electricgecko

April

Kuala Lumpur ist weniger eine Stadt als die südostasiatische Version des Sprawl – das Substantiv im Gibsonschen Sinne, nicht das Verb im Infinitiv. Es ist ein für europäische und (noch) zeitgenössische Verhältnisse unkontrolliert wachsendes Geflecht aus Tradition, Pragmatismus, dem Technologismus des vergangenen Jahrtausends und dem simplen Prinzip der Verdrängung: Masse erzeugt Druck und erschließt in der Folge Wege und Raum.

Somehow everything is infrastructure here1, und interessanterweise scheinen ihre Komponenten ihren eigenen Codices zu folgen. In dieser Hinsicht entspricht Kuala Lumpur seinem Land. Malaysia bezieht Identität aus Multikulturalität: muslimische Prägung, ethnische Bevölkerungsgruppen aus Indien und China sowie eine trotz allem spürbare indigene Präsenz.

In Kuala Lumpur ist das an wenigen Orten so evident wie am Central Market am Rande von Chinatown. Es ist sicherlich ein chinesisches Viertel wie es im ostasiatischen Raum häufig zu finden ist (think Garküche, tech repair shack, unlikely Yeezy colorways) – doch es ist durchdrungen von den Vibes und der Haptik des mittleren Ostens. Der Dayabumi-Komplex überragt das kleine Viertel wie ein Architektur gewordener Konjunktiv: Ein Turm ornamentierter Geradlinigkeit, ein entschlossener Entwurf, on point in seiner Slickness (und vermutlich eines der schönsten Gebäude, die ich gesehen habe).

Das Durcheinander Kuala Lumpurs ist bestimmt von Kontrasten wie diesen, zu denen mir kein adäquater Vergleich einfällt. Alles hier war niemals prä- oder post-, es ist urbane Biologie, das über-, unter- und ineinander Verwachsen in alle Richtungen, möglicherweise die Entsprechung des malayischen Dschungels. Drei Orte in Kuala Lumpur.

  • (Karte)

    Zu mehr oder weniger großen Teilen ist Kuala Lumpur ein Street Food Market, und war es bereits bevor dieser einigermaßen doofe Begriff existierte. Die Hawker Stalls (das ist ein Ausdruck) von Bukit Bintang (Jalan Alang und so weiter) durchzuprobieren ist eine lebensabschnittfüllende Aufgabe – und zugleich Kulisse für ein akkurates Cosplay der Ramen/Recruiting-Szene aus Blade Runner. Daher ist es praktisch, dass unter dem Namen Lot 10 eine Auswahl der besten und langlebigsten Street Food Stalls in den Keller einer Mall gedrängt wurde. Die Entscheidung zwischen Hokkien Mee, Roti Cannai, vielerlei Dumplings, Naan-Varianten und hundert anderen Optionen fällt dennoch hinreichend schwer. Alles hier ist von exzellenter Qualität und in vielen Fällen durch mehrere Generationen einer Familie erprobt und verbessert. Stressfreude erster Güte.

  • Feeka Coffee Roasters

    (Karte)

    Bukit Bintang ist das interessante Viertel in Kuala Lumpur – die Grenze zu unerträglich ist allerdings einigermaßen fließend, auf eine ähnliche Weise wie es in Itaewon der Fall ist. Beim Versuch, Amusement und expatkompatibler guter Laune aus dem Weg zu gehen, führte mich mein Weg an Feeka vorbei. Wie der Name vermuten lässt, handelt es sich um den lokalen Ort für Third-Wave-Kaffee, Gebäck und gute Vibes. Interessant, weil spezifisch, ist die Raumsituation: zwei kahle Geschosse, eine gerüstartige Terasse, Sitzplätze zwischen großen Blättern. Ruhe, wie sie nur in einem verlorenem Karton im tosenden Regen einer Stadt wie Kuala Lumpur existieren kann.

  • Tsujiri

    (Karte)

    In Kuala Lumpur gibt es eine Isetan-Dependance. Der Grund, auf dem dieses Kaufhaus steht, sollte japanisches Staatsgebiet sein – ein Besuch entspricht einem Augenblick Tokyo, in Ruhe und Schönheit. Das gilt im Besonderen für das Erdgeschoss und die Delikatessenabteilung im Untergeschoss. Abgesehen von 35 Sorten Junmai und Bento für Unterwegs gibt es hier in einem Halbrund eine Tsujiri-Filiale. Ihre Angestellten verkaufen die besten teebasierten Desserts der Welt. Chiffon-Kuchen, Hojicha-Bisquit, Matcha-Eiscreme, Matcha-Floats, Azuki – alles ist von perfekter Form und ebensolchem Geschmack. Eine Erinnerung an Omotesandō, samt seiner stillen Wärme und dem Grün und Schwarz. Unerwartet und in seiner gänzlich unmalayischen Auszeit-Erfahrung unbedingt einen Besuch wert.


  1. William Gibson – Disneyland with the Death Penalty, Wired (1993). 

Mai

Mailand ist eine gleichermaßen modern wie materiell. Was den urbanen Raum angeht, ist die Stadt ihren Nachbarn im Norden (Como, Bergamo und die italienische Schweiz) näher als der Toskana und den historisierten Orten ihrer südlichen Umgebung. Im Gegensatz zu Florenz und Siena ist die Entwicklung der Stadt auf die Gegenwart bezogen – und wie zu erwarten, findet sie hier in der (Innen-) Architektur ihren prägnanten Ausdruck.

Das Neue in Mailand hat seine Basis in Ideen, die in der Stadt verwurzelt sind. Die zeitgemäße Fortführung dieser Ideen führt zu bemerkenswerten Orten und Situationen, im Stadtraum und den Räumen der Stadt. Das Ergebnis ist eine Moderne im Dienst des gesellschaftlichen Moments, häufig mühelos aber stets bestimmt. Der Luxus dieser Stadt liegt in ihren Materialien und den Umgebungen, die sie schafft. Über einige davon habe ich mich bei meinem Besuch im April und Mai sehr gefreut.

