Wir fahren durch Feldwege bis wir auf einem Platz mit hellgrauem Kies zum stehen kommen. Ich parke den Fiat. Es geht durch zwei weiße Tore, beide unverriegelt, entlang eines Laubengangs. Links frisch gestrichene Holztüren, rechts der wasserlose Pool. Auf der Terasse spritzen mausgroße Eidechsen davon und der Himmel dehnt sich aus bis zum fernen See. Zwei Windungen der steinernen Treppe. Oben passt ein Schlüssel. Die Bediensteten sind vor Stunden gegangen, ringsherum ist auf die nächsten zwei Kilometer kein Mensch. Wir öffnen alle Fenster, alles gehört uns auf der einsamen Insel der Zeit.
April
Auf einen Cappucino bei Charles Schuhmann: Was man noch so machen konnte, in jenen verteufelten Jahren, sich erinnern an eine der abgelegten Seiten. Hier lebt das unzerstörbar herzogische, herzogliche, the eternal oaky swag of absolutely everyone, soothing even in its least tasteful iteration. Characters offering resistance by being present, by signalling an interest in being alive, remaining a participant in the grand revolving universe of all matter. Natürlich Arschgeigen, alle, aber besser ihr als die Menschen dieses Jahrhunderts.
März
Das unbemalte Interieur einer Kathedrale im Norden Europas, stark and surfaceless in its volumetric presence. Das Weiß, das Licht, diese gekrümmten Vektoren und die Räume und Gedanken, in die sie fallen – sie sind eine Welt entfernt von Gewicht und Sättigung südeuropäischer Kirchen. Dieser Ort ist seine Bedeutung, the Kami is the River. Nichts trägt ein Zeichen, alles ist das Bezeichnete daselbst, Bedeutung aufgewunden im Subjekt. Im katholischen Italien muss sich die Vorstellungskraft Bahn brechen, die Zeichen überlagern ihre Träger, alles sind Geschichten, und die Menschen leben in ihnen.
Der Himmel über dem fernen Norden ist ohne Makel, ein Idealgradient in Grün, Türkis und Schwefel. Eine grafische, metaphysische Membran oder eine Schicht, die auf wundersame Weise wenige Milimeter unter den eigentlichen, astronomischen Himmel anodisiert wurde. Kein Motor, der irgendetwas altes verbrennt stört die Ruhe. In den Foyers der Ålandsbanken stehen niedrige Sitzmöbel aus Birkenholz um Gruppen von weißen Pendelleuchten. Es ist eine Abwesenheit des Wahnsinns in den Straßen, und der Geruch von Holz, überall verbaut zur Erdung aller Dinge, ein intuitives, erstes Material.
Februar
Children’s Games (1999–) von Francis Alÿs ist eine fortdauernde Dokumentation des Spielens, über Kontinente und Zeiten hinweg. In Ricochets (Serralves & Barbican, 2025) wird diese Arbeit in einem räumlichen Durcheinander präsentiert – eine Ansammlung von Videoleinwänden in verschiedenen Winkeln und Größen, eine Kakophonie aus Freudenschreien, eine intense Konzentration bewegter Bilder. Möbliert ist die Ausstellung mit niedrigen, dreh- und rollbaren Hockern. Die Botschaft ist einfach und kraftvoll: Nichts spielt eine Rolle als Energie und Mut und Vorstellungsvermögen – es ließe sich argumentieren: Nichts existiert ohne Energie und Mut und Vorstellungsvermögen.
Game #19: Haram Football dokumentiert eine Gruppe Teenager, die in den umbrafarbenen kriegszerstörten Straßen von Mossul Fußball spielen. Das Video wird getrennt von allen übrigen Spielen gezeigt, in einem schwarzen Kino aus Holz, das zu diesem Zweck in der Ausstellung errichtet wurde. Es rührt mich zu Tränen; da ist kein Ball, und der Ball spielt keine Rolle. Es ist die Auflehnung der Vorstellungskraft: der gemeinsame Wille, dass eine andere Welt existieren muss, genügt um diese Welt zu erschaffen. Sie überlagert, was die Erwachsenen auf lächerliche Weise Realität nennen. „Children’s game is all there is, there is nothing more“, zitiert der kuratorische Text den Künstler. Wir müssen den Kindern, die wir waren, treu bleiben.
