Mit eurem ständigen Gewäsch
Mit eurem ständigen Gewäsch
Porto war kein Ziel mit Absicht. Porto ist mir passiert, sozusagen, der Arbeit wegen. Das passte ganz gut, denn Porto ist eine arbeitende Stadt in einer arbeitenden Region. Dass sie wunderschön sind (Stadt und Region), und zwar auf eine Weise, die ich verstehen und ertragen kann, habe ich erst dort gelernt. Porto ist die interessante Stadt des Landes. Es geht große Anziehung aus, von seiner hügeligen Kolonialhaftigkeit (Farben: weiß/weiß/grün/blau), durchtrennt und zusammengefügt mit exzellenter öffentlicher und kommerzieller Architektur (grau/weiß). Es gibt einen spezifischen Anspruch an die Gestaltung des Raumes, der Porto schön und gebrauchbar macht. Porto erscheint an vielen Stellen auf so schöne Art und Weise gebaut, dass man die Art wie die Stadt mit seinen Hügeln, dem Fluss und dem Meer verfließt übersehen könnte, um ein Haar. Ich blieb für zehn Tage in einem wunderschönen Appartment und in einem Hotel für ein langes Wochenende im April, and I’ve grown strangely fond of this place.
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Portugiesisches Essen – solange es nicht aus frisch gefangenem Fisch besteht – ist keine unproblematische Sache. Glücklicherweise gibt es in Porto exzellente Plätze mit exzellenten Speisekarten. Die Champanheria da Baixa ist ein solcher Platz. Es gibt sehr gute kleine und noch bessere große Gerichte. Man sollte entweder auf dem schönen kleinen Platz draußen oder im hinteren Teil der Bar innen sitzen. Was noch? Das Brot ist fantastisch und die Getränkefrage klärt sich von selbst.
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Dies ist ein Eintrag auf meiner nicht existierenden Liste Der Schönsten Orte Der Welt. Das Piscina des Marés ist ein Schwimmbad im Meer, gelegen zwischen den scharfkantigen Felsen von Matoshinhos. Alvaro Siza setzte in den 1960er Jahren dem unwirtlichen Strand eine brutalistische Architektur entgegen, die ihn gebrauchbar macht. Das Schwimmbecken ist mit Meerwasser gefüllt und endet an der organischen Felsenbegrenzung – in einer harten Zusammenfügung von Architektur und Natur mit dramatischem Ausblick über den atlantischen Ozean. Das Beste am Piscina des Marés sind allerdings die Umkleidekabinen. Roher, unverputzter Beton, schwarzes Holz und plötzliche Kühle, niedrige Decken – eine Rite du Passage, die den Blick freigibt auf Beige, Sandstein und Azurblau. Es ist fabelhaft.
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Die zeitgenössischen Museen europäischer Städte zu besuchen ist natürlich immer eine gute Idee. In Porto funktioniert sie ganz ausgezeichnet, denn die Fundação Serralves ist exzellent kuratiert (subjektiv anekdotisch: besser als das MACBA) und in einem auf unterhaltsame Weise disproportionalen White Cube von José Marques da Silva aufgehoben. Es empfiehlt sich ein ausgedehnter Spaziergang durch den wunderschönen Park und eine Tasse Kaffee samt Kakao/Chili-Cashews im Teehaus am alten Tennisplatz. Die alte Villa Serralves ist auch unbedingt einen Besuch wert – denn sie ist sowohl kubistisch, altrosa als auch vollkommen leer.
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Por Vocação ist – vielleicht neben Wrong Weather der einzige relevante Shop für Herrenmode in Porto – und ein äußerst angenehmer Ort, um eine oder zwei Stunden zu verbringen. Vielleicht wegen der perfekten Lichtstimmung, aber ganz sicher wegen des unglaublich freundlichen Personals. Auch wenn die Range der vertretenen Labels nicht so ganz meinem Geschmack entspricht, ist die Auswahl aus den jeweiligen Kollektionen immer exzellent. Ich verdanke dem guten Geschmack der Betreiber einen perfekten Nylon-Blazer von Raf Simons, ohne den ich den Hamburger Herbstregen bedeutend zerknitterter überstanden hätte.