  • Bosco Verticale/Porta Nuova

    (Karte)

    Überall in Mailand fügen sich Balkons und offene Dächer zu begrünten Terrassenkomplexen. Das ist richtig und naheliegend für diese Stadt. Es ist sehr erfreulich, dass diese Erkenntnis in stadtplanerischen Ausschüssen bestand hatte – und zur Akzeptanz einer solch konsequenten Lösung wie den Bosco-Verticale-Türmen führte. Bosco Verticale ist die Fortsetzung begrünter Dächer als Arkologie der Gegenwart. Die Farben des Komlexes sind bemerkenswert – die Palette aus Weiß, Schwarz und Grün (Yoichi Kimura wäre zufrieden) nimmt sich wohltuend aus gegenüber dem kontrastfreien Graubeige (dare I say Greige) des städtischen Materials. Pflanzen sind hier vollständig verwobener Rohstoff, auf eine Weise wie ich es sonst nur in Japan gesehen habe. Courage für ästhetische Vorschläge wie diesem machen Mailand zu einer Stadt des Hier und Jetzt – und Hoffnung auf eine progressive Zukunft europäischer Regionen.

  • Fioraio Bianchi

    (Karte)

    Die Piazza Carlo Mirabello in Brera ist an zwei Seiten mit fünfstöckigen Wohnhäusern umstanden, ihre Dächer begrünt, ihre Fassaden aus hellem Granit. Auf dem Platz gibt es einige Pappeln und drei Bänke, der Nachmittagssonne zugewandt. An der Ecke zur Via San Fermo liegt ein Blumenladen, in dem zum Aperitivo geröstetes Brot und Oliven auf den Tresen gestellt und einfacher Weißwein an die Intelligenzia der Stadt ausgeschenkt wird. Dieser Blumenladen heißt Florario Bianchi. Vor seiner Tür mit seinen Gästen auf dem Platz mit den Pappeln zu stehen, ist eine der besten Tätigkeiten, die mir für einen Abend im Mai einfallen.

  • Boffi Solferino

    (Karte)

    Mailand ist natürlich die Stadt der Möbelgestaltung und der „Einrichtung“1, und es gibt wenige Orte, an denen das nicht offenbar ist. Neben den diversen Galerien ist der Boffi-Showroom eine naheliegende Adresse auf diesem Gebiet, und gerade deshalb leicht zu ignorieren. Umso beeindruckter war ich von der Qualität der hier vorgeschlagenen Konfigurationen für Bäder und Küchen. Auch hier geht es vornehmlich um Qualitäten des Materials – und um Entwürfe, die diese ideal zur Geltung bringen. Grundformen sind massiv bis brachial, große Kuben richten ihr Gewicht nach unten, Arbeitsoberflächen bleiben ohne zusätzliche Platten oder funktionale Details. Alles: schwer, dunkel, warm, ruhig. Ich habe mir meine Kompromissbereitschaft in einem weiteren Thema für immer ruiniert, mit großem Vergnügen.

  • Dry

    (Karte)

    Müsste man den Modus Operandi Mailands mit einem Wort benennen – Aperitivo wäre gleichermaßen naheliegend wie angemessen. Die Drinks und Snacks vor der Mahlzeit (und den daran anschließenden Drinks und Snacks) sind die Verdichtung dessen, was Tex Rubinowitz die Fettucine-Lösung nennt: smoothes Rumstehen mit nackten Knöcheln bei einfachem, aber exzellentem Essen. Dry in der Via Solferino ist vermutlich der Ort in Mailand, der dieses Konzept am besten umsetzt. Ernsthaft gute Drinks, ernsthaft gutes Essen. Trick: Früh kommen, draußen sitzen, der grausigen Musik drinnen entgehen und mehr von den Gutaussehenden in der Schlange vor der Tür sehen. Falls alles nicht hilft: gegenüber ist ein gutes Izakaya – die Ramen-Lösung.

  • Carlo et Camilla

    (Karte)

    Was Carlo et Camilla versucht, könnte im Schlimmsten, in Erlebnisgastronomie enden: Ein altes Sägewerk nahe des Kanals in der Zona Tortona, entkernt, mit Beton ausgegossen, Kronleuchter aufgehängt, Innenhof begrünt, als Restaurant mit Bar eröffnet. Nicht in Mailand. Auch im Carlo et Camilla geht es um Materialien, und um die Wirkung des Raumes. Und man weiß, wo Schluss ist: die Stühle sind schulfarbene PVC-Hartschalen und die Kronleuchter bleiben ausgeschaltet – sie sind Reflektoren für die Halogenstrahler. Es geht ums Essen und die Drinks (vermutlich: die besten der Stadt) und um die zwei Stunden an der langen Tafel. All diese Dinge sind exzellent.

  • Isola

    (Karte)

    Ich wohnte in Mailand im Norden, in Isola. In Isola gibt es die Einrichtungen und Orte, die das städtische Gefüge Norditaliens seit vielen Jahrzehnten bestimmen. Straßenmärkte, Kaffee am Tresen, Monobloc-Stühle auf breiten Gehwegen und Plätzen, Werkstätten zwischen Wohnhäusern: was notwendig ist, um ein Leben zu führen. Dazwischen existieren die Veranstaltungsorte des postregionalen Auskennerlifestyles: Self-Publishing, Ramen, Spezialbier. In Isola funktioniert das angenehmerweise jenseits der üblichen Alters- und Lebenssituationsgrenzen. Das Leben kunstvoll zu führen ist eben keine neue Idee. Am besten: Das Oliven- und Nussbrot in der Panificio Angela und Caffe al Banco im Ambrosiana.


  1. Die Präposition erschien mir hier schon immer falsch: wohinein soll hier etwas gerichtet werden? Wenn überhaupt werden Dinge doch ausgerichtet, und zwar an den eigenen ästhetischen Prinzipien. Entschuldigung. 

Dezember

Es ist selbstverständlich Unsinn, einen Text mit dieser Überschrift zu schreiben. Tokyo ist keine Stadt, für die Hinweise auf ausgewählte Orte sinnvoll oder notwendig wären. Tokyo ist zu komplex und zu selbsterschließend, als dass es einen anderen Rat geben könnte als: Get out, get lost. Die Skalierung der meisten Viertel im Stadtgebiet orientiert sich an den Maßen und Reichweiten von Menschen – eine überaus bemerkenswerte Erfahrung, wenn man westliche Städte gewöhnt ist und motorisierten Straßenverkehr für ein unvermeidliches Übel hält. Letztlich sind es weniger die Räume und Perspektiven, die Tokyo zur zentralen Stadt einer anderen Moderne machen. Sondern die Perfektion seiner Verfasstheit, die Kombination aus besserem Material und nahtloser Fügung, die Zugehörigkeit zu einer anderen, hochwertigeren Realität, in der bessere Antworten auf die gleichen Fragen gefunden wurden; Mirror-World. Tokyo ist im besten Sinne unglaublich.

