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Staub/Rauschen

Der Reiz der fotografischen Auseinandersetzung mit einem Ort, einem Ereignis, einem Ding ist ihre Direktheit (nicht etwa die Unmittelbarkeit!). Sie ist die Grundlage des iconoclastic Turn und dem, was danach kam. Live-Selbstverortung, Live-Kontextualisierung und der Semiotisierung des Bildes: Ich nehme wahr und beweise damit, dass ich XYZ kenne/besitze/verstehe/zu fühlen in der Lage bin.

Das ist alles prima, und ich wäre ein schlechter Vertreter meiner Arbeit, würde ich nicht daran glauben und teilnehmen. Für meine Reise nach Japan hatte ich das Bedürfnis nach einem weiteren Kanal dieser Art. Allein: es gibt so viele, und sie ähneln sich.

Etwas weniger Direktheit wäre schön. Ein Medium, das ich schlechter kontrollieren kann, das weniger zur Semiotisierung taugt, etwas, das oszilliert. Mit meinem Flug gen Osten beginne ich also einen Kanal namens Calabi-Yau.

Calabi-Yau

Calabi-Yau is a sonic journal. It documents my journey to Japan (at the age of thirty) through a series of field recordings. Each point in spacetime radiates its own complicated topology.

Der letzte Satz ist der entscheidende. Mich interessiert die Zuordnung von Sounds zu Orten1 (darum der Name), und zwar eher solchen der individuellen Psychogeografie als solchen, die mit Gradzahlen und Datumsangaben zu bestimmen sind. Keine Motive, nur Staub und Rauschen.


  1. Eigentlich der Raumzeit, aber das liest sich schlecht. Zum Thema siehe auch dieses

Framing

Framing (v.), as in: dissecting, adding emphasis, pointing out.

The Hundreds in the Hands – Keep it Low, single Artwork

Ich hatte etwas übrig für die 2010er Releases von The Hundreds in the Hands, das interessante Gegenteil zu den unerträglichen The XX. Neben der Tatsache, dass inzwischen Till für das (abgebildete) Artwork der Gruppe verantwortlich ist, ein hinreichender Grund, der Promotion für das neue Album – Red Night – Aufmerksamkeit zu schenken. Turns out: Zu recht. Denn an Keep it Low, der ersten 12″, ist Andy Stott mit einem fantastischen Remix beteiligt. Schwerfällig und mit gesenktem Kopf stapft seine Version durch die verstaubte Dystopie, dass es nur so eine Art hat. Es ist die angemessenere Kulisse für Eleanore Everdells Stimme, wesentlich besser als die gestrippte Originalversion. Ich will das Haus nach Anbruch der Dunkelheit nicht mehr ohne diesen Track verlassen. Small things cast big Shadows.

Being in Black

Es ist schwer, über Mode zu sprechen ohne dies tautologisch, deskriptiv oder banal zu tun. Diejenigen, die es dennoch schaffen, sind selten Genrejournalistinnen und Genrejournalisten1 und noch seltener Modeschaffende selber. Es scheint, als bedürfe es in erster Linie eines guten Versuchsaufbaus, um interessante Aussagen über und Bilder von Mode zu einem sinnvollen Text zusammenzubringen.

Wim Wenders‘ Notebook on Cities and Clothes ist ein solcher Aufbau. Die Dokumentation spannt einen Raum, den Yohji Yamamoto auf beeindruckende Weise füllt – mit einer brüchigen, tastenden Analyse seiner eigenen Arbeit, einem Vorschlag. Ein Teil dieser Brüchigkeit mag der englischen Sprache geschuldet sein – und zwar weniger aufgrund der Tatsache, dass Yohji Yamamoto schlechtes Englisch spricht, als der Abwesenheit des großen ästhetischen Referenzrahmens seiner Muttersprache.

Interessant, wenn auch hinreichend verbreitet ist Yamamotos Interpretation des Wabi-Sabi in seinen Entwürfen – der Abneigung gegen die hundertprozentige, gegen die „richtige“ Lösung. Letztlich handelt es sich dabei um eine Formulierung der Konkurrenz zwischen Skill und Geschmack:

Human beings can’t make perfect things. When I make something symmetric, something a little too perfect, I always want to break it, destroy it a little.

Deutlicher und nahezu übertragbar auf die eigenen Erfahrungen, das eigene Versagen am Entwurf ist das zweite Thema. Die Auseinandersetzung mit sich selbst, mit dem Scheitern und der Unmöglichkeit, die eigene Arbeit beurteilen zu können: Become aware of your style. Don’t try to neglect it. Use it to get your message across.

Es ist zu exakt gleichen Teilen motivierend und einschüchternd, Yohji Yamamoto diese Dinge sagen zu hören – denn sein Beitrag zum Text des Films besteht weniger in den zitierbaren Inhalten als in der leisen Wucht seiner Persönlichkeit. Es ist ein Verdienst dieses Filmes, diese Aussagen auf diese Art und Weise möglich gemacht zu haben.

Ich empfehle Notebook on Cities and Clothes uneingeschränkt. Er ist eine bemerkenswert zeitlose Dokumentation der ästhetischen Beweggründe eines herausragenden Kreativen, weit über das Thema Mode hinaus.

Erstaunt stellt Wim Wenders während der Dreharbeiten in Tokio fest, dass sein kleiner, neuer Camcorder hier das angemessenere Werkzeug sei – ihre Bilder seien geeigneter als die der großen 35-Milimeter-Kamera. Konsequenterweise beschließt er seinen Film im Sommer 1989 mit der Frage: Will there be an electronic craft, an electronic craftsman?


  1. Das gilt insbesondere für digitale Medien; Publikationen auf dem Niveau von Mahret Kupkas Fashion & Art (inzwischen: modekoerper) oder der collagierten Eindringlichkeit von Lynn and Horst sind die Ausnahme. 

We Are building a Digital Design Studio

Es geht schnell, wenn die Entscheidung erst einmal gefallen ist. Darum sind die knapp fünfzig weiß gestrichenen Quadratmeter im Karoviertel kein leerer Raum mehr, sondern ein Studio. Weil Andreas und ich das so nennen, weil wir Tische gebaut und Wände gestrichen haben, weil es jetzt einen Plan gibt, für diesen Raum. Wir durften feststellen, dass die Geschichten der anderen wahr sind – wenn es dein Büro, deine Agentur, dein Laden ist, freust du dich über jedes Regalbrett und das Geräusch der neuen Türklingel.

Long story short – wir freuen uns so sehr, dass wir gern zeigen möchten, was wir gerade tun. Darum veröffentlichen wir ab sofort Fotos aus dem werdenden Studio. Dazu haben wir eine simple Website gestaltet: We Are building a digital design studio.

Es gibt eine Facebook-Seite und einen Twitter-Account. Nicht weil man das so macht, sondern weil wir etwas mitzuteilen haben werden. Weil wir was vorhaben, mit Hamburg.

Und wenn uns jemand fragt, wer wir sind, dann sagen wir: We Are Fellows.

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