
Olympus µ × Fuji Neopan 400
September
Hamburg ist nicht reich an relevanten Publikationen, die sich mit populärer Kultur und sonstigen Geschehnissen der Wochenenden befassen. Darum ist es schade, dass sich die verbliebenen rar machen (looking your way, Boheme sur le Kiez) oder nicht mehr existieren. Um so schöner, dass Sabine und Malte von Affekt keinerlei Ermüdungserscheinungen zeigen, sondern dieser Tage ihren zweiten Geburstag feiern.
Und da Affekt nicht nur redet, sondern auch handelt, feiert es den großen Tag mit uns allen – und zwar am 9. September, in den Räumen des Lokal. Es gibt eine offene Ausstellung Hamburger Künstlerinnen und Künstler, Getränke, Musik und diese wunderbare Stimmung, wenn auf einer Party alles passt. Alles Weitere entnehmt Ihr bitte der Selbstbeschreibung der Ausrichter sowie diesem Reklamefilm und bestätigt anschließend eure Anwesenheit bei diesem Facebook-Event.
Ich werde vor Ort sein und gemeinsam mit dem famosen Lorin Strohm ein Set elektronischer Musik beisteuern. Kommt alle. Es wird wunderbar.
August
Im April wäre ich um ein Haar nach Barcelona geflogen, für ein Wochenende, um mir die Sammlung des MACBA anzusehen, einen Tag am Strand zu liegen und anschließend die erfreulichen architektonischen Wagnisse der olympische Promenade von 1992 zu betrachten. Mir ist im letzten Moment etwas Wichtiges dazwischen gekommen. Ich dachte, dass ich es in diesem Jahr nicht mehr dorthin schaffe. Ich habe mich geirrt. Eine Woche im August in Barcelona zu verbringen, ist zwar keine gute Idee, wenn man wert auf Subtilität und Ruhe legt – doch die Stadt wird ihrem Ruf gerecht: Stadtstrand, einfaches Leben, interessanter Beton, interessantes Durcheinander. Sechs Orte in Barcelona.
- Parc Forum (Karte)
Die Olypmischen Spiele von 1992 haben Barcelona geprägt – und nirgendwo wird es deutlicher als an der verlängerten Promenade entlang des Stadtstrandes. Camouflage-Marmor, ein Hang zum Bauhaus-Dreieck, Effektarchitektur. Umso erstaunlicher, dass diese Promenade mit einer Ansammlung harscher Betonstrukturen, dem Parc Forum endet. Das Forum ist so groß, dass man mit der richtigen Perspektive meinen könnte, die eckigen Pfeiler und Kuben seien übrige Gerippe einer vergangenen Zivilisation – und zwar einer, die sehr gute Schwimmbecken aus Holz und Beton ins Meer bauen konnte. Einer der schönsten urbanen Orte in Südeuropa. - Bestiari (Karte)
Gutes Essen ist einfach, am Mittelmeer – es genügt ein Markteinkauf und frisches Brot. Wenn es doch einmal mehr sein soll, ist das Bestiari mitten in El Born eine sehr gute Adresse. Die Küche hält sich mit wilden Fusion-Ideen zurückt und legt statt dessen Wert auf hochwertige Produkte und gutes Handwerk. Ich hatte Sashimi und ein Zandersteak. Beides minimal zubereitet und äußerst erfreulich. - Loreak Mendian (Karte)
Spanien ist ganz bestimmt nicht das Land für relevante Mode und erfolgreichen Kleiderkauf. Dennoch gibt es auch in Barcelona einige interessante Shops (vor allem: Comercial Man auf der Carrer del Rec). Zu ihnen gehört der Flagship Store des baskischen Labels Loreak Mendian – eine recht abenteuerliche Kombination aus Surf-Heritage und der klassischen Moderne. Das Ganze funktioniert erstaunlich gut, so lange man die Finger von den arg Streetwear-inspirierten Teilen lässt. - Negroni (Karte)
Kühle, dunkle Orte gibt es nicht unbedingt viele, in dieser Stadt. Das Negroni ist einer – eine kleine Bar mit genau drei Sitzplätzen, mit einem Interieur, das weitgehend aus Stahl besteht. Es gibt Jazz, einen tatsächlich einen sehr guten Negroni und ruhiges Understatement. Letzteres ist an einem Ort wie Barcelona eine Wohltat. - Inercia (Karte)
Ich kenne kaum eine Stadt, die besser geeignet ist, um mit dem Longboard in ihr herumzufahren. Perfekte Beton- und Teerwege, sanfte Hügel und eine wunderschöne Strecke entlang der Promenade, die am perfekten Carving Spot Parc Forum endet. Wer sein Brett nicht im Flugzeug mitnehmen möchte, kann sich bei Inercia eins leihen – für sehr okaye 15 Euro am Tag. Eins der besten Dinge, die man in Barcelona unternehmen kann. - MACBA (Karte)
Muss man nicht extra erwähnen, lohnt sich aber dennoch. Denn: Hinsichtlich seiner Sammlung fällt das MACBA zwar gegenüber dem Moderna Museet und der Tate Modern etwas ab, gewinnt dank des sehr guten Gebäudes von Richard Meier und seiner besonderen Lage in Raval einen eigenen Charakter. Tatsächlich ein schöner, ruhiger Ort. Unbedingt beachten: Die Fassade des CCCB im Innenhof hinter dem MACBA.