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Casinha ist so einfach wie sein Name. Ein Café direkt an der überaus anstrengenden Avenida da Boavista (und schräg gegenüber vom Por Vocação), das guten Kaffee, gutes Mittagessen und das beste Eis der Stadt verkauft. Der Grund, die Cashinha zu besuchen, liegt allerdings auf der anderen Seite des Cafés: ein stiller, mit Holzboden belegter Innenhof, in dem nichts von den Touristen vor der Casa di Musica und nichts von der großen Straße zu spüren ist.
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Schließlich: Ein Restaurant an einem der besten denkbaren Orte für ein Restaurant – in einer Box aus Glas und Beton auf halber Höhe über dem Duoro, neben der wunderbaren Silhouette der Ponte da Arrábida. Deren Architekt, Edgar Cardoso, überwachte den Bau der Brücke aus einem eigens (von seinem Sohn) entworfenen Büropavillon – besagter Box, die nun die zwei Restaurants der Casa d’Oro beinhaltet. Zu empfehlen ist in jedem Fall das Pizza- und Pasta-lastige Restaurant auf dem Dach (und dessen ausgezeichnete Aperitiv-Karte). Das Restaurant in der unteren Etage ist leider schlechter und teurer – das ist vor allem schade um den Blick über den Duoro durch die deckenhohen Fenster.
Do something unique only you and nobody else in the world can do. Don’t call it art.

Der Winter hat sich festgebissen, in diesem Jahr. Einige Lagen dicht gesponnene Wolle bleiben zwischen mir und der äußeren Welt. Der Wärme wegen, sicherlich, aber auch, um innen Raum für ein anständiges Whiteout und bessere Kälte zu schaffen, die der Halbjahreszeit gerecht wird. Einen Ort, der nicht treffender zu benennen ist als mit The Pentaki Slopes. Die asymmetrischen Steilhänge des Pentaki. Aufstieg/Abstieg.
Ich bin Kangding Ray – der 2011 bei raster-noton eines der besten Alben des Jahres veröffentlichte – dankbar, für diesen Titel und die Platte (ebenfalls: raster-noton), die ihn trägt. Weil sie in drei Tracks das Gefühl auf den Punkt bringt, auf Reisen zu sein, in lebensfeindlicher Umgebung. Sie beschreiben den Aufstieg, die gespannte Stille des Plateaus, den Abstieg.
Considered as the ultimate goal by both psychedelic gurus and database optimization corporations, and as an ideal retirement destination for a couple of lost souls in search for coherence and objectivity, the source diffuses endless loops of haunted voices, apparently sampled from a discarded call center, running low on power, encouraging listeners to shorten cycles, deliver requests and improve user experience.
Die drei Zustände sind hypnotisch und atmosphärisch hochverdichtet. Sie strahlen Kälte, Anspannung und immanente Wärme aus, ununterscheidbar und zeitgleich, wie die ersten Momente einer Verbrennung oder Erfrierung. Tracks gemacht für Zugfahrten durch gefrorene Felder, straighter und unverstellter als der große Teil der Kangding-Ray-Releases. Grimmig, wärmend, wütend schritt ich voran.
Allen Quantifizierungsbestrebungen zum Trotz erscheint mir nach wie vor Musik als das geeignete Medium, um Koordinaten des eigenen Lebens abzustecken. Eine Playlist, ein immer noch so genanntes Tape, ein Set – es sind Markierungen des Hier und Jetzt, im Wortsinn. Sie beschreiben einen Ort und eine Zeit, じくう, Raumzeit. Aus diesem Grund hole ich Rainfall, Revolve gern hervor. Darum notiere ich Tracks, die das Jahr gefüllt haben; zuletzt für 2012 und 2011, natürlich.
