electricgecko

Dezember

Das Ziel schien wieder etwas weniger klar, in diesem Jahr, aber der Zustand des Unterwegsseins um so schöner und vertrauter. In Transit zu sein, durchweht zu werden, von den Orten und ihren Atmosphären, das ist erstrebenswert und soll so weitergehen. Weiter mit euch zu sein und unserer unzeitgemäßen Fähigkeit zu strong ties, und tatsächlichem Interesse an den Dingen und nicht ihrer Politik, das war das Beste an der Fortbewegung.

Ich war zurück an den Orten, an denen ich wirkliche Ruhe zu empfinden in der Lage bin. Meine Zeit und meine Gedanken im Garten von Hōkoku-ji, Sogetsu Kaikan, die glühenden Straßen in der Nacht von Daikanyama und mein Gespräch mit Koichi Kimura über Teeschalen und die Schönheit von Schwarz und Grün – diese Orte in der intellektuellen, emotionalen und physischen Reichweite zu haben, das ist eine Sache, über die ich nichts empfinden kann als große, ungerichtete Dankbarkeit.

Idiosynkrasie: Die anmaßende Überzeugung, die eigene Art und Weise zu handeln sei valide – das war von den Besten zu lernen, in diesem Jahr. Es ist außerordentlich befreiend, nicht Teil des Wettbewerbs zu sein, die Prämissen von Erfolg und Misserfolg selber zu definieren. Pick your fights wisely. Onwards, with supreme confidence.

Musik der Zeiten und Orte des Jahres 2015.

Winter

  • Oppenheimer Analysis – The Devil’s Dancers
  • Masta Ace – People in my Hood
  • DJ Koze – 40 Love
  • Kraftwerk – Tour de France (Etape 2)
  • Aphex Twin – Fork Rave
  • Vril – Portal 3
  • 18+ – Crow
  • The Soft Moon – Far
  • D5 – Floatation Tank
  • STP – The Fall
  • OG Maco – 5 A.M In LA
  • New Order – Video 5–6–8

Frühling

  • WK7 – Higher Power
  • Egyptrixx – Mirror Etched On Shards Of Amethyst
  • Jungle – The Heat
  • Bok Bok – Funkiest (Be Yourself)
  • Messer – Abel Nema
  • ADR – Stray Dog Strut
  • Lee Gamble – Nueme
  • Ghostface Killah – The Faster Blade
  • Grimm Doza – Intergalactic
  • Egyptrixx – Water
  • WK7 – Higher Power
  • Aliceeffect – In Virtue and Truth, not Power
  • Zum Goldenen Schwarm – Übergang

Sommer

  • Orson Wells – Open Light
  • Monomood – Greyzone
  • QY – Ghoul
  • The KVB – Pray to the Light Machine
  • Ital – Whispers in the Dark
  • Helm – Fluid CLoak
  • Sandwell District – Svar (Graz Version)
  • Shark Vegas – You hurt Me
  • U–God – Rumble
  • Ligovskoï – Labiate (Abdulla Rashim Remix)
  • Acronym – Realisation
  • Regis – White Stains
  • Monomood – Absorbtion
  • The Black Keys – Fever

Herbst

  • Anne Clark – Sleeper in Metropolis
  • Byetone – Heart
  • Einstürzende Neubauten – Sehnsucht (live, Berlin 1983)
  • anbb – Electricity is Fiction
  • GZA – Swordsman
  • Sten – City of Dust
  • STL – Silent State
  • Cut Copy – Sun God
  • Ital Tek – Mega City Industry
  • Vangelis – Blade Runner Blues
  • Efdemin – No Exit
  • Kassem Mosse – Untitled (B4)

Winter

  • D5 – Transglide
  • Ryan Elliott – Smith Lake
  • Helena Hauff – Sworn to Secrecy (Part I & II)
  • Scratch Massive – Pleine Lune
  • Abdulla Rashim – A Shell of Speed
  • Ital Tek – Universal Decay
  • Stieber Twins – Schlangen sind giftig (Figub Brazlevic Remix)
  • Helena Hauff – Spur
  • My Disco – Recede
  • Lee Gamle – B23 Steelhouse
  • Acronym – Siege

