electricgecko

Juli

There’s a childhood memory of a fire-red TDK cassette tape, brand and product markings silkscreened in gold on plastic. Side A’s first track was the Sister’s Temple of Love. I remember the tape crackling on my cousin’s cheap radio deck in 1987, and then a synth guitar riff squaling from tinny speakers, tortured and wailing, the most menacing thing I had ever heard. I was immediately fascinated. This came from a brooding and dark place, a place that had existed in my fantasies, the realms of Skeletor in Eternia.

Hearing this song made me realize that the world of imagination is close to ours, and through art and will, things could creep into our world, riding the black wind, inhabiting this other reality. I was scared, and I could not stop listening to it. In my beating heart I had learned that we do not have to be content. We get to live in many worlds of our own making. Along with scary things crawling from their dirty sewers, this is where our freedom is created: We run for cover in the temple of love, shine like thunder, cry like rain.

Mai

Wenn es Zeit und Stille gibt, arbeite ich an vielen Dingen zugleich. Ich gehe zwischen aufgestellten Leinwänden umher, einige beauftragt, einige aus freien Stücken begonnen, ich verteile Gedanken zwischen ihnen. Nach einer gewissen Zeit sind sie alle verunreinigt, Spuren der einen auf der anderen, Aspekte der gleichen Idee verteilt auf allen. Diese Verunreinigung wird für ihre Empfängerinnen immer unsichtbar bleiben, die Übersicht und Einsicht in die Schnittmengen der Arbeit wird ihnen fehlen.

Ich glaube, die Form meiner Gedanken macht diese Art zu arbeiten notwendig. Ich bin unfähig an irgendetwas zu arbeiten, meine einzige Hoffnung ist es, jede neue Aufgabe zu einem Teil der fortlaufenden Arbeit zu machen, die orthogonal zu allen Aufgaben verläuft. Das ist weder schlau noch dumm, es ist meine einzige Hoffnung.

Februar

Die Welt existiert in mir, ich bin die Welt und die Welt ist ich. Nichts außerhalb meiner Membranen hat sich jemals wirklich angefühlt. Sobald ich mich der Welt zuwende, wenn ich meinen Sinnen das Wahrnehmen erlaube, bin ich überwältigt, geflutet vom Realen, von intenser Existenz.

Allein mit ihr genügt wenig. Ein offenes Fenster, unter dem das Gras gewachsen ist, ein Computer und eine Schallplatte. Der Blick folgt den Linien der Gebäude in zerbrochenen Straßen. Ich verberge mich in ihren Winkeln, roaming scapes and traversing infrastructure. Verborgen, sicher, still. Zufrieden entkoppelt in der schwebenden Welt, solitudo, modo pax ad inveniendum.

Januar

er hatte die these jeder sei allein auf seiner welt angesichts des gedränges der körper in jeder straße stadt und u-bahn für überzogen gehalten eine sentimentale metapher für all jene die nicht ausgelastet sind schließlich aß und trank er mit freunden unternahm reisen und saß mit vielen anderen im kino das musste doch reichen und es reichte ja auch allen anderen wie es schien aber die frage wie der ist den die anderen sehen und wie sich dieser zu dem verhält den er sah fraß sich in ihn hinein weil er nicht leugnen konnte dass er nicht wusste wer das war den er im spiegel sah morgens ohne absicht

Siegfried J. Schmidt, Fragment, im Umschlag eines Briefs an mich im Jahr 2008. Die Frage, was Ich bedeuten soll verbindet uns weiterhin.

September

There are few question marks in my texts. Few exclamation marks, also. Mostly, my mode of expression seems to be the full stop, which has a calm definitiveness to it that I particularly enjoy. I don’t have questions for the world, and I don’t command its attention. I state how things ought to be.

Juli

Wenn mein Schreiben für diese Publikation zum Erliegen kommt, dann hat sich etwas verändert. Ich verliere dann das Interesse daran, wie Text hier erscheint, wie das Objekt Website aussieht und wie es sich verhält. Das ist regelmäßig vorgekommen, acht Mal seit 2004, seit zwanzig Jahren. Zuletzt irgendwann im verlorenen Ende des vergangenen Jahres, in der Nacht am Schreibtisch, mit Kopfhörern dem letzten Mond gegenüber.

