electricgecko

Juli

Lesen, Text schreiben, Code schreiben im steten Wechsel, ein eigener Weltzustand. Einem Strang folgen, bis er sich löst und endet, dieses Ende dann verweben mit dem Ende an anderer Stelle. Alles gleich schwer. Das Ergebnis ist ein Text, ein Hypertext, eine Art Skulptur wie elektronische Musik eine Skulptur ist, die aus der Ferne gut aussieht und sich bei näherer Betrachtung als ein in sich selbst verknotetes Objekt erweist. Nicht gut, spezifisch.

Juni

Ich sah zwei junge Menschen auf einem geräuschlosen Roller, einer trug ein weites, weißes Hemd und einen Helm, zu groß für seinen schmalen, blonden Kopf. Der andere saß dahinter, die schlanken Arme um die Brust geschlungen, den behelmten Kopf an den Rücken gelehnt. Der Roller überquerte die Kreuzung, die Liebe dicht hinter ihnen. Ihr Sommer soll niemals enden.

Diese Stadt ist ein Trick, es ist nicht der vorgesehene Weg, eine versteckte Passage zwischen Brandmauer und Hinterhof. Die architektonische und psychologische Porösität: Überall findet sich ein Durchgang, solange man nicht auf Plane Wege angewiesen ist. Das Gefühl, hier mit etwas durchzukommen, mit dem man nicht durchkommen sollte.

Asthetische Erfahrung als soziale und psychologische Technologie für den Umgang mit zukünftigen Kontingenzen.

Mai

Die Flachheit, die Weite, die Leere, die Egalheit von allem. Frei von den Interessen der Außenwelt. Zunehmend kann man nur außerhalb des Laserstrahls der Aufmerksamkeit leben. Hohes Gemäuer, alte Wände, all der Raum, schwalbenumtoster Turm, Frankreich muss bis Polen reichen.

März

Das Neubautenjahr 2024: Böcklin, Toteninsel, Alte Nationalgalerie. Letzter tag des Quartals, die Neubauten und ihr Berlin, die Kulmination des Prozesses des vergangenen Jahres, Höhepunkt und Ernüchterung, das Genie aufgelöst im Sprudelwasser der Zeit, die Oberflächen verkratzt, die Essenz verschüttet, glimmend, noch hell.

The whole universe is wobbly – Die Neubauten auf einer kleinen Bühne im Schrebergarten ihrer Arbeit. Blixa describing the orgiastic murder of gods.

Februar

Ich treffe Grace im Hangar Biocca, unter Anselm Kiefer’s monumentalem Ararat (2004). Auf ihre Bitte, etwas in ihr Sketchbook zu zeichnen, reagiere ich mit einer groben, schwarzen, lauten, dichten Skizze des Raumes. Sie filmt meine Hände. Wir sprechen über die Flucht, wann und warum. Meine Zeichnung wird Mailand mit ihr verlassen und eines Tages in einem Regal in einer Wohnung in einer Stadt in der Welt sein, ein Splitter. Fluxus ist schön, ich bin ihr dankbar.

A few minutes later, Ein seltener Vogel (Ararat!) plays in my mind, filling the hangar with intensity and desire and my heart is full. The coda of my life: a desire for monumental intensity, heaviness, harsh, abrasive surfaces, the rare thing strong enough to penetrate and stir me. This is my desire: Brutality in service of warmth. Seit Beginn dieses Planeten hat sich der Himmel niemals wiederholt

  1. Kether
  2. Tiffereth
  3. Yesod
  4. Malkut
  5. Binah
  6. Geburah
  7. Hod
  8. Chochmah
  9. Chessed
  10. Netzach

Eternity or victory.

Dezember

Der Gast des Sanatoriums strebt nicht nach Heilung. Er ist auch kein Tourist, auf der Suche nach Eindruck. Er ist ein Reisender, hier, um in seinem Leben Inne zu halten. Sein Platz ist auf der hölzernen Veranda, den Blick durch die unspezifisch heilende Luft den Bergen entgegen gerichtet. Sein Zustand ist die aktive Ruhe vor der Fortsetzung der unbestimmten Reise in unbestimmte Richtung.

Wenn ich an 2023 denken werde, werden da das Meer und die Berge sein. Meine psychologische Versessenheit auf das Räumliche ist unverändert, aber es sind zunehmend natürliche Umgebungen, weniger kultürliche. Landschaft, nicht Architektur. In den Bergen: Hänge aus zermahlenem Obsidian, eine Alp, deren scharfe Zeichnung kilometerweit durch das Tal erkennbar ist. Ein hölzener Pfad führt durch die Wetlands bei Nozawa. Nach dem Abstieg: Das Dorf der verlorenen Skispringer, mit einer Weltraumstation aus Glas und Holz. Am Meer: diese Farbe, die der Himmel nur über dem Meer in der Bucht von Kamakura annimmt. Der Atlantik und seine Felsenufer als beständiger Orientierungspunkt in meinem Leben. Ruhe und Licht auf der Insel, auf der nach Sonnenuntergang niemand lebt, nur wir, gebadet und hungrig.