Sets

November

The most perfect track/this place in space-time

Die Luft ist kühl und trocken, im Erdgeschoss des Sogetsu Kaikan, in Minato-ku, Tokyo. Das mag mit den großen Mengen Granit im Foyer des Gebäudes zu tun haben, oder mit dem Oktober in dieser Stadt. Es ist niemand hier. Vermutlich gibt es eine Art Hausmeister, sein Platz ist verlassen, der Empfangstresen ebenso. Der Granitgarten ist zwei Geschosse hoch geschichtet, ein Stapel verschachtelter Plateaus. Wo es notwendig ist, sind sie durch wenige Treppenstufen verbunden. Fließendes Wasser ist das einzige Geräusch, abgesehen von den kaum hörbaren Schritten meiner Air Rift auf dem grauen Stein. Ich bin in Ruhe, im Arrangement aus Raum und Licht und Nichts: Heaven, gestaltet von Isamu Noguchi, 1978.

Wie so häufig in Japan ist der Kontext, das Zwischen den Dingen, der zu betrachtende Aspekt. Die Granitsituation findet in einem Gebäude statt, das Kenzo Tange Mitte der siebziger Jahre entworfen hat. Das heißt: es geht um Glas und Licht und Stahl, um den Kontrast zwischen Material und Nichtmaterial. Das Foyer ist schwer und leicht zugleich. Ich stehe im Zentrum, im *Ma* des Arrangements, umgeben von Architektur, die sich darauf beschränkt, das Licht des Raumes zu lenken. Quiet, staggering beauty, both grounded and ephemeral. Ich bin auf eine Weise ruhig, zu der ich nur in diesem Land fähig bin.

In einem zwölf meter langen Glaskubus oberhalb des Foyers hat vor kurzem ein Ableger von Switch Coffee eröffnet. Ich steige die Treppe hinauf und betrete den Raum, der das Foyer wie der Oberrang eines Theatersaals die Bühne überblickt. Das Café ist leer, ein langer Tresen für den einzigen Angestellten. Ein langer Tresen auch für die Gäste, die Oberfläche aus spiegelglattem Stein, der die Spots der Deckenbeleuchtung unscharf zurückwirft. Abgesehen vom Barkeeper und mir ist niemand hier. Ein kalter Espresso, ich nehme Platz.

Musik füllt diesen Raum. Unten im Granitgarten war davon nichts zu hören, doch der Raumklang hier im Kubus ist exzellent. Während ich auf den Kaffee warte, schichtet sich Soundfläche auf Soundfläche, drei wechselnde Basslinien, Tamburin, Perkussion. Irgendwo sehr weit hinten verhallen Gitarren. Darunter stoische 4/4-Motorik, 108 BPM. Immer nur vorwärts, immer weiter nach oben. Alles schiebt. Die Welt geht auf, ein goldener Moment.

Ich bin hingerissen von diesem Ort und diesem Klang, von seiner Klarheit und seiner Wärme. Ich vermute ein zeitgenössisches Tape Tokyoter Neo-Krautrock-Otakus – und liege äußerst daneben. Denn wie der Barkeeper und ich gemeinsam herausfinden, hören wir den fünfzehn Minuten langen Outro-Track der Cut-Copy-Platte1 namens Zonoscope. Ich lese den Titel und muss grinsen: Sun God.

Die unwahrscheinliche Passung aus Musik und meiner verkopften Psychogeografie, das Licht im Foyer, dieser geheime Ort, versteckt mitten in der Öffentlichkeit – das alles ist viel zu schön und kohärent. Ich war dort, an diesem Ort zu dieser Zeit. Ich muss aufnehmen, und aufschreiben wie es war, und daran scheitern. No adequate gesture for beauty/beauty remains in the impossibilities of the body.


  1. Genau, Cut Copy. Die Gruppe, die damals zu spät kam, als wir den letzten Kater unserer Elektroclashparties gerade ausgeschlafen hatten. Sie haben einfach weitergemacht. 

Oktober

We have come full circle. Appropriation and re-contextualisation in popular culture has eclipsed real-time. There is no way of telling simulacra from the efforts they are referencing. The distinction between wave and particle is impossible, and more importantly: irrelevant. Authenticity is over. The distribution and critique systems of music and pop culture are over. Shared subcultural expectations are over. Neither expect a system, nor a name and a website. Everything must be examined following art’s operational difference: Is it interesting? The discourse of taste has become ubiquitous, and our nonlinear, non-ontological scientific education proves worthwhile.

