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Rich, energized Spaces

Der Barbican-Komplex ist einer der erfreulicheren Orte, an denen man sich in London aufhalten kann – eine gleichermaßen schöne wie dysfunktionale Utopie urbaner Planung, eine Arkologie in einer organischen Stadt. Besonders schön ist es, dass auch das Barbican Art Centre als planvoll konstruierter Sozialraum die kompromisslose Formsprache fortsetzt. Besonders beachtenswert: Innenarchitektur und Leitsystem von AHMM.

Ich hatte im Januar das Glück, in diesem Kontext die Ausstellung Future Beauty: 30 Years of Japanese Fashion zu sehen. The first exhibition in Europe to comprehensively survey avant-garde Japanese fashion, from the early 1980s to the present, soweit die Ansage. Dann die Ausführung: der dreistöckige white cube des Barbican Art Centre zeigt – auf porzellanweißen Puppen – Looks von Rei Kawabuko, Yohji Yamamoto, Junya Watanabe und einigen weiteren Designerinnen und Designern, wobei die drei großen Namen den überwiegenden Teil der Arbeiten ausmachen. Der Fokus liegt eindeutig auf den achtziger Jahren; der Zeit, zu der die monochromen, formal minimalen Kollektionen zum ersten Mal auf den Shows in Paris zu sehen sind. Wie eindrucksvoll ihre Präsenz gewesen sein muss, lässt sich auch 2011 sehr leicht nachvollziehen: Die gezeigte Stücke der Comme des Garçons-Kollektion (1982, Frühling/Sommer) sind von derartiger Klarheit und Konsequenz, dass es einen Augenblick dauert, bis man die emotionale Qualität der Kleidungsstücke erkennt. Weil sie nicht Teil der Mode ist – sondern ihre Funktion.

Rei Kawabuko für Comme des Garçons, 1982

Im Zentrum des Interesses steht nicht die Gestaltung eines Produktes, sondern vielmehr die bewusste Entwicklung eines Prozesses: welche Rolle nimmt das Kleidungsstück ein? Wie verhält es sich im Raum und wie zu anderen Elementen der Mode? Wie zu den unbekleideten Teilen des Körpers? Die ausgestellten Designer betonen kulturgemäß nicht die Objekte selber, sondern die Räume zwischen ihnen – the space between two structural parts.

Es ist dieses Konzept von Ma, das die Ausstellung im Barbican eindringlich vermittelt. Ihre Stärke liegt in der Spannung zwischen den einzelnen Arbeiten, ihrer Einordnung und Auszeichnung, getrennt durch halbtransparente Papierbahnen. Dem fragilen Konstrukt, dem Gespinst der Ausstellung kommt dabei der brutalistische Charakter des Gebäudes entgegen. Er hält die Spannung.

Ich habe das Barbican sehr ruhig, voller Gedanken und mit einem vollgeschriebenen Notizbuch verlassen, fasziniert von der Perspektive und der Prozesshaftigkeit der ausgestellten Mode. Ihre Prämissen erscheinen mir intuitiv richtig; sie ist nicht sinnvoll – sie macht Sinn.

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