Fotos aus Barcelona gibt es in meinem Barcelona-Set bei Flickr. Ich habe diese Empfehlungen außerdem auch auf der sehr guten Plattform Mapalong veröffentlicht (Beachten sie hierzu auch diesen Aufruf.)
Seitdem sich die Idee des Startups vollständig als sinnvoller Modus Operandi für die Entwicklung digitaler Produkte und/oder die Schaffung sinnvoller Arbeitsbedingungen durchgesetzt hat, gibt es eine nachwachsende Menge Notify me!-Buttons zu klicken und Twitter-Accounts zu folgen. Das ist grundsätzlich begrüßen, allerdings sollte man mit solcherlei Commitment sparsam umgehen – es gibt so viel Langweiliges und noch mehr Unnötiges.
Hin und wieder lohnt sich das Interesse hingegen sehr. Hätte ich mich in den vergangenen beiden Jahren bei nur einer neuen Applikation anmelden dürfen – meine Wahl wäre auf Mapalong gefallen. Mapalong ist, was Google Maps (sinnvollerweise) fehlt – eine Infrastruktur, mit der sich Orte und Wege zu persönlichen Geschichten verbinden lassen. Wer schon einmal irgendwas erlebt hat (Besuch einer anderen Stadt, Fahrradtour, Essen gehen), weiß, dass das eine richtige Herangehensweise ist.
Bei Mapalong handelt es sich um das Seitenprojekt von Analog, was die Qualität des Interfaces erklärt. Momentan befindet sich die App in der geschlossenen Beta-Phase, ist aber hinsichtlich Gestaltung, Responsiveness und Funktionsumfang bereits jetzt unglaublich gut. Spätestens mit einer fertigen mobilen Version wird Mapalong der Ort für persönliche, ortsbezogene Informationen werden – und vielleicht ein bisschen das, was Dopplr nicht geworden ist.
Ich möchte gern, dass wir uns alle dort anmelden. Unsere Reisen werden schöner und die Geschichten zahlreicher werden. Mein Profil bei Mapalong ist via mapalong.com/electricgecko erreichbar.
Being aware/not having to
Es hat etwas für sich, den eigenen Musikgeschmack pro Jahr zu betrachten. Dabei zuzusehen, wie sich aus den wenigen relevanten neuen Alben, der Flut von 12″-Releases und dispersen Begegnungen mit Tracks und Platten der Vergangenheit nach zwölf Monaten ein konsistentes Ganzes ergibt. Egal, wie verloren ein Jahr im März aussehen mag – spätestens zum Sommer ist die definierende Musik vorhanden. Sich darauf verlassen zu können, ist schön.
Obwohl 2011 bisher nicht arm an guten Veröffentlichungen1 ist, habe ich mich sehr über die unwahrscheinliche Begegnung mit Lunapark gefreut. Es handelt sich dabei um eine Gruppe aus Wuppertal, die 1982 ein Album und eine 12″ veröffentlicht hat. Das ist wenig, doch vollkommen ausreichend – denn die Platte namens Gefangene Vögel ist fantastisch.
Lunapark balancieren zwischen ausgehendem Post-Punk und beginnendem Wave. Die Bassmelodie ist also dort, wo sie hingehört (vorne), ihr Synthie klingt roh und direkt, Gitarren sind für Soli und ansonsten Rhythmusinstrument. Alles hallt. Für den Gesang fällt mir nur der englische Ausdruck deadpan ein – eine angemessene Form für richtige Texte wie „Autos Kinder tausend Bilder / keine Resultate / bunte Tafeln an den Straßen zeigen nicht worauf ich warte“. Das Ergebnis ist konsequente Musik – simpel, funktional und hinreichend roh.
Lunapark hatten das Glück, sich aufzulösen, bevor sie Einflüsse zulassen konnten – schließlich einer der Hauptgründe für schlechter werdende Bands. Darum wird Gefangene Vögel eine meiner Platten des Jahres sein, ich bin mir sicher.
Da das offenbar andere ähnlich sehen, gibt es ein digitales Re-Release auf Tusk bei iTunes und eine Myspace-Seite. Das hatte man wohl so, Anfang der Achtziger.
- Lunapark – Gefangene Vögel, Digital (Tusk). Original: Vinyl, 1982 (InTakt).
