electricgecko

April

In dem Buch ist die Geschichte aufgeschrieben, der Text als eine große Zahl kleiner Zeichen auf Papier gedruckt, zusammengebunden zu einem Block, der geöffnet werden kann. Das Buch ist ein Datenträger, ein durch seine Funktion klar definiertes Objekt. Zugleich ist seine Form variabel und liegt in den Händen der Schreibenden. Nicht ganz allein; sie wird auch bestimmt von Grafikerinnen und anderen Professionellen einer alten Industrie. Die Form des Buchobjekts und die Formen der Zeichen und das Format und die Größe der Seiten und das Gewicht des papiers und die Pappe des umschlags und was darauf auf welche Weise gedruckt oder hineingeprägt ist, das ist nicht Teil des Texts, aber der Text stellt den Raum für diese Dinge bereit. Ihre genaue Ausgestaltung dient nicht dem Zweck, aber sie müssen vorhanden sein und sie formen das Lesen, das Herstellen der Geschichte, das Decodieren und Interpretieren der Informationen. Es ist ein Raum, den wir damit betreten, ein Teil des Werkes, mit dem Werk laminierter Kontext. Dieser Raum ist keiner Werwertung unterworfen, er ist Bedeutungsmehrwert, ein Objekt der Ästhetik, eine Skulptur. Am besten sind die Autorinnen, die das Buch so erkennen und es formen: Die ihren Text zu einer Welt machen, und das Buch zu einem Objekt aus jener Welt, das in unsere gefallen ist.

Wir fahren durch Feldwege bis wir auf einem Platz mit hellgrauem Kies zum stehen kommen. Ich parke den Fiat. Es geht durch zwei weiße Tore, beide unverriegelt, entlang eines Laubengangs. Links frisch gestrichene Holztüren, rechts der wasserlose Pool. Auf der Terasse spritzen mausgroße Eidechsen davon und der Himmel dehnt sich aus bis zum fernen See. Zwei Windungen der steinernen Treppe. Oben passt ein Schlüssel. Die Bediensteten sind vor Stunden gegangen, ringsherum ist auf die nächsten zwei Kilometer kein Mensch. Wir öffnen alle Fenster, alles gehört uns auf der einsamen Insel der Zeit.

Auf einen Cappucino bei Charles Schuhmann: Was man noch so machen konnte, in jenen verteufelten Jahren, sich erinnern an eine der abgelegten Seiten. Hier lebt das unzerstörbar herzogische, herzogliche, the eternal oaky swag of absolutely everyone, soothing even in its least tasteful iteration. Characters offering resistance by being present, by signalling an interest in being alive, remaining a participant in the grand revolving universe of all matter. Natürlich Arschgeigen, alle, aber besser ihr als die Menschen dieses Jahrhunderts.

März

Today, the garden of Serralves smelled of wet flowers. Its lines of sight still in misty miegakure. But I found the sun to be alive, playful between shrubs.

Das unbemalte Interieur einer Kathedrale im Norden Europas, stark and surfaceless in its volumetric presence. Das Weiß, das Licht, diese gekrümmten Vektoren und die Räume und Gedanken, in die sie fallen – sie sind eine Welt entfernt von Gewicht und Sättigung südeuropäischer Kirchen. Dieser Ort ist seine Bedeutung, the Kami is the River. Nichts trägt ein Zeichen, alles ist das Bezeichnete daselbst, Bedeutung aufgewunden im Subjekt. Im katholischen Italien muss sich die Vorstellungskraft Bahn brechen, die Zeichen überlagern ihre Träger, alles sind Geschichten, und die Menschen leben in ihnen.

Der Himmel über dem fernen Norden ist ohne Makel, ein Idealgradient in Grün, Türkis und Schwefel. Eine grafische, metaphysische Membran oder eine Schicht, die auf wundersame Weise wenige Milimeter unter den eigentlichen, astronomischen Himmel anodisiert wurde. Kein Motor, der irgendetwas altes verbrennt stört die Ruhe. In den Foyers der Ålandsbanken stehen niedrige Sitzmöbel aus Birkenholz um Gruppen von weißen Pendelleuchten. Es ist eine Abwesenheit des Wahnsinns in den Straßen, und der Geruch von Holz, überall verbaut zur Erdung aller Dinge, ein intuitives, erstes Material.

Ich zählte alle Katzen
In den Straßen von Bonfim.

Februar

Children’s Games (1999–) von Francis Alÿs ist eine fortdauernde Dokumentation des Spielens, über Kontinente und Zeiten hinweg. In Ricochets (Serralves & Barbican, 2025) wird diese Arbeit in einem räumlichen Durcheinander präsentiert – eine Ansammlung von Videoleinwänden in verschiedenen Winkeln und Größen, eine Kakophonie aus Freudenschreien, eine intense Konzentration bewegter Bilder. Möbliert ist die Ausstellung mit niedrigen, dreh- und rollbaren Hockern. Die Botschaft ist einfach und kraftvoll: Nichts spielt eine Rolle als Energie und Mut und Vorstellungsvermögen – es ließe sich argumentieren: Nichts existiert ohne Energie und Mut und Vorstellungsvermögen.

Game #19: Haram Football dokumentiert eine Gruppe Teenager, die in den umbrafarbenen kriegszerstörten Straßen von Mossul Fußball spielen. Das Video wird getrennt von allen übrigen Spielen gezeigt, in einem schwarzen Kino aus Holz, das zu diesem Zweck in der Ausstellung errichtet wurde. Es rührt mich zu Tränen; da ist kein Ball, und der Ball spielt keine Rolle. Es ist die Auflehnung der Vorstellungskraft: der gemeinsame Wille, dass eine andere Welt existieren muss, genügt um diese Welt zu erschaffen. Sie überlagert, was die Erwachsenen auf lächerliche Weise Realität nennen. „Children’s game is all there is, there is nothing more“, zitiert der kuratorische Text den Künstler. Wir müssen den Kindern, die wir waren, treu bleiben.

Die Welt existiert in mir, ich bin die Welt und die Welt ist ich. Nichts außerhalb meiner Membranen hat sich jemals wirklich angefühlt. Sobald ich mich der Welt zuwende, wenn ich meinen Sinnen das Wahrnehmen erlaube, bin ich überwältigt, geflutet vom Realen, von intenser Existenz.

Allein mit ihr genügt wenig. Ein offenes Fenster, unter dem das Gras gewachsen ist, ein Computer und eine Schallplatte. Der Blick folgt den Linien der Gebäude in zerbrochenen Straßen. Ich verberge mich in ihren Winkeln, roaming scapes and traversing infrastructure. Verborgen, sicher, still. Zufrieden entkoppelt in der schwebenden Welt, solitudo, modo pax ad inveniendum.

Der einzige Weg zu Permanenz ist Prozess: Die Dinge immer wieder herstellen, Konversationen ewig wieder beginnen, Worte erfinden um das Unveränderte abermals zu sagen, fortwährende Zerstörung und ewiger Bau. Die erfundene Welt verlassen und in neue Sterne stürzen, die Dinge unverändert, ihr Gewand stets neu. Ein Nichts das bleibt und Alles, das seine Leere im Zentrum verbirgt. Wir sind gemeinsam hier, ein Hier folgt uns zum nächsten. Die Singularität, ein schwingender Punkt, unendlich ausgedehnt in Raum und Zeit.

To live your life in balance, the forces that haunt you cancelled out, their energies converging into saturated stasis, forming your self-contained gravitational field to resist all externalities.

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