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And the city orange

Das Atonal fügte sich auf neue Weise in dieses Jahr. Es gab nichts zu feiern, es gab nichts loszulassen. Es gab die Notwendigkeit von Input und Freiheit, die Notwendigkeit der einzigen Form von Spiritualität zu der ich in der Lage bin1. In einem weiteren Jahr stand ich also mit Hannes und David im Exoskelett des Industriezeitalters, wir tranken Wasser mit Wodka darin und sahen unsere Zukunft vor uns ausgebreitet.

Das Lineup 2019 kam uns entgegen. Viele der Projekte operierten hochkonzentriert, das Programm der Hauptbühne ließ sich ohne Pausen verfolgen. Im Ergeschoss wurde weniger instagramtauglich dekoriert und mehr inszeniert; die Disziplin Tanz ist eine ebenso naheliegende wie richtige Ergänzung für diese Veranstaltung.

Wie bereits vor zwei Jahren bemühte ich mich um Notizen, also darum, festzuhalten, was Raum und Sound mit meiner Kognition taten. Es erscheint mir relevant als Ergänzung der reinen Macht des Atonal im Jahr 2019.

In keiner spezifischen Reihenfolge oder Sprache:

Lee Gamble practises mantis origami and everything is liquified, the concrete carpace of Kraftwerk magically transformed. The ghost of raves past infects every bar Gamble is launching into the cavernous hall, all grooves that have been, resurrected to serve grim new purposes. We are witnessing 1994 being smashed and sliced into shards, made new, assembling crystalline parts of a bygone era into constructs resilient enough to withstand the atmospheric pressure of 2019. Viewed from the right angle with the right mind, shapes become recognizable, sticking out for a second before being re-incorporated into a heaving sonic architecture. The hall is drenched in blood red light. Everything stops.

As Allesandro Cordini is playing, a rift appears in the crowd and I am suddenly free: Bodies move, the crowd converges, both on screen and in physical space. Staub löst sich von allem ab, und irgendwann auf jedem, denke ich, und dann: This isn’t beauty, This is the rest of it. „Es bedeutet mir die Welt, das hier, alles, an diesem Ort in dieser Stadt in diesem Jahr“, sage ich zu David.

Mitra render the world in ice at psychotropic resolution. Like shaping a monument from pink noise, some imaginative somatic architecture made from organic matter, perpetually in the process of melting or freezing, ever transitioning. A 5K temple ruin in the shader world. Far away, a small figure is wailing, draped in light, veiled in concrete. A voice endlessly reverberating. The profound, old beauty of her song is almost too much to bear. I wish it would stop and continue for ever. The particle equalizer as an emitter of architecture is followed by the magic of a repectfully receding virtual camera, as distant dwellings slowly fade out of view.

Soft/hard, coexisting like matter and antimatter, creating perfect stasis. Ich bin hier mit niemandem, ein Haus stürzt ein in perfekter Stille, und darum in Zeitlupe. The silence of walking in empty nights. The silence of imagination. The silence after they stop. The silence after pressing play. Der dringende Wunsch dieser Gruppe, hier und jetzt nicht zu existieren, aufzugehen in konzentrierter Musik. Vor vier jahren schrieb ich über Severe: „Kein Zögern, keine Unsicherheit hier. (…) Klar, präzise, mit überaus hoher Dichte.“ (My Disco)

Über die Performance von Objekt und Ezra Miller schließlich kann ich wenig Kluges sagen, die Notizen sind undeutlich, bereits als ich sie schreibe. Dieses Set ist eine Kata aus Licht und Sound, deren Bewegungen mit jeder Wiederholung an Kraft und Nachdruck gewinnen. Dieses Licht: zumeist in der Horizontalen in das Publikum gerichtet, Licht der zweiten Person Plural: Wir sind die Empfänger, wir sind die Leinwand. Schließlich, der Moment dieser beiden Tage: Das Vocal-Sample und dann Love inna Basement, niemand hier kann es fassen, jede Konzentration explodiert. Für zwanzig Minuten ist hier nichts zu denken, reine Körpersache, ansatzlose Ruhe im Pandämonium. Das große Rave-Versprechen ist wahr (es ist nun genug gedacht worden).

Pablo’s Eye present a performance about weather, visuals sublimating, ever-new suns rising and fading away. There is a generality, an all-encompassing perspective to this performance, that transcends the boundaries of even this venue. „He wondered what new weather she had divined/It was night and the city orange“.


  1. In dieser Hinsicht sind die Nächte im Kraftwerk vergleichbar mit den Tagen in japanischen Gärten: eine Bank, ein Teehaus, eine Kathedrale und die Unfassbarkeit der geformten Umgebung. 

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