Der einzige Weg zu Permanenz ist Prozess: Die Dinge immer wieder herstellen, Konversationen ewig wieder beginnen, Worte erfinden um das Unveränderte abermals zu sagen, fortwährende Zerstörung und ewiger Bau. Die erfundene Welt verlassen und in neue Sterne stürzen, die Dinge unverändert, ihr Gewand stets neu. Ein Nichts das bleibt und Alles, das seine Leere im Zentrum verbirgt. Wir sind gemeinsam hier, ein Hier folgt uns zum nächsten. Die Singularität, ein schwingender Punkt, unendlich ausgedehnt in Raum und Zeit.
To live your life in balance, the forces that haunt you cancelled out, their energies converging into saturated stasis, forming your self-contained gravitational field to resist all externalities.
The stupidity of luxury lies in the fact that, by definition, it is unnecessary, surplus, and in the way of truth. Luxury exists in objects and additives, it exists in thingness. Its sole purpose is to be read as a thing that is luxury. Luxury is concerned with the mood of its customer1, who only strives to feel, wanting the process and context of his feeling to be hidden, externalized, veneered and obscured by the materiality and objecthood of luxury, failing to understand that happiness can only exist in laying bare the conditions and entanglements of its discovery, the tainted equilibrum of sustain and release tied to life and process.
Who must always be a customer, and never a practitioner or even professional: he pays to be made a certain way. ↩
Januar
Das kleine Buch: Eher mitgenommen als eingepackt befindet es sich in einer Jackentasche, vorzugsweise im Inneren, griffbereit genug um in einem Moment der Ruhe schnell bei der Hand zu sein. Es sollte dünn sein und schön. Es verhandelt ein Sachthema begrenzten umfangs. Rasch aufgeschlagen ist es ein Ausweg, Anschluss an zuvor gehabte Gedanken. Es ist ein Gedankenzug, der für einige Wochen alle Orte verbindet. Das kleine Buch ist der Weg zu einem Ort mit klar definiertem Anfang und Ende. Die Ränder seiner Seiten eignen sich für Notizen und sein Umschlag dafür, nach einiger Lektüre neben der Kaffeetasse in der Sonne zu liegen. So setzen sich die Jahre nicht nur aus Reisen und Alben zusammen, sondern auch aus einer Anzahl nach und nach gekaufter und bearbeiteter kleiner Bücher. Sie enthalten, was hinter und unter den Dingen vorkommt. In der Tasche hinter dem Revers wartet eine geheime, in sich aufgewundene Dimension.
er hatte die these jeder sei allein auf seiner welt angesichts des gedränges der körper in jeder straße stadt und u-bahn für überzogen gehalten eine sentimentale metapher für all jene die nicht ausgelastet sind schließlich aß und trank er mit freunden unternahm reisen und saß mit vielen anderen im kino das musste doch reichen und es reichte ja auch allen anderen wie es schien aber die frage wie der ist den die anderen sehen und wie sich dieser zu dem verhält den er sah fraß sich in ihn hinein weil er nicht leugnen konnte dass er nicht wusste wer das war den er im spiegel sah morgens ohne absicht
Siegfried J. Schmidt, Fragment, im Umschlag eines Briefs an mich im Jahr 2008. Die Frage, was Ich bedeuten soll verbindet uns weiterhin.
And yet, everything is new. A new configuration of being, to suit a new set of conditions. Living with the hearth’s cycle, living with the sun’s traverse. Newly able to lie or sit, and look. Cognition spent in the nonmaterial realms projected by the e-reader, a book seeping into this side of reality through its dimly lit non-screen. Pay attention to your thoughts, as they pass your consciousness, as the clouds and hazes pass this vertical window, the grove, and far, the sea.
Ich habe keinen ganz neuen Gedanken gehabt, nichts ganz fremd gefunden, aber die alten sind so bestimmt, so lebendig, so zusammenhängend geworden, daß sie für neu gelten können.
(Goethe, Rom zum ersten Mal erreichend)