  • The Peak Bar at Park Hyatt

    (Karte)

    Es ist sicherlich kein origineller Vorschlag, die High-End-Drinks ausgerechnet im Park Hyatt einzunehmen – doch besser ist besser als überraschend. Die Kombination aus der vierzigsten Etage, einer cyanfarbenen Nacht, den rot glimmenden Positionslichtern von Shinjuku-ku und dem Blick über die Bar aus dem Panoramafenster ist schwer zu übertreffen. Ich trank Dirty Martini und Yamazaki, beides exzellent und vollkommen frei von Überraschungen. Ein Abend wie eine der psychogeografischen Rezensionen des Travel Almanac.

  • Daikanyama T-Site

    (Karte)

    Große Buchhandelsketten sind ein inhaltliches und ästhetisches Ärgernis, das Falsches in hohen Stückzahlen verkauft und Richtiges nicht im Sortiment führt. Hätte es eines Beton und Glas gewordenen Beweises bedurft, dass Tsutaya Books keine Handelskette in diesem Sinne ist – T-Site in Daikanyama wäre dieser Beweis. Ein komplexer Bau, gefüllt mit einem simplen Sortiment: alle relevanten Magazine der Welt, Bücher, Musik, Filme. Wie so häufig in Japan liegt der Unterschied zu anderen Orten nicht im was, sondern im wie. Im ersten Stock der T-Site befindet sich eine weitläufige, dunkel vertäfelte Lounge, deren Bar exzellentes Essen und gute Drinks serviert. Sie ist die offene Einladung, den Sonntag mit einem Stapel Bücher aus dem Sortiment zu verbringen. Sind gegen Abend die aktuellen Ausgaben der Mark, der Pin-Up und der Fantastic Man ausgelesen, bleiben die vollständigen Archive internationaler Klassiker: etwa alle Ausgaben der französischen Vogue seit 1950, gebunden, in mint condition. Es gibt keinen besseren Ort, um Stunden mit inhaltlichem Input und einer Folge Matcha-basierter Desserts zu vertändeln.

  • Gyoen Park Shinjuku

    (Karte)

    Ein Dimensionstor und 200¥ beträgt der Abstand zwischen dem schwarzen Teer Shinjukus und einem Areal, das in seiner perfekten Skulpturiertheit beinahe gerendert wirkt: Gyoen Park. Ein Garten, gefertigt aus Pflanzen, Luft, Himmel und Wasser, der nicht wie ein ausgleichender Gegensatz der Stadt wirkt, sondern wie ihr notwendiger Teil. Die weichen Hügel der großen Wiese setzen die Silhouetten der Betonstadt auf irritierende Weise nahtlos fort. Jeder Blick hat viele Perspektiven. Alles wieder offen, notwendigerweise sowohl als auch.

  • Lift Étage

    (Karte)

    Das Vermögen durchzubringen fällt selten schwer. In den relevanten Städten der Welt, zumal. An kaum einem Ort machte es mir mehr Spaß als in Tokyo; eben der Stadt, in der viele meiner ästhetischen Interessen ihren Ausgang nahmen. Stellvertretend nenne ich also Lift Étage – für den besten denkbaren Kundendialog, das kompromisslose Sortiment und das genau richtige Verständnis von Kleidung als Teil visueller Kultur und gestalterischen Ausdrucks. Mein Besuch fiel angenehmerweise in den Ausstellungszeitraum einer Installation von Carol Christian Poell und schmerzhafterweise in den Zeitraum einer der stärksten Saisons von Maurizio Amadei/MA+. A rare indulgence.

  • Shelf

    (Karte)

    Ein weiterer Ort kommerzieller Natur – auf einem Zehntel der Fläche, mit dem gleichen kompromisslosen Anspruch an Sortiment, Atmosphäre und Qualität. Um es einfach zu machen: Shelf ist die beste kleine Buchhandlung, die ich betreten habe. Wie immer und alles in Tokyo befindet sich auch Shelf in einer winzigen Seitenstraße, in diesem Fall abseits der Gaien-Nishi Dori, unweit des (größtenteils uninteressaten) Wataru Museums. Bei Shelf findet sich nicht die größte Auswahl an Fotografie- und Architekturbänden, aber die beste. Das liegt zum einen an der sorgsamen Kuratierung der Inhaber, zum anderen an dem sehr eindrücklichen Erlebnis, einem vollkommen unbekannten Kunstbuchmarkt gegenüber zu stehen. Mit jedem Blick Neues sehen – oder besser: Bekanntes in neuem Kontext, reformuliert für eine unbekannte Betrachterperspektive. Nota bene: Shelf bei Foursquare.

  • Narukiyo

    (Karte)

    Ich stieg reichlich berauscht aus einem schwarzen Taxi, hundert Meter vom Eingang dieses Lokals entfernt, als mein Telefon auf Tokyos schönem Asphalt in viele glänzende Teile zersprang. Es sagt einiges über die Qualität des Essens und das generelle Narukiyo-Erlebnis, dass ich dieses Ereignis im weiteren Verlauf des Abends nicht weiter beachtete. Narukiyo ist ein Izakaya, also ein gehöriger Trubel, in dem rasche Folgen Speisen und Shōchū aufgetragen und ohne Zuordnung zu Tisch oder Gast ebenso rasch verspeist werden. Ein guter Freund von Yohji Yamamoto betreibt dieses Lokal – jedenfalls solange er diesen nicht zur jährlichen Schau als Leibkoch nach Paris begleitet. Dass Yohji-San weiß, was Qualität ist, erklärt sich von selbst. Ich aß hier das beste Sashimi und den besten Seeigel meines Lebens.