Dirty Gold, Phono, Rau ↩
Juli
Es geht schnell, wenn die Entscheidung erst einmal gefallen ist. Darum sind die knapp fünfzig weiß gestrichenen Quadratmeter im Karoviertel kein leerer Raum mehr, sondern ein Studio. Weil Andreas und ich das so nennen, weil wir Tische gebaut und Wände gestrichen haben, weil es jetzt einen Plan gibt, für diesen Raum. Wir durften feststellen, dass die Geschichten der anderen wahr sind – wenn es dein Büro, deine Agentur, dein Laden ist, freust du dich über jedes Regalbrett und das Geräusch der neuen Türklingel.
Long story short – wir freuen uns so sehr, dass wir gern zeigen möchten, was wir gerade tun. Darum veröffentlichen wir ab sofort Fotos aus dem werdenden Studio. Dazu haben wir eine simple Website gestaltet: We Are building a digital design studio.
Es gibt eine Facebook-Seite und einen Twitter-Account. Nicht weil man das so macht, sondern weil wir etwas mitzuteilen haben werden. Weil wir was vorhaben, mit Hamburg.
Und wenn uns jemand fragt, wer wir sind, dann sagen wir: We Are Fellows.
Juni
Never do anything by chance. Never settle.
Es ist ja nicht so, dass man die Antwort bereits ausformuliert hätte, als Textdokument auf der Dropbox oder Draft in WordPress. Sie hängt schließlich sehr am Moment, an der überblickbaren Raumzeit also, die Antwort auf die Frage Wie soll dein Leben sein?
Ich habe keine Antwort, so ganz und für alles; und ich bemitleide Menschen, die sie haben. Dennoch gibt es Settings, die sich plausibel und richtig anfühlen, wenn man sie erklärt oder über sie nachdenkt. Für mich gehört dazu seit etwa zehn Jahren die Vorstellung, eine Tür in urbaner Umgebung aufzuschließen, mein Fahrrad in einen klaren, kargen Raum an die Wand zu lehnen, ein Notebook aufzuklappen – und zu tun, was ich tue: Websites gestalten. Ein eigenes Designstudio, das ist eine Checkbox auf der To-Do-Liste. Ich setze einen Haken.
Im Juli werde ich – gemeinsam mit Andreas ein kleines Studio für digitale Gestaltung eröffnen. Meinen Job in der Agentur habe ich gekündigt.
Wir haben das vergangene halbe Jahr darauf verwendet, uns zu überlegen, was wir wollen, was wir nicht wollen und was wir am besten können. Wir haben uns dafür entschieden, Design als Handwerk zu betrachten. Wir haben uns für Hamburg entschieden, gegen größere Strukturen. Es sind Entscheidungen für und gegen einige Dinge mehr gefallen. Ich bin dankbar für die großartige Hilfe, die wir dabei hatten. Ich bin dankbar für eure Ratschläge, eure Bedenken und all das Vertrauen.
Im Juli werde ich mein Fahrrad an Betonwände lehnen. Ich werde mein Handwerk betreiben, on my own terms, ich werde tun, was mir am meisten bedeutet. Ich werde weiterhin in Hamburg leben. Und wenn das alles gut geht, werde ich mir neue Wünsche für die Zukunft überlegen müssen.
Be your own reference
– Claude Draude.
Mai
Es gibt Momente, die setzen einen Ort auf die persönliche Landkarte. Oft sind es Augenblicke, in denen auf einmal Dinge zusammenkommen, in denen klar ist: das ist jetzt der Sound, das ist jetzt die Stadt, das sind die Menschen und hier ist mein Getränk. Es gab diesen Moment für mich, als ich gerade nach Hamburg gekommen war, am Ende eines langen Abends. Es war der Moment, in dem ich zum ersten Mal DJ Phonos Welcome to your Life gehört habe und dachte: Ah. Hamburg. Eine Begrüßung.
Seit dem folgenden Tag habe ich das Haus nicht mehr verlassen, ohne diesen Track bei mir zu haben, seine tiefen Flächen und das Läuten der Glocken des Michel am Ende. Im Grunde ist es Soulmusik – die Erkenntnis, alt geworden zu sein. Und das Bewusstsein, dass das nichts ändert.
Nicht nur wegen dieses Tracks (sondern auch wegen nicht eben wenigen Partys und Momente in der Sonne) ist es eine große Freude, dass Henning Besser im Juni sein erstes Album veröffentlichen wird. Und auch diese Platte ist eine Begrüßung, High-Five und Umarmung: Welcome to whereever you’re not. Ich habe bisher nur wenig gehört, doch was ich gehört habe, reicht aus um zu vermuten: Hier kommt eines der Alben des Jahres 2011. Eines, das spezifisch für Hamburg sein wird, weil es einem schwer macht, zwischen Traurigkeit und Schalk zu unterscheiden. Weil wir das hier so machen, in dieser Stadt. Diese Platte könnte den Sommer bedeuten.
- DJ Phono – Welcome to whereever you’re not, LP/MP3, Diynamic. Release: 13 Juni 2011.