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First in/last out

Zu sagen, meine Begeisterungsfähigkeit für Musik habe abgenommen, erscheint mir falsch, beinahe erschreckend. Doch wenn ich über meine Rezeption der Platten des Jahres 2015 nachdenke, muss ich zugeben, dass es weniger Momente gab, in denen Musik mit Nachdruck alles übernahm. Den Ort, die Zeit und das Befinden beschrieb, massiv Hier und Jetzt war. Ich möchte das meinem Alter anlasten, der damit einhergehenden weiteren Spezifizierung in Allem, der größeren Kompromisslosigkeit und der Ignoranz gegenüber dem Uninteressanten. Noch bequemer wäre es, das Jahr 2015 für ein schwächeres zu halten. Oder jedenfalls eines, in dem sich die guten Releases mit anderen ästhetischen Themen befasst haben als ich.

Atmosphäre, Haltung, Gestus: Auch in diesem Jahr haben mich formale Kriterien, Eigenschaften der Performance und der Inszenierung mehr interessiert als Genres oder inhaltliche Kriterien. Nirgendwo hat dieser Zugang zu Musik besser seine Entsprechung gefunden als beim Atonal, in seiner kristallinen Schönheit.

Ich mag orthogonal zum Zeitgeist leben oder noch einspuriger in meinen Interessen geworden sein. Dennoch war es auch in diesem Jahr so, dass die entscheidenden Augenblicke von Musik begleitet waren – vielleicht sogar intensiver und ausgezeichneter als im vergangenen Jahr. Wenn ich meine fünf Platten des Jahres nenne, gehört jede an einen Ort des Jahres 2015.

Weiterhin exzellent: Regis – Penetration, Helena Hauff – Discreet Desires, Helm – Olympic Mess, Sandwell District – Feed Forward, My Disco – Severe, STL – At Disconnected Moments, Vangelis – Blade Runner OST, Zum Goldenen Schwarm – Aufgang


  1. Inklusive des The-Weeknd-induzierten Revivals vor einigen Jahren, und über Kendrick Lamar rede ich gar nicht erst. 

  2. Ausgangspunkt: Der sehr gute Text What Health Goth actually means von Adam Harper und seine Abstraktion und Ausweitung auf den Begriff der Beschleunigung im Bezug auf Popkultur und Ästhetik. 

  3. Immer wieder Feed Forward und die jährlichen Compilations von Regis und den anderen Alter Egos Karl O’Connors. 

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