Mai

Porto war kein Ziel mit Absicht. Porto ist mir passiert, sozusagen, der Arbeit wegen. Das passte ganz gut, denn Porto ist eine arbeitende Stadt in einer arbeitenden Region. Dass sie wunderschön sind (Stadt und Region), und zwar auf eine Weise, die ich verstehen und ertragen kann, habe ich erst dort gelernt. Porto ist die interessante Stadt des Landes. Es geht große Anziehung aus, von seiner hügeligen Kolonialhaftigkeit (Farben: weiß/weiß/grün/blau), durchtrennt und zusammengefügt mit exzellenter öffentlicher und kommerzieller Architektur (grau/weiß). Es gibt einen spezifischen Anspruch an die Gestaltung des Raumes, der Porto schön und gebrauchbar macht. Porto erscheint an vielen Stellen auf so schöne Art und Weise gebaut, dass man die Art wie die Stadt mit seinen Hügeln, dem Fluss und dem Meer verfließt übersehen könnte, um ein Haar. Ich blieb für zehn Tage in einem wunderschönen Appartment und in einem Hotel für ein langes Wochenende im April, and I’ve grown strangely fond of this place.

  • Champanheria da Baixa

    (Karte)

    Portugiesisches Essen – solange es nicht aus frisch gefangenem Fisch besteht – ist keine unproblematische Sache. Glücklicherweise gibt es in Porto exzellente Plätze mit exzellenten Speisekarten. Die Champanheria da Baixa ist ein solcher Platz. Es gibt sehr gute kleine und noch bessere große Gerichte. Man sollte entweder auf dem schönen kleinen Platz draußen oder im hinteren Teil der Bar innen sitzen. Was noch? Das Brot ist fantastisch und die Getränkefrage klärt sich von selbst.

  • Piscina des Marés

    (Karte)

    Dies ist ein Eintrag auf meiner nicht existierenden Liste Der Schönsten Orte Der Welt. Das Piscina des Marés ist ein Schwimmbad im Meer, gelegen zwischen den scharfkantigen Felsen von Matoshinhos. Alvaro Siza setzte in den 1960er Jahren dem unwirtlichen Strand eine brutalistische Architektur entgegen, die ihn gebrauchbar macht. Das Schwimmbecken ist mit Meerwasser gefüllt und endet an der organischen Felsenbegrenzung – in einer harten Zusammenfügung von Architektur und Natur mit dramatischem Ausblick über den atlantischen Ozean. Das Beste am Piscina des Marés sind allerdings die Umkleidekabinen. Roher, unverputzter Beton, schwarzes Holz und plötzliche Kühle, niedrige Decken – eine Rite du Passage, die den Blick freigibt auf Beige, Sandstein und Azurblau. Es ist fabelhaft.

  • Fundação Serralves

    (Karte)

    Die zeitgenössischen Museen europäischer Städte zu besuchen ist natürlich immer eine gute Idee. In Porto funktioniert sie ganz ausgezeichnet, denn die Fundação Serralves ist exzellent kuratiert (subjektiv anekdotisch: besser als das MACBA) und in einem auf unterhaltsame Weise disproportionalen White Cube von José Marques da Silva aufgehoben. Es empfiehlt sich ein ausgedehnter Spaziergang durch den wunderschönen Park und eine Tasse Kaffee samt Kakao/Chili-Cashews im Teehaus am alten Tennisplatz. Die alte Villa Serralves ist auch unbedingt einen Besuch wert – denn sie ist sowohl kubistisch, altrosa als auch vollkommen leer.

  • Por Vocação

    (Karte)

    Por Vocação ist – vielleicht neben Wrong Weather der einzige relevante Shop für Herrenmode in Porto – und ein äußerst angenehmer Ort, um eine oder zwei Stunden zu verbringen. Vielleicht wegen der perfekten Lichtstimmung, aber ganz sicher wegen des unglaublich freundlichen Personals. Auch wenn die Range der vertretenen Labels nicht so ganz meinem Geschmack entspricht, ist die Auswahl aus den jeweiligen Kollektionen immer exzellent. Ich verdanke dem guten Geschmack der Betreiber einen perfekten Nylon-Blazer von Raf Simons, ohne den ich den Hamburger Herbstregen bedeutend zerknitterter überstanden hätte.

  • Casinha

    (Karte)

    Casinha ist so einfach wie sein Name. Ein Café direkt an der überaus anstrengenden Avenida da Boavista (und schräg gegenüber vom Por Vocação), das guten Kaffee, gutes Mittagessen und das beste Eis der Stadt verkauft. Der Grund, die Cashinha zu besuchen, liegt allerdings auf der anderen Seite des Cafés: ein stiller, mit Holzboden belegter Innenhof, in dem nichts von den Touristen vor der Casa di Musica und nichts von der großen Straße zu spüren ist.

  • Casa d’Oro

    (Karte)

    Schließlich: Ein Restaurant an einem der besten denkbaren Orte für ein Restaurant – in einer Box aus Glas und Beton auf halber Höhe über dem Duoro, neben der wunderbaren Silhouette der Ponte da Arrábida. Deren Architekt, Edgar Cardoso, überwachte den Bau der Brücke aus einem eigens (von seinem Sohn) entworfenen Büropavillon – besagter Box, die nun die zwei Restaurants der Casa d’Oro beinhaltet. Zu empfehlen ist in jedem Fall das Pizza- und Pasta-lastige Restaurant auf dem Dach (und dessen ausgezeichnete Aperitiv-Karte). Das Restaurant in der unteren Etage ist leider schlechter und teurer – das ist vor allem schade um den Blick über den Duoro durch die deckenhohen Fenster.

September

Eine der schönsten Reisen, die man in Europa unternehmen kann, ist eine angemessen lange Strecke mit einem der Züge der City Night Line zurückzulegen. Die Einzelkabinen der ersten Klasse sind geräumig und tatsächlich schön. Der Blick vom Bett aus dem breiten Fenster auf die vorbeiziehende Umgebung ist das beste denkbare Bahnpanorama, zumindest auf der Strecke von Hamburg nach Zürich.

Überhaupt, Zürich. Kaum eine Stadt, in deren Name so viel Gefühl der alten Welt (in der wir aufwuchsen) mitschwingt. Nach Zürich reist man von Dienst wegen, nach Zürich nimmt man Cheques mit, in Zürich ruft man den Fahrer. Darum entschied ich mich im vergangenen Jahr, sehr privat und ohne Anliegen eben dorthin zu reisen. Um alleine umher zu gehen, alleine in Restaurants zu essen und alleine abzuwarten, was geschehen möge. Was geschah, schrieb ich nicht auf, wohl aber sechs empfehlenswerte Orte.