Das Jahr eine Fortsetzung der Versuche und Reisen des vergangenen, tiefer in unbekanntes Territorium. Restauration, Maintenance, inne halten. Kleidung tragen, die mehr als eine Richtung zulässt, in der ich mir das Neue vorstellen kann. Ich hatte Interesse am Grau des Himmels, dem Grau der Felsen und dem Grau der Meere. The Big Chill: An einem neuen Ort haben wir für eine kurze Weile wieder gemeinsam gelebt. Wir sind nur hier wegen einander, und vielleicht war das hier schon immer unsere Zukunft.

In defense of forgetting: Perhaps when we forfeit these traces to the erosion of time, whatever information is left will be precisely what we were meant to remember.

Ich bin weiterhin nicht daran interessiert, Optionen offen zu halten. Vielleicht fange ich an, sie vorher zu betrachten. Musik aus dem Jahr 2023.

Winter

  • Topdown Dialectic – A4 (2013)
  • Cadency – Crack & Collapse
  • Special Interest – Street Pulse Beat
  • Matthew Stone – How do you Feel
  • Autechre – VI Scose Poise
  • Quasimoto – Basic Instinct
  • Vril – Animist
  • Tzusing – 孝忍狠 (Filial Endure Ruthless)
  • Larry Heard – Missing you
  • 9MS – Ada
  • Runden – Mikado
  • Samuel Kerridge – Membranous Labyrinth

Frühling

  • Brutalismus 3000 – Die Liebe kommt nicht aus Berlin
  • Dimitris Petsetakis – Clearance (Part II)
  • Somewhen – Kilo
  • Chris Carter – Electrodub 2
  • Abwärts – Computerstaat
  • KwolleM – West Ham
  • Queens of the Stone Age – No one knows
  • Basic Channel – Phylyps Trak II/II
  • Ital Tek – Darkening
  • Ben Kaczor – Tohatsu (Orion Remix)
  • Mieko Suzuki – Taboo 禁忌
  • Einstürzende Neubauten – Everything will be Fine

Sommer

  • Flying Lotus – Golden Diva
  • Ben Kaczor – Katamaran
  • Ryo Fukui – Early Summer
  • Aphex Twin – Blackbox Life Recorder 21F
  • Ryoji Ikeda – Ultratronics 05
  • Lee Gamble – She’s not
  • Saccades – New Star Line
  • Head High – Break Away
  • Kim Petras – Treat Me Like A Slut (Lehmann &. KH38 Remix)
  • ASA – Modo II
  • Einstürzende Neubauten – Isso Isso

Herbst

  • Jesus and the Mary Chain – The Living End
  • Ben Kaczor – Tranquility
  • Cloud Management – PST
  • Shed – Up the Hills
  • Lawrence – Aestivation
  • Mieko Suzuki – Catastrophe 凶
  • Il Quadro di Troisi – Non ricordi (Front de Cadeaux Remix)
  • Saccades – Neighbour’s Pool
  • Alva Noto – HYbr:ID Ectopia Elastic 2
  • Einstürzende Neubauten – The Pit of Language
  • David Bowie – Modern Love

Winter

  • Alva Noto – HYbr:ID Ectopia Field 1
  • Einstürzende Neubauten – Ist Ist
  • Alva Noto – Uni Sub (Fatima Al Qadiri Remix)
  • The Cure – A Forest (Live, 1992)
  • Mall Grab – Menace II Society
  • Tocotronic – Mein Ruin
  • Tempo – Kalt wie Eis
  • Saccades – Flowing Fades
  • Einstürzende Neubauten – Die Explosion im Festspielhaus
  • Purelink – Spirit & Sport
  • DJ Boring – Surash Jazz (Boring Dub)

Sets

Juli

Ich badete in einem Onsen im dreizehnten Stock. Das Becken war breit und kurz, rechteckig, und ganz aus dunkelgrauen Granitplatten gemacht, dieser Mikroterrazzo, den es hier überall gibt und sonst nirgends. Eine Liege war daraus geformt, die geometrische Ableitung eines menschlichen Körpers. Auf dieser Liege liegend erweitert folgt der Blick der Oberfläche des dampfenden Wassers durch Glas, und dann durch ein weiteres Glas der Sicherheitsscheibe bis zu den fünf Gipfeln der japanischen Alpen. Über Norikura-dake lagen Wolken, die sein oberes Viertel verhüllten. Im Dampf des Bades schienen sich die Wolkenformationen nicht zu bewegen, doch nach einigen Minuten hatten sie eine neue Form angenommen: eine breite Auftürmung hatte sich in zwei Säulen gespalten. Einen Moment später waren sie offenbar die Hänge hinabgerollt und im Begriff zu verfliegen. Als ein neuer Schwall heißes Wasser aus dem stumpf trapezförmigen auslass in das becken strömt, hat sich über dem Gipfel wiederum eine breite, weiße, dichte schicht gebildet. Als das Becken wieder still liegt, ist das Bild anders, ohne dass der Übergang wahrnehmbar gewesen wäre. Die verbindung zwischen dem Bad und dem Berg und den Wolken schien mir unmittelbar und untrennbar. Wasser, Glas, Stadt, Berg.

