electricgecko

Oktober

The coordination between hues of orange of about 24 vintage Polyside Chairs arranged around square plastic tables, four oversized umbrellas advertising SION KÖLSCH and the swooping letterforms so tastefully deployed to the menu headers of Café Hallmackenreuther is ever so slightly off, and thus achieves a kind of perfection any Pantone folder would ruin. The palette is positively exciting, reframing the scenery as an episode of quintessential 1973ish West-Germanness.

A table over, one of the quarter’s apparent doyens is holding court. With white-bearded smiles, patrons, strangers and acquaintances passing the square are waved over – while multiple magazines, tiny glasses of white wine and an eager young labrador keep being miraculously juggled. „Flat white, in a cup“ is the order, which is swiftly downed upon arrival.

Beyond the leafy courtyard, the café itself has opened its glass front, providing ample space to bustle about for a pair of stewards that tends to the crowd reclined in polyethylene. One is green-eyed, lanky and bumbling, a shoddy bowler hat hiding strands of streaky blonde hair and yesterday’s night out. His partner – all sagging thrashed denim and big-haired, nose-pierced, crop-topped street cred – is doing a considerably more professional job, inserting some urban eroticism into an otherwise almost pastoral scene. French, Italian and Kölsch are spoken among maple trees, all softly blending in the most pleasant summer air.

Hallmackenreuther, Belgisches Viertel, Cologne.

At the Hawk's Well

Hiroshi Sugimoto, Ryoji Ikeda, Rick Owens. L’Opéra national de Paris, 3. Oktober 2019.

September

I grew up in a small town at the end of a country. There were few people like me. I learned to live inside my head for long weekends and days that failed to make a connection. I left the town the first chance I got. I don’t think about it much, but I still carry the worlds I made there. In a way, I have been cast from that place: its entire opposite, its negative form, but sharing every wrinkle in great detail1.


  1. Ich schrieb diesen Text für Craig Mod’s Ridgeline-Newsletter, der sich mit dem psychologischen Zustand des Gehens auseinandersetzt. Er ist ein Beitrag zur Sektion Fellow Walkers, zu der Craig fragte: What shell have you been torn from?. Er erschien in #38

Als ich nach Berlin kam, aus dem Durcheinander meines Lebens in das Durcheinander der Stadt, gab es eine Gruppe, die sich ausnahm in ihrer Ehrlichkeit und Schönheit zwischen all dem Schutt, den Optionen, den Drinks, der Sonne über dem Brunnen vor dem Dom und den Hackeschen Höfen, die damals noch ein Ort waren. The Aim of Design is to Define Space spielten Rock der klang wie Rave, und alles sah besser aus als bei den anderen. Sie sagten was ich damals hören musste. Der Moodboardpop des allzu geradeaus betitelten Depeche Mode wird mich immer an den Besarinplatz erinnern, die Türme des Frankfurter Tors, den Blick auf die Volksbühne aus der S75. Und daran, was wichtig ist (Frisuren und Schuhe).

Im vergangenen Jahr spielten Aim ein Konzert am Schlesischen Tor und nun gibt es neue Musik, eine 12″ und wohl ein Album, ein weiteres Konzert (Dialog mit der Jugend, the grown-ups are tired), das Alex und ich besuchen werden.

Es gibt nun eine neue Geschichte über diese Stadt zu erzählen, gleichermaßen dunkel und perfekt ausgeleuchtet: Aim #@%!$, das erste Release seit elf Jahren, nach der Volksbühne. Das ist alles, 5K-Schranz, Wut, Klugheit, Schönheit, die eigene Sprache, die rasierten Seiten, das tätowierte Herz. 1992, 1994, 1997. Teile von uns waren immer hier.

One might say that everything was better back then. The girls were prettier, the parties wilder and the drugs better. Back then, The Aim of Design is to Define Space was the best band, which was more Berlin than Berlin was the Aim of Design is to Define Space.

Am Ende dann Schulzkys Aimriff, das immer sein muss, auch für mich. Good fucking day, ihr Bauern.

Das Atonal fügte sich auf neue Weise in dieses Jahr. Es gab nichts zu feiern, es gab nichts loszulassen. Es gab die Notwendigkeit von Input und Freiheit, die Notwendigkeit der einzigen Form von Spiritualität zu der ich in der Lage bin1. In einem weiteren Jahr stand ich also mit Hannes und David im Exoskelett des Industriezeitalters, wir tranken Wasser mit Wodka darin und sahen unsere Zukunft vor uns ausgebreitet.