  • Haus Konstruktiv

    (Karte)

    Ignorierte man die Ausstellungen, die sehr gute Sammlung, das Programm – Haus Konstruktiv wäre immer noch einer der schönsten Orte dieser Stadt. Ein vertikales Gebäude (ein ehemaliges Wasserkraftwerk), das die White Cubes jeder Etage auf höchst angenehme Weise durch Nischen und Treppen verbindet, so dass allerorten Zwischenräume für Gedanken und das Geräusch der Klimaanlage entstehen. Aufeinander geschichtet: zeitgenössische Künstler in der Tradition der Züricher Konstruktivisten und die Sammlung des Hauses: Bill, Moholy-Nagy, Lissitzky. Ein wunderbarer Ort.

  • Hochparterre

    (Karte)

    Zürichs Stadtstruktur ist so heterogen wie man sich das vorstellt. Viele interessante Orte befinden sich in Wohngebieten, neben Spielplätzen und an Parks. Diese unurbane Eigenschaft ist im besonderen Fall von Hochparterre, der interessantesten Buchhandlung der Stadt, sehr passend. Denn Hochparterre verkauft Literatur zu den Themen Stadtentwicklung, Architektur, Gestaltung, Bau und Kulturpolitik. Das alles: übersichtlich strukturiert, in schönen Regalen und inklusive einer großen Zahl vergriffener Bände. Auf dem Weg dorthin empfiehlt sich der Weg durch die Quellen-Strasse.

  • Sphéres

    (Karte)

    Dass jede Besucherin und jeder Besucher der Stadt im Industriequartier umhergehen sollte, ist natürlich nicht neu. Nirgendwo lässt sich eindrucksvoller nachvollziehen, mit welcher Konsequenz Zürich die kluge Umwidmung überkommender Stadtstrukturen vorantreibt. Sphères ist ein Anker in diesem Gebiet – Buchhandlung und Cafe, mit den schönsten Plätzen auf der Galerie und dem besten Blick aus der breiten Fensterfront. Kabelloser Webzugriff und das gesamte Büchersortiment als Kaffeelektüre.

  • Chinawiese

    (Karte)

    Beim obligatorischen Besuch des Heidi-Weber-Hauses, der letzten Arbeit von Le Corbusier, liegt die Chinawiese in unmittelbarer Nähe. Sie ist ein wunderbarer Ort, um über den See zu schauen und eine Möwe zu füttern. Manikürte Grünflächen, Granitbänke und ein schöner Blick auf die Stadt aus ebenerdiger Perspektive inbegriffen.

  • Boutique Roma

    (Karte)

    Sicherlich, man könnte zu Fashionslave gehen – das Interieur und der Einkauf (Inaisce, Odeur) sind gleichermaßen gut. Aber von Zürich erwarte ich selbst beim Kauf interessanter Kleidung ein biederes Ladenlokal, sachliches Personal und große Ruhe. Alles das gibt es in der Boutique Roma; sie ist ein ruhiger, klarer Hintergrund für eine sehr gute Auswahl von Kleidung: Damir Doma, Forme d’Expression, Label under Construction, viele weitere.

  • Zum guten Glück

    (Karte)

    Als Kriesse in Zürich lebte, war das Gasthaus Zum Guten Glück der beste Ort für Frühstück und Waffeln im Westen der Stadt. Daran hat sich nichts geändert, nicht am Frühstück und nicht an der guten Einrichtung und nicht am Kaffee. Nach dem Frühstück lohnt es sich, durch die Nachbarschaft zu streifen – Sihlfeld ist eine der interessantesten Gegenden der Stadt.

Juni

Florenz. Es mag eine persönliche Verklärung oder Verschaltung sein, doch wenige Orte gelten rechtmäßiger und vollständiger für das Tempo, die Art und Weise des Lebens in der alten Welt (in Europa). Florenz ist essentiell für die Toskana, der Stadtkern scheinbar ohne Moderne, die Industrie stets nah am Handwerk. Um das zu erkennen, braucht es nicht die Bilderserien von der Pitti, alle halbe Jahre. Auf der anderen Seite des Arno, Otro Arno, ist es schwer, einen Platz zu finden. Also einen Platz, der nicht schön, von idealer Größe und in Farben zwischen Siena und Karmesin gekleidet wäre. Was man in Florenz tut, tut man zuallererst in Florenz – und zwar gerauhte Stoffe tragen, Mode betrachten, Wein trinken und Käse essen. Manchmal ist es leicht, mit der Moderne.

  • Flet

    (Karte)

    Das Flet ist der richtige Ort (selbstverständlich Otro Arno) für Aperitivo in Florenz. Das Niveau der Drinks ist durchweg hoch, Käse und Brot sind von guter Qualität, der Piazza de Nerli liegt weit und dunkelblau vor der Tür. Der angeschlossene Club ist zu meiden. Nach dem dritten Getränk sollte man lieber den Weg ins Viertel fortsetzen.

  • Arno

    (Karte)

    Der Staudamm, der längs der Stadt und quer durch den Arno verläuft, ist von der Promenade zu erreichen. Hier sollte man sich niederlassen, um sich für eine Stunde oder zwei jugendlich zu geben. Und zwar mitten im Fluss, die sockenlosen Schuhe knapp über der Wasseroberfläche, Chinotto trinkend, mißtrauisch die Strömung im Auge behaltend.

  • ‛Ino

    (Karte)

    Ich kann mich sehr genau an das beste belegte Brot meines Lebens erinnern. Ich habe es hier gegessen, bei ‛Ino in Florenz. Ein hübscher, kleiner Deli. Holzofen, gute Olivenöle, frische Nudeln. Zum Brot (toskanische Salami, Honig, Olivenöl, Tomaten, Oliven, geräucherter Mozzarella) trinkt man am besten einen Chinotto des lokalen Herstellers, dessen Namen ich nicht aufschrieb.

  • Il Santo Bevitore

    (Karte)

    Die Speisekarte dieses Restaurants in der zweiten Querstraße Otro Arno trifft die Mitte zwischen Originalität und Mode, ganz wie Interieur und Publikum. Ein angenehmer Ort, um gleich einen ganzen Abend und mehrere Flaschen Wein dort zu verbringen. Unbedingt zu bestellen ist das schwere Holzbrett mit Crudo und Käsen der Region.