I bathed in an onsen we had to ourselves. It was a pond made from rocks to resemble an impossibly perfect natural arrangement. Hot spring water dispersed across soft-angled stone beds. It reached multiple ideal temperatures in differently shaped basins, all connected, some following the curve of human bodies. This onsen had a door that one is told to lock from the inside. Its stools were made of clear plexiglass, as were the bowls. The time was limited to 45 minutes. It was enough time to ponder the shape of one large rock placed in the adjacent garden, the way moss patterned its surface, the way an acorn branch threw star-shaped shade onto it, and how the stream far below us sounded like soft white noise that was close, not a roar that was far away.

I bathed in an onsen, with an old man. The water was very cold. I had chosen to skip the hot basin, as it was a hot summer day at the ski resort. Water poured over my head, over my back, over my chest and over my legs, in wide swells from bamboo boxes. I looked at myself in the mirror, out of place in mirror-world. After the bath, the day went astray.

I bathed in an onsen on a small island, its basins made from granite slabs, its walls covered in small square tiles. Everything was uniformly grey. Its wooden ceiling was high and mostly invisible, steam clouds had formed. Four precise, slim LED lights were suspended from the clouds, its black fixtures invisible. The lights were four lines, dividing space into thirds. A grid of light, more sensed than seen. Of the four stone basins, two had water jets. One was still and hot, one was cold. Everything was modern, and warm and moody and familiar, like the public onsen of an Ikebukuro side street corner to its patrons, interior and personell forever unchanged. It may have been the steady, softly pitched drip drip drip of water creating the impression.

I bathed in an onsen by the side of a creek, soft mountains intersecting in some distance. I stood up to them in the temperate water. I did not face them, I vanished in their vastness. Later, in the dressing room, the speakers were singing a love song swelling to epic heights. An old man entered, washing towel on his head. He removed the towel and got dressed in white briefs and a small pair of blue jeans. I lowered my head and looked past him, pointedly. Straight ahead, glass doors led to the white-tiled washing area, circular wall-mounted neon lights and square mirrors, sculptures of plastic stools and washing bowls arranged in front of each one. Another old man entered, humming. Age facing mountain and men, unfazed, in generosity and silence.

Ich badete in einem Onsen, es war am Boden ein Schachtes. Sein Wasser war salzig und das Bad dunkel, nur durch indirektes Licht Richtung Boden erhellt. Vorne, im Waschraum, standen Utensilien aus unbehandeltem Holz, ebenso die Wände. Eine digitale Anzeige zeigte dort 41.7 in roten Segmentzahlen. Draußen, hoch über mir war der Himmel, ein fahles Rechteck the color of television, tuned to a dead channel. Von dort hinunter war Tokyo zu hören, ferne Autos, actual Chiba. Wenige Tropfen Regen fielen mir entgegen, und hin und wieder verfing sich ein warmer wind zwischen Himmel, mir und der Wasseroberfläche – irgend etwas mit Luftdruck und Energieerhaltungssatz. Ich hielt den Atem an, eine Balance hatte sich für einen Augenblick eingestellt, alle Kräfte hoben sich auf.

Mai

The Colossus of Maroussi schien mir langwierig, während des Lesens, das Gefühl war wunderbar und richtig, selbst wenn Henry Miller seinem Text abhanden kommt und die Gedanken einzeln auflesen muss. Aus der Ferne, nachdem es ausgelesen ist, scheint das Buch bedeutsamer, als sei sein aggregierter Inhalt aus Landschaftsbeschreibungen, Psychosen, herbeifabulierten Seancen, Abenteuern, den Problemen mit allerlei Wetterlagen und Vehikeln in seiner Gesamtheit eine Lektion über das mediterrane leben, über das Verlassen der Welt und das ankommen im Sonnenlicht. Es ist kein Signifikantes Buch in meinem Leben, aber es zu lesen war ein signifikantes Ereignis, ein Echo meiner Reise nach Athen und eine weitere Achse zwischen Süden und Norden. Die Umstände und Inhalte werden dem zentralen Aspekt gerade: die eigentümliche, introvertierte Qualität seiner Sprache und der Idee des Schreiben als ganzes Leben, als die allumfassende Metadisziplin der Ideen, dem Gegenüber der Architektur als Metadisziplin des Raumes. Dieses Buch wird eine der Erinnerungen dieses Jahres sein, das nun zur Hälfte herumgebracht ist. Ich schließe es und denke an Flucht.

Ältere Texte über Leben