Das Lineup 2019 kam uns entgegen. Viele der Projekte operierten hochkonzentriert, das Programm der Hauptbühne ließ sich ohne Pausen verfolgen. Im Ergeschoss wurde weniger instagramtauglich dekoriert und mehr inszeniert; die Disziplin Tanz ist eine ebenso naheliegende wie richtige Ergänzung für diese Veranstaltung.

Wie bereits vor zwei Jahren bemühte ich mich um Notizen, also darum, festzuhalten, was Raum und Sound mit meiner Kognition taten. Es erscheint mir relevant als Ergänzung der reinen Macht des Atonal im Jahr 2019.

In keiner spezifischen Reihenfolge oder Sprache:

Lee Gamble practises mantis origami and everything is liquified, the concrete carpace of Kraftwerk magically transformed. The ghost of raves past infects every bar Gamble is launching into the cavernous hall, all grooves that have been, resurrected to serve grim new purposes. We are witnessing 1994 being smashed and sliced into shards, made new, assembling crystalline parts of a bygone era into constructs resilient enough to withstand the atmospheric pressure of 2019. Viewed from the right angle with the right mind, shapes become recognizable, sticking out for a second before being re-incorporated into a heaving sonic architecture. The hall is drenched in blood red light. Everything stops.

As Allesandro Cordini is playing, a rift appears in the crowd and I am suddenly free: Bodies move, the crowd converges, both on screen and in physical space. Staub löst sich von allem ab, und irgendwann auf jedem, denke ich, und dann: This isn’t beauty, This is the rest of it. „Es bedeutet mir die Welt, das hier, alles, an diesem Ort in dieser Stadt in diesem Jahr“, sage ich zu David.

Mitra render the world in ice at psychotropic resolution. Like shaping a monument from pink noise, some imaginative somatic architecture made from organic matter, perpetually in the process of melting or freezing, ever transitioning. A 5K temple ruin in the shader world. Far away, a small figure is wailing, draped in light, veiled in concrete. A voice endlessly reverberating. The profound, old beauty of her song is almost too much to bear. I wish it would stop and continue for ever. The particle equalizer as an emitter of architecture is followed by the magic of a repectfully receding virtual camera, as distant dwellings slowly fade out of view.

Soft/hard, coexisting like matter and antimatter, creating perfect stasis. Ich bin hier mit niemandem, ein Haus stürzt ein in perfekter Stille, und darum in Zeitlupe. The silence of walking in empty nights. The silence of imagination. The silence after they stop. The silence after pressing play. Der dringende Wunsch dieser Gruppe, hier und jetzt nicht zu existieren, aufzugehen in konzentrierter Musik. Vor vier jahren schrieb ich über Severe: „Kein Zögern, keine Unsicherheit hier. (…) Klar, präzise, mit überaus hoher Dichte.“ (My Disco)

Über die Performance von Objekt und Ezra Miller schließlich kann ich wenig Kluges sagen, die Notizen sind undeutlich, bereits als ich sie schreibe. Dieses Set ist eine Kata aus Licht und Sound, deren Bewegungen mit jeder Wiederholung an Kraft und Nachdruck gewinnen. Dieses Licht: zumeist in der Horizontalen in das Publikum gerichtet, Licht der zweiten Person Plural: Wir sind die Empfänger, wir sind die Leinwand. Schließlich, der Moment dieser beiden Tage: Das Vocal-Sample und dann Love inna Basement, niemand hier kann es fassen, jede Konzentration explodiert. Für zwanzig Minuten ist hier nichts zu denken, reine Körpersache, ansatzlose Ruhe im Pandämonium. Das große Rave-Versprechen ist wahr (es ist nun genug gedacht worden).

Pablo’s Eye present a performance about weather, visuals sublimating, ever-new suns rising and fading away. There is a generality, an all-encompassing perspective to this performance, that transcends the boundaries of even this venue. „He wondered what new weather she had divined/It was night and the city orange“.


  1. In dieser Hinsicht sind die Nächte im Kraftwerk vergleichbar mit den Tagen in japanischen Gärten: eine Bank, ein Teehaus, eine Kathedrale und die Unfassbarkeit der geformten Umgebung. 