  • Luisa Via Roma

    (Karte)

    Wer sich für derlei Dinge interessiert, weiß natürlich, dass Luisa Via Roma einer der bestsortierten Onlineshops für interessante Kleidung ist. Das Ladenlokal in der Via Roma vermeidet colettehafte Inszenierung zugunsten eines großen und wirklich guten Sortiments. Der vollständig schwarze Nebenraum des Obergeschosses allein ist den Besuch wert, von der Dachterrasse ganz zu schweigen.

  • Grom (Karte)

    Ich nannte Grom bereits als Ort für Paris, und ich tue es erst Recht für Florenz. Denn hier eröffnete die erste Filiale der besten und kleinsten Eiscremefranchise der Welt. Auch nach fünf Portionen Grom-Eis warte ich noch darauf, eine bessere Sorte zu essen als Cioccolato Extranoir. Einer der ganz wenigen Orte, an denen man in einer Warteschlange stehen kann.

August

Im April wäre ich um ein Haar nach Barcelona geflogen, für ein Wochenende, um mir die Sammlung des MACBA anzusehen, einen Tag am Strand zu liegen und anschließend die erfreulichen architektonischen Wagnisse der olympische Promenade von 1992 zu betrachten. Mir ist im letzten Moment etwas Wichtiges dazwischen gekommen. Ich dachte, dass ich es in diesem Jahr nicht mehr dorthin schaffe. Ich habe mich geirrt. Eine Woche im August in Barcelona zu verbringen, ist zwar keine gute Idee, wenn man wert auf Subtilität und Ruhe legt – doch die Stadt wird ihrem Ruf gerecht: Stadtstrand, einfaches Leben, interessanter Beton, interessantes Durcheinander. Sechs Orte in Barcelona.

  • Parc Forum (Karte)
    Die Olypmischen Spiele von 1992 haben Barcelona geprägt – und nirgendwo wird es deutlicher als an der verlängerten Promenade entlang des Stadtstrandes. Camouflage-Marmor, ein Hang zum Bauhaus-Dreieck, Effektarchitektur. Umso erstaunlicher, dass diese Promenade mit einer Ansammlung harscher Betonstrukturen, dem Parc Forum endet. Das Forum ist so groß, dass man mit der richtigen Perspektive meinen könnte, die eckigen Pfeiler und Kuben seien übrige Gerippe einer vergangenen Zivilisation – und zwar einer, die sehr gute Schwimmbecken aus Holz und Beton ins Meer bauen konnte. Einer der schönsten urbanen Orte in Südeuropa.
  • Bestiari (Karte)
    Gutes Essen ist einfach, am Mittelmeer – es genügt ein Markteinkauf und frisches Brot. Wenn es doch einmal mehr sein soll, ist das Bestiari mitten in El Born eine sehr gute Adresse. Die Küche hält sich mit wilden Fusion-Ideen zurückt und legt statt dessen Wert auf hochwertige Produkte und gutes Handwerk. Ich hatte Sashimi und ein Zandersteak. Beides minimal zubereitet und äußerst erfreulich.
  • Loreak Mendian (Karte)
    Spanien ist ganz bestimmt nicht das Land für relevante Mode und erfolgreichen Kleiderkauf. Dennoch gibt es auch in Barcelona einige interessante Shops (vor allem: Comercial Man auf der Carrer del Rec). Zu ihnen gehört der Flagship Store des baskischen Labels Loreak Mendian – eine recht abenteuerliche Kombination aus Surf-Heritage und der klassischen Moderne. Das Ganze funktioniert erstaunlich gut, so lange man die Finger von den arg Streetwear-inspirierten Teilen lässt.
  • Negroni (Karte)
    Kühle, dunkle Orte gibt es nicht unbedingt viele, in dieser Stadt. Das Negroni ist einer – eine kleine Bar mit genau drei Sitzplätzen, mit einem Interieur, das weitgehend aus Stahl besteht. Es gibt Jazz, einen tatsächlich einen sehr guten Negroni und ruhiges Understatement. Letzteres ist an einem Ort wie Barcelona eine Wohltat.
  • Inercia (Karte)
    Ich kenne kaum eine Stadt, die besser geeignet ist, um mit dem Longboard in ihr herumzufahren. Perfekte Beton- und Teerwege, sanfte Hügel und eine wunderschöne Strecke entlang der Promenade, die am perfekten Carving Spot Parc Forum endet. Wer sein Brett nicht im Flugzeug mitnehmen möchte, kann sich bei Inercia eins leihen – für sehr okaye 15 Euro am Tag. Eins der besten Dinge, die man in Barcelona unternehmen kann.
  • MACBA (Karte)
    Muss man nicht extra erwähnen, lohnt sich aber dennoch. Denn: Hinsichtlich seiner Sammlung fällt das MACBA zwar gegenüber dem Moderna Museet und der Tate Modern etwas ab, gewinnt dank des sehr guten Gebäudes von Richard Meier und seiner besonderen Lage in Raval einen eigenen Charakter. Tatsächlich ein schöner, ruhiger Ort. Unbedingt beachten: Die Fassade des CCCB im Innenhof hinter dem MACBA.

Fotos aus Barcelona gibt es in meinem Barcelona-Set bei Flickr. Ich habe diese Empfehlungen außerdem auch auf der sehr guten Plattform Mapalong veröffentlicht (Beachten sie hierzu auch diesen Aufruf.)

April

New York ist auf viele Weisen ein mythischer Ort. Architektur, populäre Kultur, Hip-Hop, Urbanität, Basketball, Moderne – keines dieser Dinge nahm hier seinen Ausgang. Jedes dieser Dinge ist hier kulminiert. New York ist gewissermaßen der Prototyp der modernen Großstadt. Ein Sprawl, in dem alles vorhanden ist, das Menschen wie uns kümmert. In dem alles in Beziehung zueinander gerät – New York State of Mind. Ich habe im März einige Tage in der Stadt verbracht. Es waren zu wenige, um mir ein Urteil erlauben zu können. Doch genug, um zu wissen: New York ist wunderschön, vieles hier betrifft mich. Doch es ist nicht der Ort, an den mein Leben gehört. Aber mehr Besuche wird es geben müssen. Sechs besondere Orte in New York City, New York.