Ich habe für diese achte Version nicht nur eine neue Form der Gestaltung gesucht, sondern auch eine neue Form von Text und Veröffentlichung. Ich habe sie in meinen Jahresbänden gefunden, Dateien in Plaintext, in denen sich vieles in meinem Leben vollzieht, bis sie im Verlauf eines Jahres großen Umfang erlangen und beiseite gelegt werden. Diese Version von electricgecko.de veröffentlicht aus diesen Dateien in rascherer Folge als zuvor, unvollständig, redigiert und direkt. Momentum und Textform sollten sich der Idee eines Blogs nähern, wie wir sie in den ersten Jahren dieses Jahrtausends gemeinsam hatten. Darstellung und Ausrichtung folgt internen Logiken, ohne weitere Erklärung.

(Wie manches in meinem Leben ist das Repository nun ein Are.na-Channel, dynamischer und anschlussfähiger. Mir gefällt wie sein Abbild hier nun aussieht: Eine Aufschichtung von brauchbarem Material, eine Umgebung aus Texten und Bildern.)

Das ist: Eine Bestätigung von Text als Form meines Denkens. Bestätigung von Text als direkter Text, hermetischer Text, englischer Text, deutscher Text, als meine eigenartige sachliche Poesie. Parole und Autosuggestion. Schreiben als notwendige Markierung dessen, was eine Rolle spielt. Besitznahme der eigenen Arbeit. Auseinandersetzung, hier und jetzt schreiben. Diese Website ist ein psychologisches zu Hause, einer der dauerhaftesten Orte meines Lebens. electricgecko, Texte.

My writing has to continue, when passing through phases of little input, or non-textual kinds of inputs. It has to find its form and its presence and a way into the world, as fragments and slivers, piercing fragile skin here or far away. In order for writing to happen, reading must happen.

Schreiben heißt veröffentlichen, zuerst vor sich selbst. Das in einem Befindliche, die Wahrnehmungen und Gedanken treten dem Schreiber im Geschriebenen offen sichtbar, klar fixiert gegenüber, erst dort kann er die Worte, die bisher nur in ihm waren, als gedachte oder gehörte, auch wirklich SEHEN.

Rainald Goetz, Leben und Schreiben (2012) in: wrong, 49. Suhrkamp, 2024.

Mai

Learning to work slowly, in wide circles, consuming much time and creating large intervals. Leaving space for your self to show up. Less frantically oriented towards output, and not focused necessarily on improving, but living with the thing your are making, walking with it for a while and leaving it behind, to look towards the sky and read the books. Eventually arriving at something you can let go effortlessly.

April

Eine permeable Persönlichkeitsschicht, durch die Licht und flüchtige Substanzen in das Selbst eindringen können. Es gibt die Möglichkeit, andere Dinge zu tun als die Dinge, die ich immer tue. Verlass die Stadt, eine andere Sonne, andere Luft.

Ein Nuklid in der Stickstuffgruppe, überhaupt Stickstoffe, eine Art gegenteilige Luft: eine farblose, kalte, helle, hochenergetische Situation.

Dezember

Ich habe hier wenig veröffentlicht, in diesem Jahr. Solche Zeiten sind drei oder vier Mal vorgekommen, seit ich diese Publikation 2004 begann. Meist bedeutet es, dass meine Gedanken nicht mehr in die Form dieses Ortes passen, dass ich keine Texte schreiben möchte, die dann hier so aussehen. In diesen Momenten hat sich die Gestaltung dieser Website verändert, sie passte sich Hamburg an und wurde gedämpft als ich aus Japan zurückkehrte, gesperrte Arial auf dunklem Grund. Diese siebte Version ist einfach und präsent. Es ist seit längerem Zeit für eine neue Form, aber sie existiert noch nicht.

In diesem Fall bedeutet die Pause auch, dass ich lerne, mich meiner Sucht nach Disziplin weniger konsequent zu unterwerfen, sie mir zu Diensten zu machen. Schreiben nicht aus Verantwortung vor freitragenden Prinzipien, sondern schreiben weil ich will. Es gibt viele Texte aus diesem Jahr – aber ich habe geringeres Interesse am ausgearbeiteten Resultat, nach dem die aktuelle Form dieser Website verlangt.

Mir ist bewusst, dass ich mir das alles nur einbilde und ausdenke. Es gibt keine Gründe und ich trage keine Verantwortung. Dieser Ort ist frei, der Veränderung Gestalt zu geben. In kurzer Zeit.

Ältere Texte über Selbstreferenz