, was momentan auf dem europäischen Zeitschriftenmarkt zu bekommen ist, spielt also in einer Liga mit Fantastic Man, Apartamento und Neue Mode Magazine. Vielleicht ist sie sogar besser als diese Titel, weil sie anspruchsvollere Designaufgaben (will sagen: keine Modestrecken) mit unorthodoxeren Methoden auf spannende Weise löst. 
Zweitens: Die Breite der Themen und Perspektiven ist eine einzige Freude. Wie von den Damen und Herren in den schwarzen Rollkragen gewohnt, setzen sich die Inhalte zu gleichen Teilen aus ästhetischen Auseinandersetzungen mit Gegenwart und Zukunft, Architekturshowcases, sozialgeographischen Reportagen und haltloser Fabuliererei zusammen. Das ist eine sehr angenehme Mischung. Für den perfekten Sonntag fehlen dazu eigentlich nur noch ein Barcelona Chair und die notwendige Brille. Die Moderne rettet ihre Kinder. Und bis es so weit ist hat sie wenigstens etwas Vernünftiges zu Lesen für uns.
MARK – Another Architecture, circa 200 Seiten, Mark Publishers, 19.95 €.
Februar
Das ewige Nachdenken über die Zukunft! Neue Nanowerkstoffe und Lösungen für die Kommunikationsprobleme folgender Generationen denken sich nicht selbstständig aus, und die Miesere mit dem Klima mag auch noch nicht von der To-Do-Liste verschwinden. Um so angenehmer, wenn man sich zumindest nach Feierabend entspannenden Zerfallsgedanken widmen kann. Dystopien bieten eine willkommene Abwechslung. Bereits fertige Dinge kaputtdenken, das geht leicht und funktioniert auch auf der Couch. Bleibt der Geistesblitz aus, darf alles auch mal irgendwie auseinanderfallen.
Die Frage, was mit der Erde passiert, wenn all die Leute nicht mehr vorhanden sind, ist nur die Startoperation. Wölfe im Central Park, erodierende Glasfassaden, löwenbezahnte Autobahnen. Wohin mit all dem Plunder?
Die Tristesse von Morgen schon heute – die Gegend um Tschernobyl macht es vor. Seit der Katastrophe lässt sich in der Umgebung des alten Reaktors beobachten, was mit Infrastruktur und Zivilisationsmaterie passiert, wenn sie keiner mehr bewohnt, aufräumt und gelegentlich neu streicht. Hallenbad, Freizeitpark, Monumente – die Dinge verwandeln sich zurück in Natur. Architektur und Zivilisationsobjekte haben diesem Prozess weitaus weniger entgegen zu setzen, als man annehmen würde. Die Serie Life after People des History Channel geht von einigen tausend Jahren aus; bis dahin sollten die meisten Dinge das leidige Existieren aufgegeben haben. Abgesehen von wirklich monumentalen Strukturen (Pyramiden und ähnliche Größenwahnsinnigkeiten) werden sich wohl Gebäude aus den Chefmaterialien Glas und Stahl halten. Immerhin, na also: ein später Triumph der Moderne. Die Tiere werden die neue Situation übrigens unterschiedlich gut aufnehmen. Doch wir können aufatmen: die Katzen kommen durch.
Das komplette Pripyat-Set von Dazzababes gibt es bei Flickr. Das Thema wurde außerdem ausführlich im rumdherum exzellenten Space Collective behandelt. Dort lässt sich zumindest ein wenig Zeit mustergültig vernichten.
Als Begriff der Physik liegt Horror Vacui, die Angst vor dem Nichts, gemeinsam mit anderen schillernden Vorstellungen (Gegenerde, N-Strahlen) inzwischen auf dem nicht eben kleinen Kurioses-Stapel der Wissenschaftsgeschichte. Super Auskennerwissen, soweit.
Einer der größten zeitgenössischen Generalauskenner ist Shaun Inman, vor allem in den Disziplinen Javascriptzauberei, Webgestaltung und Unfassbar Gute Applikationen Produzieren.1 In Kürze erscheint sein erstes Spiel namens Horror Vacui (und zwar für das iPhone beziehungsweise den iPod Touch). Wie gewohnt hat sich Shaun Inman dazu einige wenige, aber genau die richtigen Gedanken gemacht. Das Ergebnis basiert auf dem Gegensatz der Elemente Feuer und Wasser – und dem Faktor Temperatur. Simples, smartes Spielprinzip, großartiges 8-Bit-Artwork, Blindkauf.
Update: Horror Vacui liegt im App Store zum Kauf bereit.
Januar
Liebe Modebloggerinnen! Wir mögen euch. Weil ihr einen spannenden ästhetischen Diskurs führt, der das Thema Kleidung netzadäquat verhandelt und voranbringt. Weil es hübsch anzusehen ist, wie ihr die Füße eindreht und die engen Acnejeans tragt. Wir stehen gern mit euch auf der Vernissage oder anderen halbglamourösen, vollfiktionalen Gelegenheiten zusammen, bei denen andere die teuren Getränke bezahlen.
In unseren 95 79 Prozent Echtleben möchten wir aber lieber auf Mädchenfüße in High Tops, Limited Edition Vans und verschrumsten Lederschuhen schauen. Becks mit euch trinken und uns gemeinsam die eine oder andere gute Kleidungsidee von Lookbook klauen.
Schnürt die Schuhe, schickt Fotos an das großartige Sneakergirlsblog, lehnt euch an Tresen. Oder an uns. Wir lieben euch, Sneakermädels.
Speaking of Human Empire: das sympathischste aller Gestaltungskonglomerate veranstaltet momentan in seinen hamburger Geschäftsräumen eine kleine Ausstellung mit Großplakaten aus der Schweiz von 1955 bis 1965. Am Samstag habe ich mich kurz bei der Vernissage umgesehen.
Was auffällt: nicht alle schweizer Plakate der 50er sehen nach International Typographic Style und Müller-Brockmann aus (also etwa so). Selbstverständlich verwenden auch die ausgestellten Poster ein Raster und die Akzidenz und Helvetica Bold in ausreichender Menge – im Mittelpunkt stehen aber ganz klar freundliche, grafische Tiermotive und allerlei sympathietragende Maskottchen (Abbildung eins). Sie sind auf eine gute und unschuldige Art simpel und farbenfroh. Nicht einmal solche Adjektive gibt es ja heute noch. Außer in Beschreibungen der Arbeiten von Human Empire. Freundliche, offene Gestaltung ohne postmoderne Arglist, wie man sie von Morr-Music-Platten und T-Shirts guter Menschen kennt. Insofern dürfte die Ausstellung auch ein Knicks vor den eigenen Helden sein.
Zur Eröffnung der Ausstellung gab es angemessenerweise Fetenleckereien nach Rezepten der 50er: Käsespieße, Eierfliegenpilze und Gurkenboote mit Schinkensegel und Fleischsalatbesatzung (Abbildung zwei). In der Bartelsstraße gab es dazu noch einen flugs improvisierten Gelben Engel, ein herausragendes Partygetränk der fünfziger, bestehend zu gleichen Teilen aus Eierlikör und Zitronenlimo. Die Plakate haben mir aber sehr gut gefallen.
Die Ausstellung läuft noch bis zum 18. April.