  • The Highline (Karte)
    Eine Sache, die mir vor meinem Besuch nicht bewusst war, ist die Anzahl, Vielfalt und Qualität öffentlicher Orte in dieser Stadt. Laufstrecken, Basketballcourts, Parks, Wiesen, Wasserflächen, Strände – New York stellt Räume zur Verfügung, in denen das Leben auf (ganz und gar uneuropäische Art und Weise) stattfindet. Der schönste dieser Räume ist Highline Park von Tribeca bis Soho, die zur Grünfläche umgewandelte alte Hochbahn. In drei Metern Höhe ist es die Kombination aus Perspektive, Architektur und Raum zum Atmen, die es in dieser Art nirgendwo sonst geben kann.
  • RBC NYC (Karte)
    Die Kaffeesache ist inzwischen fester Teil urbaner Kultur; jede moderne Stadt hat – inzwischen – ernstzunehmende Baristi und lokale Röster, seit wir alle nur noch hochwertiges Koffein akzeptieren. In New York sind RBC NYC eine der besten Anlaufstellen. Ihr Argument: Die Hardware und das Vorhandensein von wenig, das nicht unmittelbar der Zubereitung und Einnahme hochwertigsten Kaffees dient. Ich empfehle den Flat und White und einen Platz Blick auf eines der schönsten Gebäude der Stadt gegenüber.
  • OAK (Karte)
    Ja, es stimmt – es ist einfach, in New York große Mengen Geld in sehr kurzer Zeit auszugeben. Auch und vor allem für Kleidung. Die Ladenschilder in der Gegend um Crosby, Bond und Bowery lesen sich die Most Popular-Sektion von SVPPLYSaturdays Surf, Odin, Opening Ceremony. Erwartungsgemäß war es letztlich OAK, der mich und meine Kreditkarte am meisten beeindruckt hat. Eine herausragend kuratierte Kollektion, arrangiert in einem Ladenlokal, das der harschen Corporate Identity gerecht wird: Der Kassentresen ist zwei Meter hoch. Pflicht: eine Ausgabe des Oakazines.
  • Hudson River Park/Battery (Karte)
    Wie gesagt: New York ist wunderschön, überall und immer wieder zwischendurch. Doch an diesem Ort ist die Erkenntnis ganz klar und schwer zu widerlegen. Die Klarheit, mit der die Promenade am West Hudson den Sprawl dieser Stadt durchbricht, die Wucht des auf einmal unverstellten Blicks – sie sind zu groß. Ähnlich wie The Highline hinterlassen die öffentlichen Plätze in Battery ein Gefühl der Ruhe und der Involviertheit gleichzeitig: Alles andere ist auch da, aber es kümmert uns gerade nicht.
  • Chan Pa (Karte)
    Es ist wohl weniger Zufall als Kontingenz in einer Stadt wie dieser in einen fantastischen asiatischen Imbiss zu geraten, noch dazu in einer der Seitenstraßen Chelseas. Dennoch: Bei Chan Pa’s Noodles & Grill gibt es unglaublich guten Glasnudelsalat für sehr wenig Geld (wie an mehreren tausend anderen Orten auch) und einen spektakulär orangen thailändischen Eistee, dessen Geschmack mit nichts auf der Welt vergleichbar ist. Ich wäre bereit, größere Mengen Geld für einen Jahresvorrat dieses Getränks auszugeben. It’s that good.
  • New Museum, siebter Stock (Karte)
    Das New Museum zu nennen ist nicht sonderlich originell – es ist nicht nur einer der relevanten Orte für aktuelle Kunst in Nordamerika, sondern selbstverständlich auch ein Meisterstück des Teams von sanaa. Ich nenne es dennoch, um auf den Blick aus dem siebten Stock hinzuweisen. Freier Eintritt jeden Donnerstag Abend. Dass die Gegend um Bowery einen ausgedehnten Spaziergang mit offenen Augen wert ist, versteht sich von selbst.

Fotos dieser und anderer Orte in New York gibt es in meinem NYC-Set bei Flickr.

Oktober

Kopenhagen und Hamburg haben vieles gemein. Einiges davon liegt nahe, und hat mit der Lage am Fluss, am Delta, am Wasser zu tun; beide Städte wirken unmittelbar maritim. Das Vorhandensein von Wasser und Hafeninfrastruktur ist wichtig, auch für Dinge, die mit der geographischen Lage wenig zu tun haben: in welcher Haltung man durch Straßen geht, wie man zur Sonne steht, was die Menschen sagen, die man trifft. Es mag der unverstellte Blick in die Weite sein, oder der Wind, der vom Meer durch die Städte weht. Kopenhagen und Hamburg könnten zwei Remixe des gleichen Ausgangsmaterials sein.

Ich habe einige Tage in Kopenhagen verbracht und mich dort sehr wohl gefühlt. Nicht wegen der Nähe zu Hamburg, sondern in erster Linie wegen der großen Klarheit und Ruhe der Stadt und ihrer Bewohner. Sechs Orte, an denen sie besonders spürbar war.

  • Skuespilhuset (Karte)
    Das königliche Schauspielhaus liegt direkt am Hafen, genauer gesagt im Hafen — ein Teil des Gebäudes und seiner umlaufenden Plattform ist auf Pfähle gebaut. Wenn man auf dem fast parkettartigen Holz der Plattform in der Sonne sitzt, hindert nichts den Blick in den Hafen, auf das Opernhaus von Henning Larsen, auf die Stadt, in die Sonne. Ein nutzbarer öffentlicher Raum im besten Sinne.
  • Karriere (Karte)
    Karriere ist eine der schönsten Bars, in denen ich je war. Sie befindet sich in einer der weiß gekachelten, ehemaligen Schlachtereihallen am Flæsketorvet. Darin stehen wenige, für die Bar entworfene Möbel aus Stahl und ein schimmernder Tresen. An Decke und Wänden: Lampen aus der Werkstatt von Olafur Eliasson. Es gibt wenig, das nicht aus Metall oder texturiertem Plastik ist. Dennoch ist Karriere ein warmer Ort. Weil Lichtstimmung und die Musik (~ Microhouse, Dial) die industrielle Einrichtung perfekt kontrastieren, ohne dem Ort die Klarheit zu nehmen. Es gibt saisonale Getränke und großartiges Baressen.
  • Frederiksberg (Karte)
    Frederiksberg besteht aus einigen Straßen und gefühlt fünfzig Parks im Westen von Kopenhagen. Das Viertel ist eine Blaupause skandinavischer Aufgeräumtheit. Doch ein Ort, an dem fantastischer Kaffee die Regel ist, in jeder Straße Kastanien stehen und wo es weder Supermärkte mit hässlichen Schildern noch sonstige Filialen großer Ketten gibt — man hätte ihn gern in der Nähe, um Sonntags Nachmittags darin umhergehen zu können.
  • Louisiana Museum of Modern Art (Karte)
    Es gibt Orte, die sind gut eingerichtet, architektonisch interessant oder liegen in einer angenehmen Klimazone. Und dann gibt es Orte, die sind so schön und frei und groß, dass man ganz still sein möchte. Dass man aufhört, mit dem Gedankenmachen und dem Einordnen. A delightful stillness and amazement that raises the mind to sublimity, schreibt Alain de Botton.1 Das Louisiana Museum of Modern Art in Humlebæk, an der Küste, wo man Schweden sehen kann, ist so ein Ort. Es gibt nicht viele.
  • PARISTEXAS (Karte)
    Selbst zwischen den vielen wunderbaren Kleidungsstücken in Kopenhagen nimmt sich das Sortiment von Paristexas aus. Aber ein mit weißem Holz verkleidetes Ladenlokal, das Stücke von Damir Doma und Kris van Assche verkauft, würde wohl überall auffallen. Mehr Galerie als Geschäft, und wunderschön.