August

Schreiben ist Gestaltung, Schreiben ist ästhetisches Handeln. „Ich betrachte die Methode mit viel mehr Zuneigung als die Ergebnisse“, wie Paul Valéry sagt, und ich stimme zu. Es ist schwer zu leugnen zumal in dieser Publikation. Ich glaube an die Chance, etwas auf Weisen zu sagen, bei denen der Tonfall einen Unterschied macht: Text als Perspektive. Text im weiten Sinne, Text dessen formale Beschaffenheit wesentlicher Grund für Wahrnehmung und Innehalten ist. Poetisches Theoretisieren, zu einem gewissen Grad.

Web Design as architecture ist ein solcher Text. Es ist ein Vorschlag für eine einfache, aber interessante, holistische Perspektive auf die Gestaltung von Websites. Er geht zurück auf meine Unzufriedenheit mit dem Diskurs über digitale Gestaltung. Webdesign als Architektur zu denken, hilft mir zu verstehen, was Gestaltung in diesem Zusammenhang bedeuten kann – und dabei, dieser Disziplin ästhetisch und gesellschaftlich verantwortungsvoll nachzugehen. Es ist der Kern dessen, was wir bei WAF GMBH versuchen.

Ich habe aus diesem Vorschlag eine sehr einfache Website (http://www–arc.com) und einen deutlich komplexeren Are.na-Channel1 gemacht. Beide stießen auf eine gewisse Aufmerksamkeit. Auf Einladung von Grafill2, der norwegischen Assoziation für Grafikdesign habe auf dieser Grundlage einen etwas kohärenteren und weiter führenden Vortrag geschrieben, den ich im Mai in Oslo halten durfte.

Web Design as architecture, Promotional Visual

Mein Versuch, eine gleichermaßen programmatische wie pragmatische Argumentation für Web Design as architecture vorzuschlagen, hat zumindest meinem Verständnis dieser Idee gedient.

Grafill waren wundervolle Gastgeberinnen und Gastgeber, die Gespräche nach dem Vortrag und nicht zuletzt ein Besuch bei Snøhetta wirken bis heute nach. Auch aus den Gesprächen in Oslo heraus versuche ich, meine Gedanken bei Are.na weiterzuführen. Es gibt eine Literaturliste, und diverse weitere Dinge, die ästhetisch und theoretisch von Bedeutung sind3, in idealen Fällen beides in gleichem Maße.

Ich möchte die Perspektive Web Design as architecture weiter denken, die zugehörige Website weiter entwickeln und eine ausgearbeitete Form des Vortrags für die kommende Konferenzsaison vorbereiten. Hinweise für passende Kontexte nehme ich gern – ebenso wie Diskurs, Kritik und Input. Are.na ist die geeignete Plattform für all dieses.


  1. Weiterhin meine liebste digitale Plattform für einige der spannenderen Anwendungen des Internets, ich habe das im vergangenen Jahr aufgeschrieben

  2. Diese Einladung bedeutet mir viel – ich verfolge Grafill und das angeschlossenne Visuelt-Festival seit vielen Jahren; im Grunde seit Non-Format als Protagonisten und Gestalter diese Plattformen maßgeblich geprägt haben. Non-Format haben mir viel über Grafikdesign beigebracht, nicht zuletzt hinsichtlich der Verhältnisse von Raum und Masse in visueller Gestaltung. Full Circle. 

  3. Beispielsweise: referenzierte Websites, referenzierte Bauwerke und bessere, kompaktere Formulierungen als solche, zu denen ich fähig bin. 

(Dieses Jahr verschiebt die Dinge, mit großer Ruhe, mit Nachdruck. Es ist keine Zeit der Krisen, es ist eine Zeit des Verstehens und des Handelns, des Freisetzens. 2019, Raum und Zeit.)

Vanity, das neue Release von Rainer Veil bei Modern Love ist eine stille Rückkehr. Sie folgt auf New Brutalism aus dem Jahr 2014. Nun zum ersten Mal auf Albumlänge ausgedehnt, wirkt der Ansatz des Duos aus Manchester in keiner Weise wie ein Debut – zu klar gebaut, zu fertig ausgeformt erschienen die bisherigen Veröffentlichungen. Das setzt sich in diesem Jahr fort: so vielschichtig der Sound auf Vanity ist, so kohärent und freigelegt sind die Bedingungen seiner Konstruktion: orthogonale Flächen leiten den Blick zu immer neuen Ansichten des Sounds. Jeder Track ist ein Perspektivwechsel, ein neuer Aufriss des gleichen Gebäudes.