Auf Einladung von Freunde von Freunden habe ich einige Musik für die ersten beiden Monate des Jahres 2013 in einem Set verbaut. Es ist die Nummer 51, und sie ist – dank mangelnder Kunstfertigkeit und hinreichend Attitüde – angemessen roh geraten. Es ist eine Folge von Tracks, die dafür gemacht sind, in weiten Räumen gehört zu werden, raumgreifende Musik, sozusagen, auf die eine oder andere Weise. Um ihr meinen eigenen Titel zu geben: Das hier ist Rooms, hier ist der Soundcloud-Link. Enjoy.
Um besonders rohe Formate (YouTube-Videos, Bandcamp-Seiten) niederfrequenter Musik noch ein wenig schneller (sofort) als erinnerungswert zu markieren, habe ich in der vergangenen Woche SCHLUCHT gestartet. Mehr vom gleichen, mehr vom guten.
Er hätte jetzt gern noch einmal böse aufgelacht, kriegte aber kein Bein des Bösen auf den Boden mehr. […] Für den Fall einer etwaigen nächsten Hölle hier muss und werde ich, so der Höllor, mein Hirn vorher und fristgerecht zum Trocknen bringen, denn so, wie diesmal, ist es mir zu nass gewesen.
Es bedeutet keinen Unterschied, ein bestimmtes Alter erreicht zu haben. Keine gestiegene Reflektionsfähigkeit oder größere Klugheit. Der Unterschied ist vielleicht, sicherer zu wissen, was man gelernt hat. Es bedeutet: Ruhig auf subjektive Wahrheit bauen. Niederschreiben. Dem Momentum folgen, in der Arbeit und in allem.
Es ist richtig, grobe Werkzeuge zu verwenden. Ideen nicht auszuarbeiten, sondern sie in einem rohen, unverzierten Zustand zu belassen. Schönheit nicht in der Ausarbeitung finden, sondern in Energie und Krassheit. Wach bleiben. An allem zerren.
Im Mission District (wo ich meinen Pullover fast verlor), in Porto, im Winter, auf dem Dach des Standard in Downtown LA, den Platz der Santa Maria Novella in Florenz betretend, verschwitzt im Sonnenaufgang, in Hamburgs obersten Stockwerk, über Zürich.
Intensität ist für mich immernoch [sic] der einzige akzeptable Wert. Eben weil alle anderen Werte Betrug sind. […] Stahl auf die Finger hauen, heiser zusammenbrechend schreien.
Oder, pathosfrei und noch richtiger: Strip it, boost it. Musik aus dem Jahr 2012.
Es gibt eine Spotify-Playlist, der einige der besten Tracks fehlen.
Die Platten des Jahres zu bestimmen, sie aufzuzählen und zu veröffentlichen, als seien sie ein Höhepunkt, ein Abschluss – es ist wohl eine entlarvende Eigenheit meiner Generation. Zwölf Monate Gewohnheiten protokollieren und Situationen notieren – das ist sinnvoll, wenn es am Ende beschränkte Plätze zu besetzen gilt: Die besten fünf, 640 Kilobyte, zwei 5¼ Floppys. Sich zu beschränken, diese und diese nicht, ist eine Reaktion auf beschränkten Raum und beschränkte Zeit.
Wenn es um Musik geht, sind wir nicht zum oder gezwungen, sondern zum und. iTunes-, Spotify-, Rdio-Playlists sind von Natur aus inklusiv, nicht exklusiv. Das ist schade, weil es Streit vermeidet. Urteilsfreiheit macht schlechte Partys und kleinste gemeinsame Nenner. Das kann und soll nicht unser Ziel sein. Sondern Spezifik, Subjektivität und Verschiedenheit.