  • Ruby (Karte)
    Schließlich: Ruby, eine Bar, die sich ihre Adresse mit der georgischen Botschaft teilt — und mit einiger Wahrscheinlichkeit auch die Einrichtung. Im Ruby trinkt man die (sehr, sehr gute) Hausvariante des Sour in einem vollständig birkenholzvertäfelten Raum mit Teppichboden und zu einer leisen Platte von Thelonious Monk. Die Definition eines ruhigen Abends im besten Sinne.

Fotos dieser und anderer Orte in Kopenhagen gibt es in meinem København-Set bei Flickr.


  1. Alain de Botton – The Art of Travel, Seite 165. 

Juli

In ungewohnten Umgebungen sind neue Ideen einfach, weil ja alles fehlt, auf das man normalerweise so schaut. Das Poster neben dem Schreibtisch und die Rücken der Bücher im Regal. Wenn man sein Notizbuch an einen Ort wie Paris trägt, füllt es sich praktisch von alleine. Schwierig ist es, die Ideen den Transferzustand, der Teil jeder Reise ist, unbeschadet überstehen zu lassen. Weil dann wieder Alltag in allen Blickrichtungen steht. Und das eigene Geschmiere und die hastig aufgeschriebenen Namen nur noch hübsch aussehen, aber nicht mehr lesbar sind. Darum schnell raus damit. Sechs Orte in Paris, an denen man gewesen sein sollte.

  • Merci (Karte)
    Merci ist schwer zu klassifizieren. Es es eine Mischung aus Boutique, Ausstellung angewandter Kunst, Möbelshowroom und Café. Auf zwei Etagen kuratieren die Besitzer Mode, klassisch moderne Möbel, Bücher, Papier, Tape, Stifte und hundert andere Dinge. Merci fühlt sich an wie eine Raum gewordene Ausgabe des Inventory Magazine. Unbedingt besuchen und japanisches Papier, Hemden aus Schweden und den Plaid-bezogenen Eames Lounge Chair im ersten Stock mit großen Augen ansehen.
  • La Défense (Karte)
    Die urbane Struktur rund um La Défense ist beeindruckend komplex, konsequent und angenehm over the top. Man kann das Projekt der Moderne ablaufen, zu beiden Seiten des Grande Arche — samt aller Verfehlungen und Schönheiten. Der Bogen selber ist ein Erlebnis in formaler Perfektion; die strikte Entsprechung aller Winkel schließt nicht nur Seiten, Dach und Freitreppe ein, sondern auch den Winkel der Schattenwürfe bei Sommersonne.
  • Comptoir de l’Image (Karte)
    Nimmt man Kioske aus, handelt es sich um das kleinste Ladenlokal, das ich je betreten habe. Compoir de l’Image ist ein Antiquariat, spezialisiert auf Modemagazine und Fotobände der vergangenen 70 Jahre: Männermagazine der fünfziger, die Vogue der Woche meiner Geburt, vergriffene Bände von Eggleston, ein vollständiges Archiv aller Interview-Ausgaben. Die Blaupausen zeitgenössischen Editorial Designs stapeln sich bis unter die Decke, in ihnen Fotos, mit denen sich drei Streetstyleblogs über Jahre füllen ließen. Man bewegt sich leise, tritt am besten einzeln ein und freut sich still über die Präsenz von so viel populärer Kultur an einem Ort.
  • Grom (Karte)
    Bei Grom habe ich das mit Abstand beste Eis meines Lenbens gegessen. Es gibt einen Unterschied zwischen Eisladen und Eiskonditorei. Und der muss irgendwas mit der Geschmacksrichtung Fior di Latte/Pfefferminz zu tun haben.
  • Galerie Patrick Seguin (Karte)
    Von der Rue des Taillandiers aus gesehen ist diese Galerie nur eine Stahltür in der Backsteinwand; mit einer Klingel und einem kleinen Schild. Dahinter verbirgt sich eine großartige Sammlung von Möbeln der fünfziger- bis späten sechziger Jahre. Arbeitsmöbel von Jean Prouvé, architektonische Objekte von Corbusier und viele andere wunderbare Gegenstände. Wie zum Beispiel diese perfekte Sofa/Beistelltisch-Kombination von Carlotte Perriand aus dem Jahr 1958. Wieder auf der Straße hat man das dringende Bedürfnis, ein Tweedsakko zu tragen und sich neu einzurichten.
  • Pierre Hermé (Karte)
    Pierre Hermé verkauft Süßigkeiten von denen hundert Gramm deutlich mehr als zehn Euro kosten — aber die Macarons sind diesen Preis wert. Man könnte sie problemlos für das Doppelte verkaufen, weil der Moment, in dem man die Intensität des Geschmacks realisiert, für sich genommen schon ein Erlebnis ist. Es gibt eine Sorte Macaron, die intensiver nach Erdbeeren schmeckt als Erdbeeren. Das ist ein hübsch absurder Gedanke.

Weitere bebilderte Erlebnisse gibt es in meinem Paris-Set bei Flickr.

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