Der architektonische Sound von Rainer Veil gewinnt an Tiefe und Abwechslung, zusammengehalten durch eine einheitliche Stimmung und ein ruhigen, beständigen Drive. Es ist die Schönheit des Vakuums in Gauze, das die geräuschvolle Stille beim Wenden der Platte zum Teil des Übergangs zu Third Sync macht. Den Leerstellen gegenüber steht die fortwährende Meditation über den fernen Geist von Jungle und UK Hardcore schwebt über dieser Platte.

Vanity legt sich über den Raum, in dem mein Schreibtisch steht. Sie füllt die Nacht mit einem schweren Grau. Es ist nicht das Grau des Covers1, sondern ein dunkles, warmes, komfortables Grau. Eine Art Audio-Eigengrau, not intricate but textural.

  • Rainer Veil – Vanity, 2×LP. Modern Love, 2019.

  1. Das übrigens in einer seltenen Verbindung aus Illustration und Argrarwirtschaft recht erfolgreich die Ruhe des Albums vermittelt. 

Juli

The mezzanine level of Sightglass is bustling at this time of the day, making the fact that the lower floor is designed to hold a maximum of ten patrons at full capacity all the more commendable.

Along the bar, a free as in coffee startup consultation is taking place, the vocal fry soothing over whatever deep domain experience, human ressources and management background is relayed to two young trucker-jackeded entrepreneurs. The phrase fermented time is uttered and followed by a pause for added effect.

Despite the amount of business conducted in the former warehouse, the overall mood remains calm and Californian. It’s friday after all. Down below, the barista adjusts the small red comb in his sizeable afro after pulling what is presumeably the four hundred twenty second espresso shot of the day. He wipes a hand on his Queen shirt, skull motif. It has been a long day. Outside, the clouds lay heavy and low on the sightlines to downtown and Telegraph Hill. A single slim figure disappears into the haze. The dogs keep barking and a week proceeds to wind down.

Sightglass Coffee, SoMa, San Francisco.

Rockmusik hat gemeinhin wenige Antworten auf meine Fragen dieser Jahre, unsinnig ist die Aufrichtigkeit und die unbeholfene Suche nach Ausdruck und Wahrheit hier und jetzt. Aber einmal in zwei Jahren scheint Raum für das Widersetzen, für den schönen Trotz und die Anmaßung zu sein, der Welt auf Augenhöhe entgegen zu treten. 2017 haben Belgrad ihr selbstbetiteltes erstes Album veröffentlicht, und es hat diese Zeit gebraucht, um zu mir zu finden1.

Belgrad ist eine schwarze Platte und eine schwarze Gruppe. Ein großes Gewicht zieht diese Musik nach unten, der Sog ist in jeder Minute spürbar. Nichts hier ist ironisch – acht Songs Schichtarbeit: Es ist das düstere Momentum schwerer Popmusik, das Wühlen im Selbst (ich muss an den Klappentext eines der blauen Bücher von Rainald Goetz denken, Wütend schritt ich voran). Musik für einen grimmigen, klaren Gemütszustand nicht ohne Schmerzen, aber ohne Kälte. Ich habe das schon einmal besser über ganz ähnliche Musik gesagt: Regen und Füße auf Asphalt, die Fundamente aller Dinge.

So wenig innovativ Belgrad ist, so klar seine Referenzen sind – so sorgsam ist alles zusammengesetzt, so taktil und freigelegt und ohne Affekt ist jedes Gefühl. Es ist zu spüren im Rauschen zu Beginn von Niemand, im öligen Groove von Eisengesicht und im Sustain und Release des monumentalen Ravetracks namens Westen: Nichts Aufrichtiges ist peinlich, nichts Furchtloses ist vergebens.

Beyond the train station, I look up. The grey sky refuses to let me feel anything.

  • Belgrad – s/t, LP. Zeitstrafe, 2017.

  1. Belgrad werden gerade Sarah’s Nachbarn, es ließ sich nicht vermeiden. 

The Heathrow Hilton is my favorite building in London. It’s part space-age hangar and part high-tech medical centre. It’s clearly a machine, and the spirit of Le Corbusier lives on in its minimal functionalism. […] Inside, it’s a highly theatrical space, dominated by its immense atrium. […] Most hotels are residential structures, but rightly the Heathrow Hilton plays down this role, accepting the total transcience that is its essence, and instead turns itself into a huge departure lounge, as befits an airpot annexe. Sitting in its atrium one becomes, briefly, a more advanced kind of human being. Within this remarkable building one feels no emotions and could never fall in love, or need to. — J.G.B, Notes on Love, Death, Architecture and Modernity. Kompiliert von Studio Muoto.

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