September

Vor 738 Tagen saß ich in Ginza an einem niedrigen Tresen aus Holz, wenige Stunden vor meiner Abreise aus Japan. In einer Hand eine Lackschale, in der anderen Hand mein Telefon. Nachdem der Upload meines letzten Field Recordings abgeschlossen ist, trinke ich meine Akamiso aus, verlasse das aus Holz errichtete Restaurant und mache mich durch die Massen und den Regen auf den Weg nach Narita.

Es ist Japan für mich. Die Zurücknahme und der Exzess, die nahtlose Fügung. Die haptische Qualität der Realität. Das Gefühl, alles bestehe aus anderem Material, aus chemischen Elementen, die nirgendwo anders auf der Welt vorhanden sind. Mirror-World, Regressunterbrecher, Kontingenzeinsicht. Ich werde wieder Zeit in Japan verbringen, keine Reise, mehr anwesend sein, bevor es 800 Tage sind.

Ich werde wieder Calabi–Yau (Soundcloud, Tumblr) verwenden, um Ort und Zeit aufzuzeichnen. Geringe Ausschläge, aufgenommen mit unzureichendem Equipment und wenig Kenntnis: Das Atmen der Lichter, Miegakure, der leichte Wind im Hof von Omotesandō Coffee, die Abwesenheit von Allem.

„Whether the world exists or not, I don’t know. I saw things as they should have been, not as they are.“

Calabi—Yau (2015)

August

In einem Explosionsexzess hatte Albert Oehlen sich der Wahrheit ausgeliefert, dass der Gegenwartsmoment keinen Trost, keine Träume, kein mittleres gemütliches Schuriburi und auch nicht mehr, wie noch die neuen Bilder in Wien vor fünf Jahren etwa, Wohnung, Möbel, Innenräume schön schräg und wohlig anzubieten hatte, sondern nur noch das öffentliche Geschrei, den maximal grellen Terror der Waren, des Geldes, das war eine Kapitalismuskritik ohne Hoffnung, die Bilder waren Wahrheit pur, der Horror usw.R.G., bezugnehmend auf Albert Oehlens Bild b/w.

Januar

I tend to look at identity as something that can be controlled, sculpted, improved. I am a big fan of self-invention. I’ve been clinical with mine.R.O.

Dezember

Am Ende des Jahres finde ich mich vor den Fenstern eines hohen Raumes wieder, von dem ich vor zwölf Monaten nicht wusste, dass er existiert, nicht für mich und nicht in der Welt. In Ruhe gelassen in formloser Zeit, git push, die schweren Schuhe und Genmaicha einander abwechselnd. Gute Settings zu erkennen, sie herzustellen und ihnen zu folgen, das ist eine ernstzunehmende Aufgabe. Mit der Zeit scheinen die einfachen Ratschläge sinnvoll zu werden, und die Unterbrechung der Geschwindigkeit notwendig.

Ich habe einen großen Teil des Jahres 2014 damit verbracht, Musashi zu lesen, die große Erklärung des japanischen Weltzustands anhand seines prägenden Jahrhunderts. Es hat viele Stunden gedauert, diesen Text zu verstehen, seine Komplexität und seine Einfachheit anzunehmen und das eigene Verständnis zu finden. Die Lektüre war eines der signifikanten Ereignisse meines Jahres, und in seiner Langsamkeit und Routine maßgebend für vieles andere. Eat your rice, drink your tea, wear your clothes.

Schließlich: Jahreszeiten und ihre Tracks. Signifikant, Teil von Settings und Personen. Protokolliert in Transit, starrend auf die Devices, die alles enthalten sollen.