Darum nenne ich auch für das dreißigste Jahr meines Lebens fünf Platten, die wichtig und gut waren. Weil sie etwas neues gesagt haben, oder etwas altes auf neue Weise. Weil sie zur richtigen Zeit am richtigen Ort waren (wie The Soft Moon) oder einfach immer und überall (wie Claro Intelecto). Sie sind die fünf besten Platten des Jahres 2012.
Ende dieses Jahres stellte ich fest, dass Apple das sehr schöne Artwork von Non-Format für eine iPod-Kampagne verwendet. Ich musste lächeln und an den Frühling denken, als die beste Popmusik-Platte mal wieder bei Lo Recordings erschien. Ihr Groove ist ebenso löchrig wie blitzsauber produziert, so eingängig und subversiv – in einer geschmackvolleren Welt müsste Michael Lovett große Sporthallen ausverkaufen.
Im August schrieb ich über die dritte LP von Shed und stellte fest, dass hier eine Verdichtung stattgefunden haben muss. Die Intensität dieser Platte ist hoch. Es ist Musik für die Nacht, wenn noch nicht alles getan ist, wenn noch etwas gebaut und gedacht werden muss. Ich hatte gute Ideen, während Day After im Studio lief. Laut und klar, entschlossen, geschlossen. Mit einem Outro-Track der wie gemacht dafür ist, zu Hause anzukommen.
Kein Ort, den ich in diesem Jahr besuchte, begegnete mir ohne diese Platte. Und würde ich nur ein Album für 2012 nennen, es müsste es wohl dieses sein. Claro Intelecto haben den Flow meines Jahres beschrieben – dubby, staubig, in mittlerem Tempo, mit Nachdruck. Blind Side, Second Blood und insbesondere It’s getting Late gehören in die warme Luft und die dunklen Straßen des Mission District, zum Taxi auf der Sonnenallee, zum Fußweg aus dem Studio nach Hause. Ohne dieses Album ging ich nirgendwohin, in diesem Jahr.
Dieses Album müsste die Platte des Jahres sein, nach allen Kriterien. Sie ist entschlossen, intensiv, simpel in ihren Mitteln, aus einem Guss, unantastbar, ein Monolith. Doch ignorieren wir ihre Geschlossenheit, ihre perfekte Dramaturgie – denn sie enthält das beste Stück gitarrenbasierter Musik, das ich seit Jahren gehört habe: Zeros, der Titeltrack. Ich bin versucht, ihn in jede Playlist zu integrieren, in jedem Set zu spielen. Jede und jeder sollte diese Demonstration von Konsequenz und Groove gehört haben, seine unnachgiebige Schönheit und die Schmerzen, die er verursacht. Dieses Album entspricht präzise meinem ästhetischen Empfinden, es macht wachsam, es schärft den Blick. Es hätte die beste Platte dieses Jahres sein sollen.
Doch ich musste kapitulieren vor diesem Album. Andy Stott gehört seit zwei Jahren zu meinen meistgehörten Musikern, seine EP Let’s stay together war für mich die Platte des Jahres 2011. Doch als dieses Album im November erschien, hatte mich nichts auf diesen stilprägenden Entwurf von elektronischer Musik vorbereitet. Ihr dekonstruierter, industrieller, poppiger, jawaseigentlich-Sound klang wie nichts, das ich zuvor gehört hätte – trotz der vielen Zitate, der Samples und Verweise auf vorige Releases, die ihn ausmachen. Dieses Album ist ein wichtiger, interessanter, Perspektiven definierender Beitrag zum ästhetischen Diskurs. Es wird dieses Jahr und sein Jahrzehnt überdauern.
Weiterhin erwähnenswert: Fort Romeau – Kingdoms, Oskar Offermann – Do Pilots still Dream of Flying?, Jane – Berserker, Scuba – Personality, JJ Doom – Keys to the Kuff, Hyetal – Broadcast, Einstürzende Neubauten – Perpetuum Mobile, G.H. – Ground