Winter

  • Mobb Deep – The Start of your Ending (41st Side)
  • Real Lies – North Circular
  • Laurel Halo – Ainnome
  • Patten – Re-Edit13
  • Peter van Hoesen – Seven, Green and Black (SCB Edit)
  • Samuel Kerridge – Death is upon us
  • Rainer Veil – Three Day Jag
  • Kareem – Downfall
  • Darkside – Metatron
  • Claude Young – Hawking Radiation
  • Ø – Syvyydessa Kimallus

Frühling

  • Messer – Staub
  • Polar Inertia – Antimatter
  • Manuel Göttsching – E2E4
  • Thompson Twins – Love on your Side
  • Efdemin – Track 93
  • Cold Cave – Don’t Blow up the Moon
  • Millie & Andrea – Stay Ugly
  • Pantha Du Prince – Lauter
  • Carsten Jost – Love
  • Rick Wade – Naomi
  • Kyoka – Flashback
  • Charizma & Peanut Butter Wolf – Methods
  • Messer – Lügen
  • Byetone – Black Peace

Sommer

  • Darkside – Heart
  • Circuit Diagram – Amanar
  • Inhalt – Black Sun (Timothy J Fairplay Remix)
  • Fennesz – Sav
  • Millie & Andrea – Spectral Source
  • Sleaford Mods – Tied up in Nottz
  • Diamond Version – Feel the Freedom
  • New Order – Turn the Heater On
  • Aoki Takamasa – Rhythm Variation 02
  • Carsten Nicolai – Zone 01
  • Messer – Gassenhauer (All diese Gewalt Remix)
  • Alva Noto – Xerrox Phaser Acat 1

Herbst

  • Atrium Carceri – Crusted Neon
  • Vril – Torus II
  • Lanzo – Hepburn
  • Giorgio Moroder – The Chase
  • The Horrors – Falling Star
  • Quiet Village – Desperate Hours
  • MIT – Elektronix
  • Matatabi & Madrob – Gong
  • Innerspace Halflife – Phazzled
  • Sendai – Triangle Solution
  • Von Spar – V.S.O.P.
  • Vril – Torus XXXII
  • SNTS – N4

Winter

  • Andy Stott – Science and Industry
  • Senking – Shading
  • Pantha du Prince – Satin Drone
  • Von Spar – One Human Minute
  • Objekt – Glanzfeld
  • DAF – Ich und die Wirklichkeit
  • New Order – Mesh
  • Silent Servant – Process
  • Dino Spiluttini – Anxiety
  • Kraftwerk – Musique Nonstop
  • Objekt – Strays
  • The Soft Moon – Black

Es gibt eine Spotify-Playlist, der vieles fehlt, was interessant und komplex ist. Flatrates sind kein Format für ernstzunehmende Musik.

Sets

Am schlimmsten ist die Organisation der Dinge der Welt nach der Häufigkeit ihrer Benutzung. Am meisten/am häufigsten/andere haben auch, Discover. Nichts Häufiges war jemals interessant, hat etwas bewegt oder mich aufmerken lassen, für einige Sekunden. Raw Data, Tief und Weit, das endlos zu durchwatende Feld ist der Schutz des Brauchbaren. Jedes Einzelne ansehen, betrachten, ordnen, ausordnen. Keine Abkürzung, keine vereinfachter Zugang. Waten durch das viele, Security through obscurity.

September

Delicately swooping lines in framed portrait drawings (all of them signed with „J.A.“) are contrasted by floor tiles that have been jointed with maximum accuracy. While the latter make up a neat grid, the former are distributed across the two-storey space in erratic fashion.

Ivory white dominates. Floor, walls and the marble counter – all shine freshly scrubbed. The mezzanine floor is lined with cast iron railing, its walls sporting further efforts from the steady hands of „J.A.“. A faint smell of cardamom lingers. The place feels vaguely colonial.

Patrons line the bar, opposed by a team of bulky bartenders, going about their business in bustling fashion. No fewer than two red T-Shirts and the simply flavoured drinks somewhat betray the room’s visual quality. A young woman and her date are seated in plain sight. On her left shoulder, a greenish blob of a bear is chasing a red balloon into great unknown plains.

  • Ramona, Green Point, New York.

Purposefully searching out the non-places of urban infrastructure. Not hidden behind walls and in concrete caves, but shrouded in plain sight. Resting in the spaces untouched by most eyes. The beauty and elegance of mute colours and mundane appearances, apparent to everyone with a heart to see and a trained perception to witness. (Berlin 2/8)

Neuere Texte über Leben

Ältere Texte über Leben